Steins;Gate 0

Am Nullpunkt der Zeitreise

Nukleares Gleichgewicht war gestern – willkommen im Gestern von Morgen

Steins;Gate hat RUDOLF INDERST sehr gepackt und daher war er äußerst erfreut darüber, dass ein weiterer Teil die Bühne des PlayStation-4-und-Vita-Portfolios betritt – der Kauf war ergo reine Formsache. Warum allerdings „Hätte-Hätte-Fahrradkette“ vielleicht niemals trauriger als in dieser Visual Novel war, erfahrt Ihr in den folgenden Absätzen.

Zunächst das Wichtigste: Steins;GateR (die einzigen gatOOOr, die ich zu lieben bereit bin!) müssen sich mit der Prämisse abfinden und anfreunden können, dass in der Welt von Steins;Gate 0 die Dinge etwas – und damit meine ich tragischer – gelaufen sind als man es gemeinhin erwartet hätte: Dem schrulligen, japanischen Protagonisten Okabe Kurisu gelingt es in der vorliegenden Zeitlinie nicht, die rothaarige Jung-Wissenschaftlerin Kuriso, seine große Liebe, vor ihrem Tod zu bewahren und droht in der Folge, daran seelisch zu zerbrechen. Das bedeutet auch, dass er nach seinem Scheiteren Zeitreisen zu einem Tabuthema erklärt und sich damit abfindet, dass man sich mit den Plänen des Universums und/ oder Gottes nicht anlegen sollte, da der Mensch immer den Kürzeren ziehen wird.

Therapie statt Time Travel

Und das könnte zeitgleich auch das Anti-Leitthema des Spiels sein: Es geht nicht mehr um Sprünge auf Zeitachsen und in Paralleluniversen – es geht um Trauerarbeit und -verarbeitung. Das bedeutet nicht, dass SpielerInnen ganz auf jene technologischen Spielereien und Forscher-Talk verzichten müssen oder dass sie als Thema nicht permanent auftauchen, aber Steins;Gate 0 schlägt einen anderen, düsteren und mitunter verzweifelteren Ton an. Ganz abhanden gekommen sind die Klamauk-Einschübe und Anzüglichkeiten des Vorgängers zwar nicht, aber sie spielen nur noch eine untergeordnete Rolle: Die SpielerInnen ahnen, dass der Dritte Weltkrieg hier nur noch wenige Controller-Ladungen entfernt ist. Das Universum – es seufzt.

Und so bewegt man sich von Hintergrund zu Hintergrund, lauscht, erkennt (wieder), zieht Schlüsse, beobachtet Animationen und verliebt sich jede Minuten ein wenig mehr in die sozialen Ungeschicktheiten, die hinterlistigen Pläne und die ehrliche Romantik der Figuren. Eine Pause möchte man dann eigentlich nur dann einlegen, wenn man sich zur Entspannung die Anime-Serie ansieht. #fanluv

Ist das das Ende?

Als ich nach etwa 15 Stunden eines der möglichen sechs Enden erspielt hatte – und ich verwende dieses Verb genau in diesem Sinne – sank ich tiefer und tiefer in meine Couch hinein. Steins;Gate 0 hatte es problemlos geschafft, mich zu unterhalten, mich zu rühren und mich nach weiteren Stunden mit den Charakteren zu sehnen. Davon führt das Spiel übrigens einen ganzen Schlag neuer ein. Und sie alle haben ihre Szenen, ihre Minuten und ihre Berechtigung, da zu sein. In meinem Spiel. Sie alle winken mir versonnen zu – durch … mein Steins;Gate.

 

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen

Originaltitel: Shutainzu Gēto Zero

Plattformen: Sony PlayStation 4, PS Vita

Genre: Visual Novel

Entwickler: 5pb, Nitroplus

Veröffentlicht von: 5pb

Rudolf Inderst

*1978 in München. Lebte in Kopenhagen und verliebte sich. Doppelt promoviert, übernimmt er Verantwortung als Ressortleiter für digitale Spiele hier bei nahaufnahmen.ch. Liebt Stanislaw Lem, Hörspiele und Podcasts. Spielt Videospiele seit etwa 40 Jahren. Lehrt als Professor für Game Design mit dem Schwerpunkt Game Studies / Spielanalyse / Game Business an der IU und krault sich gerne seinen Bart.

One thought on “Steins;Gate 0

  • 21.01.2017 um 11:56
    Permalink

    Ein sehr schöner Text, der mir große Lust darauf macht, selbst eines von sechs Enden zu erspielen

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