No Man’s Sky

No(r) Man’s Sky

No Man's Sky

Undendliche Weiten, Galaxien und Universen. Mit No Man’s Sky erschien der langerwarte Indie-Triple-A-Hybrid von Hello Games. Und wie es sich für so einen vielgehypten Titel gehört, spaltet der Entdecker-Simulator Spieler und Fachpresse. Ob Erwartungen erfüllt oder enttäuscht wurden, ist am Ende allerdings gar nicht so klar, immerhin wusste man gar nicht so richtig, was man überhaupt erwarten sollte. NORMAN VOLKMANN wollte einfach nur ausziehen, neue Welten, Tierarten und Pflanzen entdecken und ihnen bescheuerte Namen geben.

In No Man’s Sky beginne ich das Abenteuer auf einem fremden Planeten mit defektem Raumschiff und der Aufgabe, dieses zu reparieren. Mit meiner treuen Laserwaffe ausgestattet, baue ich Rohstoffe um mich herum ab. Carbon, Plutonium, Eisen und Zink gehören dabei anfangs zu den wichtigsten Stoffen, die ich finden kann. Der Anfangsplanet, der zufällig ausgewählt wird, spielt dabei eine wichtige Rolle. Planeten mit extremen Umgebungstemperaturen oder toxischen Gasen raffen Entdecker schneller dahin und fordern schnelles Lernen zu Beginn. Ich starte auf einem Eisplaneten und brauche eine ganze Weile, bis ich mich überhaupt im Nutzermenü zurechtgefunden habe. Anfangs ist die Navigation darin eine echte Herausforderung. Doch auch wenn die extremen Wetterbedingungen am Anfang schwierig zu meistern sind, im späteren Spiel tritt der Survival-Aspekt dann gänzlich zurück. Gestorben bin ich bislang noch nie.

No Man's Sky
Die Kollegen von Kotaku haben in ihrer Besprechung schön beschrieben, wie unterschiedlich sich das Spiel spielen lässt und wie die Spielweise mit der Zufriedenheits des Spielers zusammenhängt. Und auch ich habe das schnell gemerkt. Das ständige Umhergehüpfe zwischen Systemen und Planeten enttäuscht schließlich, weil sich die Planeten doch zu sehr ähneln. Die Raumstationen in jeder neuen Welt sind immer die gleichen, die Ruinen der Alienrassen zwar immer außergewöhnlich, aber irgendwann keine Überraschung mehr. Indes zahlt es sich aus, zu versuchen, einen Planeten in seiner Gänze zu erforschen. Nicht nur, weil man dafür mit einer stolzen Summe an Ingame-Währung belohnt wird, sondern weil dergestalt wirklich mein Entdeckergeist geweckt wurde. Es geht dann nicht mehr nur darum, so viele Planeten wie möglich gesehen zu haben, sondern sich bewusst an die zu erinnern, die man besonders genau erforscht hat. Und so lose, wie die zentrale Handlung sich um das Spiel legt, ist es vermutlich auch genau dafür angelegt.

No Man's Sky
Ein Problem, das ich allerdings während meiner ganzen Zeit mit dem Spiel nicht lösen konnte, war die Suche nach dem Planeten. Ich habe No Man’s Sky als eine Art Heimatsuche angesehen. Denn das Erforschen des Fremden machte mir immer wieder klar, dass mir das Vertraute fehlte. Der namenlose Pilot, der offenbar keine Heimat hat, muss doch auf der Suche nach einem Zuhause sein? Sieht er die schöne Winterlandschaft mit den lila- und blaufarbenen Bäumen etwa nicht mit dem gleichen Schwermut wie ich? Doch die Suche nach einer Heimat ist in No Man’s Sky keine, die man anstellen darf. Am Ende ist man überall nur zu Gast, lädt seinen Anzug auf, bringt sein Raumschiff auf Vordermann, scannt seine Umgebung und versucht, zum Mittelpunkte der Galaxie zu gelangen. Die Aliens, die man kennenlernen kann, werden keine Freunde, selbst wenn man sich bei den unterschiedlichen Rassen durchaus einen Namen machen kann.

No Man's Sky-4
Ich vermag nicht zu sagen, ob mich No Man’s Sky nun enttäuscht oder begeistert hat. Und ich weiß gar nicht, ob das schlimm ist. Denn am Ende habe ich so einige Stunden darin versenkt, mich auf zahlreichen Planeten zu verlieren, abgestürzte Flugzeuge aufzubauen und Tier- sowie Pflanzenwelten zu erforschen. Die immer gleichen Raumstationen und die unzähligen Upgrades, die ich irgendwann einfach nicht mehr beachtete, störten mich allerdings schon. In einem Moment war ich enttäuscht von kargen und langweiligen Planeten, nur um eine halbe Stunde später Eisplaneten mit bunter Flora zu bewundern. Ich denke, dass No Man’s Sky trotz aller repetetiver Spielmechaniken in ein paar Jahren zu den Titeln gehört, an die man für diese Konsolengeneration gerne zurückdenkt. Das Entdecken der zahlreichen Spielwelten und das Wissen, dass ich einzigartige Elemente sah, war unfassbar wertvoll für mich. Viele Planeten werden für mich einzigartig bleiben, vermutlich wird kein anderer Spieler über sie stolpern. Mir fällt kein anderes Spiel ein, über das man das in dieser Art und Weise sagen kann.

Zweitmeinung Rudolf Inderst

Auf No Man’s Sky habe ich lange gewartet. Allerdings nicht in einem pathologischen Zustand – die Tatsache, dass besonders gestrickte Zeitgenossen sich ereiferten, Todesdrohungen an das Entwicklerteam zu senden, da dieses den ursprünglichen Releasetermin nicht halten konnte, beschämt mich zutiefst und lässt mich immer wieder davor zurückschrecken, offen und ehrlich zu sagen: Ich zähle mich zu dieser SpielerInnen-Gemeinschaft hinzu. Nein, mit solchen Subjekten möchte ich nicht in einen Topf geworfen oder gemein gemacht werden. Machen das – um einen Vergleich zu finden – eigentlich Hörer klassischer Musik auch? Zum Beispiel, wenn Jonas Kaufmann verlautbaren lässt, dass es knapp wird mit Nessun Dorma? „Ey, isch töte Disch und Dyne Famili! Isch steck Disch durch Klawirsyte!!!“ Zu dreist? Zu plakativ? Nein, liebe SpielerInnen, macht die Augen auf, DAS sind nach wie vor die Assoziationen, die geweckt werden, wenn „Gamer“ plötzlich zu Aktivisten werden und dabei moralisch schneller verkümmern als Bonobo-Affen vor sich hin rammeln.

Ich habe also lange auf den SciFi-Titel gewartet. Gut, das machen andere auch. Manche wiederum warteten zum Beispiel lange auf Suicid Squad oder Batman v Superman und fühlen sich nun doppelt betrogen: Wo ist dieser Synder und was kann ich ihm antun? Der Mensch, so scheint es offenkundig, ist kein Tier. Dazu fehlt ihm der Geist. Unnachgiebig ereifern sich die Legionen von Moccacino-Aktivisten, Bartöl-Weltbürger und Minisegway-Dozenten. Sie fühlen sich um ihre eskapistische Erlebniswelt betrogen und merken nicht, dass sie schon längst in ihrem eigenen Sarkasmus zu ersaufen drohen, den Industrie und Marketing nur für sie eigens konzipiert, angerührt und wie dickflüssigen Kot über sie ergosssen hat. Und sie wälzen sich allzu gerne darin und lieben die kleinen Bröckchen, die sie finden, welche sie für den kulturellen Trüffel halten, den sie durch ihre drittklassige Pop-Hermeneutik glauben, freigelegt zu haben. Ich habe lange auf  No Man’s Sky gewartet.

Unaufgeregt, allerdings nicht ohne eine geweise Heiligkeit im Tun, legte ich schließlich die Disc ein, installierte die Updates und begann meine Geschichte, die nicht sonderlich von der Normans abweicht. Und Normans Geschichte dürfte – mit der Macht der großen Zahl gesprochen – wiederum nicht sonderlich von vielen anderen galaktischen Ausflügen abweichen. Isolation. Einsamkeit. Ein Aufsichselbstgeworfenwerden. Ein Zurückgelassenwordensein. Trotz der Schiffe, die immer wieder am Horizont herumkreisen und gerade deshalb – wie ein paar Scheibenwischer in Aktion – sich nie näherkommen, sich gerade weit genug entfernt voneinander befinden, um durch das Gebrüll des Seins und der Sterne nicht zu verstehen, was der jeweils andere möchte, wohin er will und was er sich davon erhofft. Irgendwann, so meine ich, wird der Sprit ausgehen, das Raumschiff an einem Bergrücken zerschellen. Irgendwo erlischt in den Rechnerketten eine 1 oder eine 0. Wer erinnert sich an diesen Raumfahrer? Ich. Ich sah ihn.

No Man’s Sky benötigt kein No Man’s. Es ist Sky. Es ist das, was man Ende übrig bleibt. Das, was man selbst daraus macht. Der horror vacui ist nicht da draußen. Nicht in diesem Spiel. Er ist in uns selbst. Und er ist viel schrecklicher als wir dachten.

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen
Originaltitel: No Man’s Sky
Plattformen: PC, PlayStation 4
Genre: Survival
Entwickler: Hello Games
Veröffentlicht von: Sony Interactive Entertainment

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