Wolfenstein 2: The New Colossus
Is it okay to punch a Nazi?*
B.J. Blazkowicz ist zurück! Seine zahlreichen Kämpfe gegen die Nazi-Brut hinterließen Spuren, klar. Der einst so frische Held wirkt in Wolfenstein 2: The New Colossus zerbrechlicher denn je. NORMAN VOLKMANN ritt auf feuerspeienden Roboterhunden und kämpfte nicht nur gegen das Regime, sondern auch mit Wolfenstein an sich.
In der Vergangenheit hatte die Wolfenstein-Serie keinen guten Stand in Deutschland. Entweder erschienen vergangene Titel hierzulande gar nicht oder nur hart geschnitten. Sprich: Hakenkreuze wurden gegen ein bedeutungsloses Phantasie-Symbol ausgetauscht, Kanzler Heiler wurde statt Adolf Hitler als Chef eingesetzt und die nationalsozialistische Bagage zum “Regime”. So richtig elegant war das schon beim Vorgänger The New Order nicht – das spielte ich seinerzeit aber noch ungeschnittenen – auch bei The New Colossus empfiehlt sich das, trotz guter Synchronisation. WASD-Herausgeber und Chefredakteur Christian Schiffer hat dazu einen sehr schönen Artikel geschrieben, der zeigt, dass der deutschen Version von Wolfenstein viel mehr fehlt als ideologische Symbole oder das Hitlerbärtchen.
Abseits dieser Problematik haben Machine Games es allerdings erneut geschafft, die Rezeptur des Vorgängers zu verfeinern und auszubauen. Alles fließt und flutscht. Den Nazis und ihrer Mech-Armee geht es schneller an den Kragen als sie “Heil!” rufen können. Wie schon The New Order beginnt auch The New Colossus mit einem Titelhelden, dessen körperlicher Verfall schlimmer ist als je zuvor. Doch BJ im Rollstuhl ist für den gemeinen Nazi fast gleichermaßen problematisch wie ein kerngesunder Held.
Schnell darf mit beiden Händen selbst vergleichsweise schweres Geschütz aufgefahren werden, und wer erst einmal ein paar Nazi-Roboter mit zwei automatischen Schrotflinten im Anschlag erlegt hat, ist drin in diesem befriedigenden Wolfenstein-Flow. Schön: Skills werden bei Wolfenstein 2 nicht mit ausgedachter Drittwährung gekauft, sie richten sich nach der Spielweise der SpielerInnen. Wer schleicht, wird auf diesem Feld versierter, wer mit der Brechstange vorgeht und damit jedem Regime-Heini den Schädel zertrümmert, hat dort im Laufe des Spiels Vorteile. Im Grunde lädt der Titel also dazu ein, sich auszuprobieren und seinen eigenen Stil zu finden.
Wäre da nicht der übertrieben-harte Schwierigkeitsgrad! Die dritte Stufe von sieben, die im Grunde “Normal” repräsentiert hat mich dermaßen gefrustet, dass ich bereits nach kurzer Zeit auf Stufe 2 wechselte. Lange hielt das nicht, aber so richtig wollte ich auch nicht auf der leichtesten Stufe spielen. Im Schwierigkeitsmenü wird BJ hier mit Schnuller im Mund und kleiner Babykappe dargestellt. Ähnlich wie die Kollegen von Kotaku fand ich den leichtesten Schwierigkeitsgrad allerdings am passendsten für die Spielweise, mit der ich Wolfenstein assoziiere. Rein, auf die Fresse, weiter. Die Zeiten, in denen ich mich für ein paar Erfolge oder Trophäen durch höhere Schwierigkeitsstufen gequält habe, sind inzwischen vorbei. Warum man einen actiongetriebenen Shooter wie Wolfenstein allerdings so hinbiegt, dass man im besten Fall durch jedes Level schleichen muss, erschließt sich mir dennoch nicht.
Dafür punktet das Spiel, wie schon der Vorgänger, mit seinen Charakteren. Die Crew rund um BJ ist markant, divers, sympathisch und bleibt (teilweise auch dank übertriebener Stereotypen) im Kopf. Speziell zu Beginn nahmen mich BJs Selbstzweifel und Abschiedsgedanke mehr mit, als es man es von einem Shooter dieser Art vermuten würde. Besonders der harte Einstieg und seine für Videospiele untypische Art, darauf zu reagieren zeigen, dass Machine Games es vor allem auf Seiten der Erzählung drauf haben. Er zweifelt mehr an seiner Rolle als werdender Vater, als an dem Gedanken, ein Retter für die ganze Welt zu sein. Körperlich ist er ein Wrack. Klar, jahrelanges Nazi-Kloppen fordern eben auch irgendwann seinen Tribut. Passend dazu kann auch die BJs Gesundheitsleiste Leiste anfangs nur maximal zur Hälfte gefüllt werden.
Wolfenstein 2: The New Colossus hat im Grunde all das, was schon seinen Vorgänger auszeichnete: Stimmiges Gameplay (für mich allerdings nur auf der leichtesten Schwierigkeitsstufe), eine absurd-abgedrehte Story in einer ekelhaften Nazi-Utopie, die mit markanten Charakteren auftrumpft – die zwar zu einem gewissen Grad Stereotype darstellen, aber trotzdem nie bloße Abziehbildchen sind. Am Ende fehlte mir aber das Alleinstellungsmerkmal: Nachdem man mit The New Order die gesamte Franchise neu erfunden hat, ging man hier auch auf Nummer sicher. Im Grunde ist das aber das Haar in der Suppe, denn Wolfenstein 2 unterscheidet sich von allen aktuellen Shootern. Und außerdem: Wer als Shooter-Franchise einen Mehrspielermodus komplett ignoriert (…again!), kann einfach nur zu den Guten gehören.
Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen
Originaltitel: Wolfenstein 2: The New Colossus
Plattformen: PC, PlayStation 4, Xbox One
Genre: First Person Shooter
Entwickler: Machine Games
Veröffentlicht von: Bethesda Softworks