Karin Sagner: „Frauen auf eigenen Füssen“

Initialzündung der Emanzipation: Frauen erobern die Berge

Karin Sagner: Frauen auf eigenen Füssen: Spazieren, Flanieren, Wandern (Sachbuch)

Alleine schreite ich forschen Schrittes durch den Berner Jura und geniesse ungestört die Natur. Für mich als junge Frau im 21. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit, die ich nicht hinterfragte. Zumindest solange, bis Karin Sagner mit ihrer neuen Publikation mich eines Besseren belehrte.

Die Kunsthistorikerin und Germanistin zeigt, wie undenkbar das Flanieren in Städten für Frauen lange war, geschweige denn das Wandern in den Bergen. Diese Aktivitäten waren ausschliesslich Männern vorbehalten. Wer als Frau alleine im Park spazieren ging, galt als „leichtes Mädchen“. Seit dem 19. Jahrhundert eroberten Frauen jedoch auch die Bastion des Gehens. Sukzessive nahmen sie Parke, Städte und Berge für sich ein und legten damit das Fundament für die Freiheit der wanderlustigen Frauen von heute.

 

Geschichte im Gemälde

Als freie Autorin und Kuratorin machte sich Sagner bereits mit mehreren Publikationen im Kunstbereich einen Namen. So zum Beispiel mit dem Bildband „Renoir und seine Frauen“ (2012) oder der Autobiographie Hélène de Beauvoirs „Souvenirs“ (2014). Auch in ihrer neuen Publikation nutzt Sagner die Kunst und Literatur, um die Entwicklung des weiblichen Gehens zu veranschaulichen. Mit einer gezielten Auswahl an Kunstwerken aus drei Jahrhunderten illustriert sie die kontinuierliche Veränderung in Mode, Konvention und Körpergefühl. Texte begleiten das farbige Bildmaterial. Diese sind entweder von der Autorin selbst verfasst oder zeigen Originaltexte von Zeitzeuginnen, wie Ricarda Huch und Virginia Woolf. Am Ende des Buches sind ausführliche Quellenangaben zu finden.

 

Irritierendes Layout

Das adrette Layout mit dem wiederkehrenden Stiefeletten-Muster und den ausgeprägten Pastellfarben soll dem Buch wohl einen vermeintlich femininen Touch geben, um weibliche Leserinnen anzusprechen. Geschmäcker sind da wohl verschieden. Persönlich erscheint mir dieser Stil nicht passend. Handelt es sich doch beim Thema um einen kraftvollen Akt der Selbstbehauptung in der Geschichte der Emanzipation. Die Kraft dieser weiblichen „Vorschreiterinnen“ wünschte ich mir als Leserin auch im Layout wiederzufinden.

 

Weder Hund noch Katz

Sagner versammelt einige spannende Texte und Kunstwerke in ihrer Publikation. Eine Frage bleibt jedoch bis zum Schluss unbeantwortet: Was will das Buch sein? Ein wissenschaftlicher Einblick in die Geschichte des weiblichen Gehens? Oder einfach nur ein hübsches Bilderbuch? Für ersteres bleibt das Buch zu oberflächlich und die Auswahl der Texte und Bilder zu zufällig. Für letzteres beinhaltet die Publikation zu viel Text.

Fazit: Wer sich für Kunst interessiert und sich eine leichte, adrett zurecht gemachte Lektüre wünscht, wird mit „Frauen auf eigenen Füssen“ sicherlich ein paar anregende Stunden verbringen. Ernsthaft Interessierte an der Geschichte des weiblichen Gehens suchen sich jedoch besser eine fundiertere Lektüre.

 

Titel: Frauen auf eigenen Füssen
Autorin: Karin Sagner
Verlag: Elisabeth Sandmann Verlag
Seiten: 160
Richtpreis: CHF 35.50

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