Johann Wolfgang Goethe «Torquato Tasso» | Burgtheater Wien
Die Inkommensurabilität von Kunst und Realität
Martin Laberenz bringt nach seiner letztjährigen Inszenierung des Vaudeville-Stückes «Sparschwein» von Labiche am Theater Basel in Wien einen exaltierten Tasso auf die Bühne und versetzt uns in eine (fast) ganz und gar unterkühlte Welt.

Von Jolanda Heller.
Der Dichter Tasso (Philipp Hauss) lebt auf dem Lustschloss Belriguardo des Herzogs Alfons II (Ignaz Kirchner) von Ferrara und hat soeben ein Auftragswerk vollendet. Die Kälte, die das Genie umgibt, tritt bereits aus dem Bühnenbild hervor: In einem stählernen Kugel-Gerüst hängt der Dichter allenthalben und deklamiert die Leere der Welt, von der er sich am Ende unverstanden abwendet, wenn er nach Rom aufbricht und die Vollendung seines neuen Werkes vorantreiben will. Ein Werk, das er kurz zuvor schon in die Hände seines Fürsten gelegt hatte und dessen Rücknahme wohl ein Affront bedeutet. Dass bei einer Abreise natürlich auch weibliche Gefühle verletzt werden – zumal die Hauptfiguren Goethe selbst und der Frau von Stein zugeschrieben werden – versteht sich. Doch die Liebe (Andrea Wenzl als Leonore von Este) zwischen den Textzeilen des Goetheschen Dramas wird hier vielmehr hinein interpretiert, mehr scheint es das Wunschdenken des Dichters zu sein (oder dessen Hybris). Die Begegnung mit dem eifersüchtigen Antonio (nicht der Frau, sondern des dichterischen Könnens wegen; Ole Lagerbusch als Antonio) scheint das Verhältnis zwischen Tasso und dem Fürstenhaus zu vergiften und führt einen Eklat herbei: Missverstanden wendet sich Tasso am Ende dem warmen Italien und dessen Hauptstadt zu.
Überzeugend spielt Philipp Hause den manischen Tasso, der nicht mehr an den Hof zu passen scheint, zu eigensinnig und auf Selbständigkeit pochend ist das Künstergenie. In diese Zeit passt Antonio besser, in der die Gunst des Fürsten etwas gilt. Als elbstbewusster und dienstbeflissener Staatssekretär erfüllt Ole Lagerpusch dessen Aufgabe meisterlich. Doch es wird ruhig werden am Hof, das spüren der zerknirschte Herzog ebenso wie dessen im Stück geknickte Schwester. Ob deren Freundin, die umtriebige Gräfin von Scandiano (Dorothee Hartinger), es schafft, Tasso in Italien noch in ihre Hände zu kriegen, erfahren wir hingegen nicht mehr.
Premiere: 24. September 2016, Beginn: 19.30 Uhr
Spieldauer: 2 Stunden 30 Minuten, 1 Pause
Besetzung
Alfons der Zweite, Herzog von Ferrara: Ignaz Kirchner
Leonore von Este, seine Schwester: Andrea Wenzl
Leonore Sanvitale, Gräfin von Scandiano: Dorothee Hartinger
Torquato Tasso, Hofdichter: Philipp Hauß
Antonio Montecatino, Staatssekretär: Ole Lagerpusch
Musiker: Friederike Bernhardt
Regie: Martin Laberenz
Bühnenbild: Volker Hintermeier
Kostüme: Aino Laberenz
Musik: Friederike Bernhardt
Licht: Peter Bandl
Dramaturgie: Florian Hirsch
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