Karl Ove Knausgård: „Kämpfen“
Wer aufgibt, hat verloren
Karl Ove Knausgård: Kämpfen (Roman)
Nicht nur inhaltlich ist das letzte Werk der Selbstbiographie von Karl Ove Knausgård eine Wucht, sondern auch haptisch. Mit 1280 Seiten ist „Kämpfen“ das umfassendste Buch dieser Reihe. Knausgård thematisiert den Kampf der Veröffentlichung des ersten Buches, den Kampf mit sich selber und mit seinem Umfeld.
So schonungslos Karl Ove Knausgård mit sich und seinen Mitmenschen umgeht und so hart er selber auf andere wirken mag, so zerbrechlich ist er zugleich. In seinem neusten und letzten Band des selbstbiographischen Werks kämpft er. „Kämpfen“ heisst denn auch das Buch. Die Leser erfahren bis ins kleinste Detail – ein grandioses Können des Norwegers – wie sich Knausgårds Onkel mit allen Mitteln gegen die Veröffentlichung des ersten Werks wehrt. Er wirft dem Autor vor, nicht die Wahrheit zu beschreiben, sondern eine Tatsache wie sie Knausgård gerne gesehen hätte. Diese Wahrheit erwähnt auch Anton Thuswaldner in seiner Laudatio zum Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur 2017, welchen Karl Ove Knausgård im vergangenen Juli erhielt: „Ein Schriftsteller der es ernst meint mit der Wahrheit, sieht sich in einer prekären Rolle.“
Selbstzweifel und Schuldgefühle
Wer in der Öffentlichkeit so viel von sich preisgibt, muss auch mit Kritik rechnen. Doch daran zerbricht Knausgård beinahe. Er zweifelt an sich und seinem Schreiben. Vor dem Erscheinen seines ersten Werks „Sterben“ spürt er Verzweiflung, Schuld und Angst. Er fragt sich, wieso er sein Leben niedergeschrieben hat, als hätte er die folgenden Turbulenzen erahnt. „Im letzten Monat hatte ich die fürchterlichsten E-Mails wegen meines Romans bekommen, und ich wusste, es würden weitere folgen, ich wusste nur nicht, aus welcher Ecke. […] Alles, was ich je getan hatte, konnte gegen mich verwendet werden. […] Wenn jemand damit an die Presse ging… Ich wusste nicht, ob ich das schaffen würde.“ Knausgård hat es geschafft, aber in der Presse stand viel, positives wie auch negatives. Und es wäre für die Literaturszene ein grosser Verlust gewesen, hätte der Norweger seine Biographie nicht veröffentlicht – so kontrovers sie auch ist und so verletzend sie für sein Umfeld war.
Auseinandersetzung mit Hitlers Buch
Im Norwegischen heisst die biographische Reihe „Min Kamp“, mein Kampf. Und dies verbindet man sofort mit Hitlers Buch. Knausgård widmet ihm unzählige Seiten in „Kämpfen“. Er setzt sich dabei kritisch mit dem Buch auseinander und polarisiert somit einmal mehr. Der Beginn dieser Auseinandersetzung packt den Leser. Doch ist sie zu lange geraten, sodass man irgendwann diese Seiten überspringt und wieder in Knausgårds Alltag landet.
„Kämpfen“ ist ein würdiger Abschluss von Karl Ove Knausgård. Und es ist das mächtigste Werk der Reihe, vom Inhalt wie auch vom Umfang her mit über 1000 Seiten. Am Schluss der Lektüre schwingt Wehmut mit. Man hätte ihm ein schöneres Ende gewünscht.
Titel: Kämpfen
Autor: Karl Ove Knausgård
Übersetzer: Paul Berf und Ulrich Sonnenberg
Verlag: Luchterhand
Seiten: 1280
Richtpreis: CHF 38.50
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