Wie sich die Wissenschaft in der Welt verbreitete

Globalisierung der Wissenschaft

Laurentius de Voltolina: Liber ethicorum des Henricus de Alemannia, Einzelblatt, Szene: Henricus de Alemannia vor seinen Schülern, 14. Jh.

 

Es gibt drei zentrale Standbeine der Wissenschaft: die Institutionen wie Universitäten, wissenschaftlichen Gesellschaften mit ihren Mitgliedern und äußere Einflussfaktoren wie wirtschaftliche Unternehmen. Dank diesen drei Elementen verbreitete sich einst die zuerst national beschränkte Wissenschaft von Europa aus über die gesamte Welt.

„Ich gehe dann mal studieren“, teilt ein Sohn seiner Mutter mit. Er verlässt aber nicht das Haus, sondern geht in sein Zimmer. Die Universität, die er besucht, hat keinen Campus: Es ist eine virtuelle Universität. Früher reiste man in fremde Länder, um andere Universitäten zu sehen, heute sind diese nur einen Mausklick entfernt. Das Wissen verbreitet sich heute zunehmend digitalisiert.

Reisendes Wissen
Die Verbreitung von Wissen ist durchaus kein neues Phänomen: Wegen der geringen Universitätszahl reisten viele der Studierenden im Spätmittelalter in fremde Länder, um ihren Abschluss zu machen. Das angesehenste und schwierigste Studium war die Theologie. Dafür lebten viele der Studenten – in Hinblick auf ihr späteres Leben als Kleriker – in Armut. Daher wird die damalige höhere Bildung auch als Fremden- und Armenstudium bezeichnet.

Im 16. Jahrhundert begannen sich dann die Universitäten auszubreiten. Und bis 1840 entstanden in Europa rund 100 Universitäten mit 80’000 Studenten, bereits am Ende des Jahrhundert waren es über 220 Universitäten mit 600’000 Studenten. Zunehmend auch mit solchen aus andern Ländern: Seit der Einführung der Schulpflicht gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden Auslandsstudien immer beliebter.

Vernetztes Wissen
Im 19. Jahrhundert entstanden auch immer mehr wissenschaftliche Gesellschaften wie beispielsweise die „Deutsche Meteorologische Gesellschaft“ von 1883. Die Ziele der Gesellschaften waren und sind es bis heute, das jeweilige Fachgebiet zu vertreten, aktuelle Themen zu erörtern und Publikationen zu veröffentlichen. Denn trotz vorerst nationaler Grenzen der Organisationen und Institutionen, ist das produzierte Wissen universell gültig und anwendbar.

Mit der fortschreitenden Spezialisierung auf immer engere Teilgebiete und den vermehrten Auslandsstudien nahm im 20. Jahrhundert auch die internationale Zusammenarbeit gleichgesinnter Wissenschaftler zu. So entstanden immer mehr wissenschaftliche Gesellschaften über die Grenzen hinweg wie beispielsweise das „Swiss Data Science Center“. Im letzten Jahr gegründet, verfolgt es das Ziel die Unis und Bevölkerung über die Datenwissenschaft als Disziplin zu informieren.

Mit der Verbreitung der professionellen Gemeinschaften kamen auch vermehrt sozial-orientierte, wissenschaftliche Gemeinschaften auf. In ihnen sammeln sich Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen, um gesellschaftliche Probleme wie Krieg, Klimawandel oder Wirtschaftskrisen zu lösen. So beschäftigt sich beispielsweise die „Life Sciences Switzerland“, die größte naturwissenschaftliche Gesellschaft der Schweiz, mit den Auswirkungen der sich rasant verändernden Naturwissenschaften auf die Gesellschaft.

Virtuelle Hörsäle
Die Telekommunikation spielt eine zentrale Rolle bei der Globalisierung der Wissenschaft. Dank den modernen Kommunikationsmöglichkeiten wurde es einfacher, miteinander über weitere Distanzen zu arbeiten. Viele Forscher publizieren Artikel gemeinsam mit ausländischen Kollegen, um ein grösseres Publikum zu erreichen.

Vermehrt setzen auch Universitäten auf die neuen Technologien und bieten Online-Kurse, die von zu Hause aus absolviert werden können. Es gibt auch Unis, die nur online bestehen wie beispielsweise die Virtual Global University. Sie wurde 2001 als Gemeinschaftsprojekt von 17 Professoren der Wirtschaftsinformatik in Deutschland, Österreich und der Schweiz gegründet. Sie bietet einen Masterstudiengang und mehrere unabhängige Kurse im Bereich IT und Management an.

 

Mathematikvorlesung in Helsinki; Foto Tungsten, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=171641

 

ERASMUS
Heutzutage gehört das Studium in der Fremde dank internationalen Abkommen zwischen Universitäten wie beispielsweise Erasmus zu einer beliebten Option der Studenten. Laut einer UNESCO-Studie von 2006 stieg weltweit die Anzahl Studierender im Ausland zwischen 1999 und 2004 von 1,75 auf 2,5 Millionen.

In der Schweiz nutzten 2015 rund 678’000 Studenten das EU-Jugendaustauschprogramm (siehe Kasten). Sie lassen sich unter anderem durch das vielseitige Fächerangebot der ausländischen Unis in die Fremde locken.

Das Erasmus- Programm ist ein Förderprogramm der Europäischen Union für Auslandsaufenthalte an Universitäten. Der Name steht für „European region action scheme for the mobility of university students“. Ins Leben gerufen wurde das Programm im Jahr 1987 durch die italienische Erziehungswissenschaftlerin Sofia Corradi. Alle 28 Mitgliedsländer der EU sowie Norwegen, Island, Liechtenstein und die Türkei nehmen teil. Die Schweiz nicht mehr: Sie stieg aus, als 2014 das bis 2020 geltende Programm Erasmus+ eingeführt wurde. Der Schweiz sind die fast verdoppelten Kosten im Vergleich zu Erasmus und der EU die abgelehnte Personenfreizügigkeit ein Dorn im Auge. Bis 2020 gilt eine Schweizer Übergangslösung, die den Studenten aber nur eine eingeschränkte Anzahl Universitäten anbietet.

 

Literatur

Drori Gili S. et al. (eds.): Science in modern world policy. Institutionalization and globalization, Stanford: University press, 2003.

 

Links

Erasmus- Webseite

Schweizer Seite für Erasmus-Aufenthalte oder andere Auslandsaufenthalte

UNESCO Studie zur Studenten-Mobilität

 

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