The Evil Within 2

Grusel und Glibber

Bethesda hat es in den letzten Jahren nicht nur geschafft, einst erfolgreiche Franchises wiederzubeleben, sondern auch neue Spielreihen zu etablieren. Und was Erfolg hat, bekommt einen zweiten Teil spendiert. Obwohl NORMAN VOLKMANN mal so gar kein Horror-Fan ist, hat sich der nahaufnahmen-Schisser dennoch an The Evil Within 2 gewagt. 1 harter Typ!

Full disclosure: Teil 1 von The Evil Within habe ich seinerzeit nach einer Stunde wegen akuter Gruseligkeit und (ebenfalls zum Fürchten) der fehlenden englischen Tonspur vorzeitig beendet. Das hat längst nicht gereicht, um mich auf einen zweiten Teil vorzubereiten – sodass ich darauf eingestellt war, nicht alles zu verstehen. Ganz davon abgesehen, ist die Geschichte des zweiten Teils sowie die Erklärung für den Grusel-Animus von Bethesda nicht hundertprozentig wasserdicht (“Lucky for you, it doesn’t have to make sense” ist ein tatsächliches Zitat eines Charakters im Spiel).

Allerdings gab es einige Fragen, die sich mir nach den ersten Stunden von The Evil Within 2 stellten und auf die ich bis zum Ende keine zufriedenstellende Antwort bekam. Die erste: Warum zum Teufel öffnet und schließt jede Tür in Union mit einem lautem Knartzen? Haben die Architekten der erdachten STEM-Stadt einfach nur gebrauchte Scharniere genutzt? War es eine Art künstlerisches Statement, falls dort wirklich mal alles schief geht und gruseliger Scheiß passiert? Danke jedenfalls. Ich fürchtete jedes Öffnen einer Tür – wenn auch nur wegen des nervigen Sounds. Und: Wäre ich Hauptcharakter Sebastian, würde ich, statt der Suche nach komischen Elitesoldaten und der eigenen Tochter, untersuchen, warum jede Tür direkt nach Betreten eines Raumes sofort wieder zuschlägt. Für mich war das noch mysteriöser als die zombieartigen, mit Blasen versetzen Monster, die zu grüner Grütze werden, wenn man ihnen ein Messer in die Birne pflanzt.

Das bringt mich zu meiner zweiten Observation/Frage: Wie zur Hölle kommt Sebastian auf die Idee, sich den grünen Glibber abzufüllen und ihn dann dazu zu benutzen, um seine Fähigkeiten aufzuwerten? Und warum versucht er nicht wenigstens einmal, sich das grüne Gesplatter unter die Schuhe zu kleben? Möglich wäre es ja, dass es sich dabei um Flubber handelt und der gute Mann durch ganz Union springen könnte. Chance vertan, Tango Gameworks, Chance vertan.

Eigentlich geht es in The Evil Within 2 um Sebastian Castellanos, einen sich selbst-hassenden, depressiven Detective, der nach dem Tod seiner Tochter öfter mal zu tief in die Flasche guckt. Die Schublade der gebrochenen, weißen Männer in Videospielen hat offenbar noch etwas Platz. Gleich zu Beginn stellt sich aber heraus, dass Castellanos Tochter doch nicht gestorben, sondern von einer Geheimorganisation entführt wurde und dort genutzt um… – ok, hier muss ich leider abbrechen, denn ich habe weder verstanden, was STEM nun genau ist noch was Lily, Sebastians Tochter, damit ganz genau zu tun hat.

Wichtig ist: Experimente sind schief gegangen, alles geht den Bach runter und Castellanos muss nun in die Bresche springen und viele missgebildete Monster zerdeppern. Im Grunde brauchte ich gar nicht mehr wissen, bevor ich die digitale Schrotflinte erstmalig durchlud. Ansonsten überraschte mich The Evil Within 2 aber durchaus. Zuallererst, weil es gesamtheitlich gar nicht mal so gruselig war. Schuld daran vor allem: die offene Welt. Selbst wenn die offene Welt nicht bei allen Superlativen ein Häkchen machen kann, ist das Gebiet doch eine, in mehrere Abschnitte aufgeteilte, Kleinstadt. Vieles sieht hier gleich aus und die herumschlurfenden Monster hat man so auch schon in jedem Zombie-Titel gesehen. Bedrohlich sind sie nur bei akutem Munitionsmangel. Wirklich unangenehm wird The Evil Within 2 dann, wenn man vom Weg abkommt und einzelne Häuser erkundet.

Hier spielt das Spiel die Stärken des Genres aus, baut klaustrophobische Atmosphären auf, erschafft sich ständig verändernde Flure, abstruse Kunstwerke und Monster, die aus den übelsten Albträumen zu stammen scheinen. Immer wieder erinnerte mich der Titel an Layers of Fear, was nicht zuletzt daran lag, dass der Hauptbösewicht ein verkappter Künstler ist, der sich nicht nur an morbiden Szenen erfreut, sondern Morde begeht und die mit einer Art Zeitschleifen-Fähigkeit festhält. Stylisch! Insgesamt gefiel mir dieser Story-Angle aber bei Layers of Fear besser, wohl auch, weil man dort nicht mit einem Arsenal an Waffen Monster-Köpfe platzen lassen konnte.

Neben einer offenen Welt bietet The Evil Within 2 eine bei Entwicklern inzwischen sehr beliebte Crafting-Mechanik. Waffen sind nicht nur Waffen, sie müssen aufgelevelt werden und Munition mischt man sich eben mal selbst an. Das drängt SpielerInnen nicht nur dazu, der Handlung zu folgen, sondern nebenbei alles Leuchtende aufzusammeln, das sich am Wegesrand so finden lässt. Ebenfalls obligatorisch: Ein Skill-Baum, sowie zahlreiche Collectables. So sehr The Evil Within 2 standardisiert wirkt, so einzigartig ist die Herangehensweise an einen gefühlten AAA-Titel. Kein Multiplayer und ein einzigartiger Stil, der zwar nicht durchgehend, aber immer wieder gruselige Elemente ins Spiel bringt.

Riesige Kamera-Objektiv-Augen, die vom Himmel herab blicken, Endgegner, die sich aus den Köpfen und Gliedmaßen gefallener Bewohner der STEM-Stadt zusammensetzen und die Mindfuck-Abschnitte in geschlossenen Strukturen sorgten dafür, dass ich dieses Mal nicht so zeitig abbrach, sondern immer weiter spielen wollte. Dabei sind selbst die vergleichsweise flache Handlung, die hölzernen Dialoge oder die ständigen Expositions-Selbstgespräche von Sebastian ertragbar.

Am Ende bin ich zwiegespalten: The Evil Within 2 beweist durchaus, warum Shinji Mikami immer noch zu den respektiertesten Produzenten des Horror-Genres gehört. An vielen Stellen kommt wirklicher Grusel auf, die Gegner sind in ihrer albtraumhaften Deformierung furchteinflößend und können mit begrenzter Munition zu einer echten Bedrohung werden. Was mich am Ende aber störte, stört mich auch bei so vielen anderen Spielen, die aktuell und in den letzten Jahren erschienen sind. Größere Welten, Loadouts, Waffenvielfalt, umfangreiche Skill-Trees und der Fakt, dass es in jedem verdammten Spiel inzwischen Supersoldaten mit dicken Wummen geben muss, können mir einfach gestohlen bleiben.

Die große Spielwelt hat zwar auch einen Vorteil: Die Entscheidung, ob und wann ich nun in das gruselige Haus gehen würde, lag immer bei mir selbst. Bis dahin konnte ich auch durch Union schleichen und nach Loot oder anderen Sammelobjekten suchen. Das Erforschen von Häusern war dabei das deutliche Highlight des Titels, in engen Räumen und ausweglosen Situationen kam auch der bedrückende Horror immer durch. Doch letztendlich wirkte die offene Welt uninspiriert und glich unzähligen Zombie-Open-World-Titeln.

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen
Originaltitel: The Evil Within 2
Plattformen: PC, PlayStation 4, Xbox One
Genre: Survival Horror
Entwickler: Tango Gameworks
Veröffentlicht von: Bethesda Softworks

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