Horizon Zero Dawn

Brutzel, Roboter, brutzel

Statt durch Urzeit oder High-Tech-Zukunft durchreisen SpielerInnen in Horizon Zero Dawn eine Welt, die sowohl von High-Tech-Überbleibseln als auch von Urzeit-ähnlichen Stämmen bestimmt wird. Mächtige Maschinen sind statt Dinosaurier die stete Gefahr. Der mysteriöse Zerfall der heutigen Welt liegt schon hunderte Jahre in der Vergangenheit. Zusammen mit Spielheldin Aloy haben STEFAN VON DER KRONE und NORMAN VOLKMANN nicht nur immer größere Roboter gejagt, sondern an so einigen Stellen inne gehalten, um in den wunderschönen Szenerien zu versinken. Und sie haben diesen tollen Tag-Team-Artikel dazu geschrieben – nicht schlecht!

Open World? Check. Bogen? Check. Post-Apokalypse? Check. Jagen, klettern, craften, leveln, entdecken, Sammelaufgaben, Nebenmissionen? Check, check, check. Auf den ersten Blick und nur auf die Features reduziert, ist Horizon Zero Dawn ein weiteres, massiges Open-World-Triple-A-Spiel, das von allem etwas bieten will und kann. Von Sony unterstützt, ist es der nächste exklusive Blockbuster der Playstation 4, der schon seit einigen Jahren sehnsüchtig erwartet wird. Aber inzwischen weiß man ja, wie das mit den Hypes so funktioniert und auch Horizon Zero Dawn wäre nicht der erste Titel, der am Ende doch enttäuscht. Ich zumindest war anfangs skeptisch. Spoiler: Horizon brauchte ein wenig, um in die Gänge zu kommen, überzeugte mich dann aber vollends vom Gegenteil.

Hat man einmal Uncharted 4 gespielt, mag man verwöhnt sein, allerdings fällt bei Horizon durchaus auf, dass Guerilla bei Gesichtsanimationen den Dreh noch nicht raus hat. Speziell die Kindergesichter zu Anfang des Spiels lehrten mich das Fürchten und ließen mich aufatmen, als dieser Teil des Spiels vorrüber war. Da half selbst der schönste König-der-Löwen-Moment zu Anfang nichts ­- die Mimiken der Spielfiguren sind durch die Bank gruselig und die der Kinder sowieso. Dafür sind die Gesellschaften der Spielwelt interessant. Heldin Aloy wächst in einer Welt auf, die von Stämmen mit unterschiedlichen Religionen beherrscht wird. Ihr Stamm, Nora geheißen, ist sehr in seiner Tradition verhaftet. Sie sind das, was man sich unter typischen Steinzeit-Stämmen vorstellen würde. In eher einfacher Leder-Fell-Kleidung gehen sie mit Pfeil und Bogen oder wahlweise Speeren auf die Jagd und verlassen ihr heiliges Land nicht. Wer dies ohne Erlaubnis tut, wird verbannt.

Spiele mit Frauen als zentrale Helden sind noch immer keine leichte Kost für die Spielerschaft. Zeigt man eine Frau auf dem Cover, verkaufen sich Spiele vermeintlich schlechter ­- oder zumindest fürchteten Publisher das lange Zeit. Wird der weiße, heterosexuelle Dudebro nicht angesprochen, wird es angeblich schwierig. Horizon Zero Dawn scheint davon irgendwie befreit, zumindest ist es dem Titel auch während des Spielverlaufs nicht anzumerken, dass solche Gedanken durch die Köpfe der Entwickler gingen. So werden die Nora, zu denen auch Aloy gehört, von Frauen angeführt. Schnell stellt sich dabei sogar heraus, dass die Frauen am mächtigsten sind, die die meisten Kinder in der Stamm bringen. Doch auch Aloy wird als Frau sehr selten als von Leben und Schicksal benachteiligt dargestellt. Sicher, es gibt Charaktere, die überrascht sind, dass der zierlichen Frau der Ruf einer nie dagewesenen Jägerin und Maschinenflüsterin vorauseilt – doch wirklich in Frage gestellt wird sie nicht aufgrund ihres Geschlechts. Gleiches gilt für die Darstellungen homosexueller Charaktere. Hier gibt es keine Diskussionen, keine abfälligen Kommentare. Diese Welt kennt, trotz der Rückkehr in ein vorindustrielles Leben, verschiedene sexuelle Vorlieben und lässt sie einfach unkommentiert. Auch wenn das in der heutigen Zeit keinen Applaus fordern sollte – für Videospiele ist dieser leichte Umgang mit solchen Themen durchaus erfrischend. Guerilla schafft es durch diese und viele andere Kleinigkeiten, dass die Welt, in der Aloy sich bewegt, glaubwürdig wirkt. Trotz des (Fast-)Untergangs der Menschheit ging zumindest die Menschlichkeit nicht unter.

Entdeckungsreise auf dem Elektropferd

Aloys Welt ist nicht mehr die, die wir heute noch kennen, aber sie ist (möglicherwiese gerade deswegen) wunderschön. Die Gerippe von Hochhäusern sind zu weiten Teilen überwuchert, und keines der ausgeschlachteten Gebäude kann mit seiner schieren Größe mehr imponieren. Selten sieht man überhaupt Autowracks oder bis zur Unkenntlichkeit verrostete Reste von Straßenschildern. Doch was von der einstigen Zivilisation übrig ist, ist zweitrangig. Guerilla hat meisterhafte Arbeit geleistet, die unterschiedlichen Gebiete und Vegetationen zu kreieren. In verschneiten Bergformationen hangelt sich Aloy an verschiedenen Felsen oder entdeckt mysteriöse Höhlen, während in wüstenartigen Gebieten mit Grand-Canyon-Optik mächtige Sandstürme wüten. Wenn im feuchten Dschungel-Gebiet nachts das Mondlich durch die dichten Baumkronen leuchtet, ist das so wunderschön, dass der Fotomodus mein Rückzugsort für ruhige Momente wurde.

Eigentlich ist es überraschend, dass Horizon Zero Dawn so gut ist. Und dann auch wieder nicht. Gerade spielmechanisch begibt man sich kaum in Gefahr. Das automatisierte Klettern ist weniger herausfordernd als bei Assassin’s Creed, der Bogen und das Erforschen von speziellen Höhlen, ist spätestens seit Tomb Raider Standard, das Jagen und Verbessern von Ausrüstung kennt man von Far Cry schon seit Jahren. Doch dann ist da diese Spielwelt und die herausfordernden Kämpfe gegen die Elektrogiganten, deren Niedergang ohne gute Strategie kaum zu schaffen ist. Die unterschiedlichen Waffen spielen sich tatsächlich unterschiedlich, das schnelle Wechseln im Kampf ist obligatorisch. Hinzu kommt das Mysterium um die Maschinen und den Grund, der zur Apokalypse geführt hat. Die Welt ist einzigartig und ihre Geschichte spannend. Naja, Lensflares und tolle Lichteffekte gibt es außerdem auch. Hat man ein paar Stunden gespielt, merkt man schnell, dass Horizon Zero Dawn zwar einen seltsamen Titel hat, aber auch, dass es all die Elemente, die es sich aus bekannten Spielegrößen leiht, perfektioniert. Dazu gesellt sich eine Haupthandlung, die es wert ist, erforscht zu werden und die bei weitem nicht so vorhersehbar ist, wie bei 80 Prozent der restlichen AAA-Titel. Die Kombination aus alledem macht Horizon zu einem der besten Titel dieses Jahres und beweist einmal mehr, wie dominant Sony den Exklusivmarkt beherrscht.

Stefan von der Krone

Horizon Zero Dawn hatte ich eigentlich nicht auf dem Schirm. Schon wieder Open-World-Action, schon wieder wird wohl zu viel versprochen und zu wenig geliefert. Letztendlich bin ich aber dennoch froh, dass ich Guerrilla Games neuesten Titel installiert habe. Ich bin begeistert vom mehr als soliden Gameplay und der wunderschönen Grafik. Gewürzt mit mittlerweile obligatorischen Rollenspiel-Elementen ist vor allem das Kampfsystem schön vielseitig. Natürlich ist Schleichen wie so oft das effizienteste und sicherste Mittel, den Gegnern den Garaus zu machen. Dennoch ist auch der frontale Angriff stets gut zu meistern, nur sollten es nicht mehrere größere Feinde sein. Besonders auf höheren Schwierigkeitsgraden führt Übermut zum schnellen Ableben. Positiv sticht wohl auch die Hauptfigur Aloy heraus. Als Vorzeigeheldin, die die Schwachen beschützen will, erfüllt sie so manches Rollenspiel-Klischee. Erfreulich ist es dennoch, dass es sich dabei um eine starke weibliche Figur handelt, die überdies auch nicht ansatzweise (über)sexualisiert wird.

Richtig cool sind die Maschinen geworden, mechanische Wesen, die allerlei bereits ausgestorbenen sowie noch lebenden Tieren nachempfunden sind. Die Entwickler haben hier viel Liebe zum Detail bewiesen und mit jeder neuen Maschine ein bisschen mehr Tiefe in die Kämpfe gebracht. Sie alle haben spezifische Schwachstellen, die unterschiedlich bekämpft werden können. Zudem lassen sie sich nach und nach auch umprogrammieren, so dass sie an der Seite Aloys kämpfen. Die größte Aufmerksamkeit gebührt wohl aber der Grafik. Ich meine, dass ich bisher noch kein Open-World-Spiel mit einer solch hübschen Optik gespielt habe. Selbst Uncharted 4 muss sich ganz schön warm anziehen. Dieser „Hyper-Realismus“ sorgt zum Teil sogar dafür, dass sogar eine zufällige Pause im Spiel eine atemberaubende Szene auf den TV zeichnet: Gleich mal einen Screenshot machen und auf Instagram teilen!

Natürlich gibt es ein paar Macken, aber über die kann ich unbeschwert hinwegsehen. So kann ich kaum etwas mit den Stammesgesellschaften anfangen. Die häufige Rede von der Figur einer „Urmutter“ löst mich häufig aus der Immersion. Wobei ich hier noch auf eine spannend aufgelöste Geschichte hoffe. Zudem kommt es vor, dass in der Hektik des Kampfes nicht der Bogen gespannt wird, sondern Aloy lieber den Sperr zückt. Aber wie gesagt, die paar Macken sind nicht der Rede wert. Mit Horizon Zero Dawn hat die PS4 einen richtigen Kracher bekommen, und ich freue mich auf die nächsten Stunden mit Aloy. Es gibt sie also doch noch: qualitativ hochwertige neue Big-Budget-Games, die weder Sequel noch Prequel sind.

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen
Originaltitel: Horizon Zero Dawn
Plattformen: PlayStation 4
Genre: Action
Entwickler: Guerilla
Veröffentlicht von: Sony

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