Mutant Year Zero: Road to Eden
What the duck?
Wenn die Polarkappen geschmolzen sind, und die Menschheit von einer Plage nahezu vollständig ausgerottet wurde, dann ist es vollkommen normal, dass anthropomorphe Enten, Wildschweine und anderes Getier schwer bewaffnet durch gefährliche Ruinen der Welt streift. NORMAN VOLKMANN, der in Sachen Taktikshooter ähnlich kompetent ist wie bei der Lösung komplexer mathematischer Aufgabenstellungen, war Zaungast einer weiteren Post-Apokalypse in Mutant Year Zero: Road to Eden.
Während ich mich immer noch um Read Dead Redemption 2 und dessen für Berufstätige unmöglichen Umfang herumdrücke, kam die Veröffentlichung von Mutant Year Zero: Road to Eden gerade recht, um mich aus meiner spielerischen Apathie zu reißen. Im Hinterkopf hatte ich nur den Ankündigungstrailer, der Anfang des Jahres veröffentlicht wurde. Die Zeiten, in denen ich Zeit mit Previews oder Traileranalysen verplempere sind vorbei. Dass es sich am Ende um einen rundenbasierten Taktikshooter handelte, der XCOM in einigen Aspekten nicht ganz unähnlich sein sollte, ließ mich dann doch daran zweifeln, ob ich hiermit wirklich Spaß haben könnte. Am Ende war es wie mit dem komischen Gemüse im Kindergarten. Probieren kann man ja mal.
Mutant Year Zero: Road to Eden ist nahezu konkurrenzlos die größte Überraschung meines Spielesjahres 2018. Wer hätte gedacht, dass mich ein neben einem Roguelike wie Dead Cells in diesem Jahr ein weiterer Titel aus einem Genre überrascht, um das ich sonst einen großen Bogen machen würde? Tatsächlich führte Mutant Year Zero dazu, dass ich seit Ewigkeiten mal wieder bis tief in die Nacht in ein Videospiel versank. Hier noch kurz ein Gefecht, dort noch eben ein Gebiet durchforsten und sammelbaren Schrott, Waffen und Artifakte finden. Im Gegensatz zu den bislang gespielten knappen sechs Stunden in Red Dead Redemption 2 oder anderen vergleichbaren Open-World-Gigant-Spielen, habe ich bei Mutant Year Zero das Gefühl, dass das Spiel meine Zeit respektiert. Es macht keine unnötigen Umwege, weicht selten vom Pfad ab und wenn es das doch tut, dann aus gutem Grund.
Zu Beginn steuert man das Mutanten-Duo Bormin und Dux, Eber und Ente, die als sogenannte Stalker durch die Ruinen der alten Welt stapfen, bis an die Zähne bewaffnet und auf der Suche nach Nahrung, Waffen und allem, das das Leben der Arche nachhaltig sichert. Sie kämpfen gegen Ghouls, zombieartige, menschenähnliche Wesen oder Roboterwesen, die die Welt zu einem gefährlichen Ort gemacht haben. Schnell stellt sich heraus, dass die post-apokalyptische Welt, durch die man das Duo steuert, Schweden ist. Ein Schweden, das nach der “roten Plage” ausgerottet und von der Natur zurückerobert wurde. Dux und Bormin unterhalten sich im Laufe ihres Abenteuers über die “Ancients” und deren mysteriöse Technologie, wundern sich über Gleise und Autos, die mit “Polis” beschriftet sind.
Im Grunde zeichnen Mutant Year Zero zwei zentrale Spielelemente aus: In Echtzeit bewegt sich die Truppe, die später auf drei aktive Mitglieder anwächst, durch kleine Levelabschnitte quer über eine umfangreiche Karte. Überall lauern feindliche Einheiten, die es in Gefechten auseinander zu nehmen gilt. Es ist aber ratsam, schon vor dem ersten Angriff das gesamte Gebiet genauer unter die Lupe zu nehmen, denn oftmals sind die Gefechte zu viel für die Truppe. Einheiten, die sich zu weit von ihrer Gruppe entfernen, müssen vorab und lautlos ausgeschaltet werden, damit man mit Rest leichter fertig wird. Tut man das nicht, hat man in den rundenbasierten Kämpfen gegen große Gruppen keine Chance. Der Titel bestimmt damit durchaus, wie SpielerInnen überhaupt vorgehen können, denn das lautlose Ausschalten der einzelnen Gegner bei dem knackigen Schwierigkeitsgrad keine bloße Empfehlung. Wer unbedacht in Kämpfe stürzt, wird höchstens mit dem Game-Over-Bildschirm belohnt. Ich zumindest fühlte mich durch dieses Zugeständnis nicht eingeschränkt, sondern liebte es, die feindlichen Truppen unbemerkt zu dezimieren, um den Rest dann im offenen Gefecht auszuschalten. Dazu sei gesagt, ich habe auf dem einfachsten der drei Schwierigkeitsgrade (die bei Normal beginnen) und ohne Permadeath (als ob!) gespielt. Die richtig harten Hunde können also auch ganz anders an diesen Titel rangehen als ich.
Jeder spielbare Charakter hat einen Fertigkeitsbaum mit unterschiedlichen Mutationen, die im Kampf bestimmte Vorteile bieten. Die Mutationen nehmen aber eine weniger prominente Rolle ein, als der Titel des Spiels es mutmaßen lässt – hier hätte ich mir auch visuell eindrucksvollere Effekte gewünscht. So bleiben am Ende eher Stats-Boni übrig. Doch die größte Stärke von Mutant Year Zero ist sowieso, dass es sich auf das Wesentliche konzentriert: Story, Kämpfe und Exploration. Die rundenbasierten Kämpfe machten es für mich zu einem spielerischen Highlight. Sie sind knackig schwer und somit sorgt jeder Sieg für dieses wohlige Gefühl der Gratifikation. Die Unterhaltungen der Charaktere untereinander tragen viel dazu bei, dass die Welt sich real anfühlt und zeigt, dass die Eber, Ente, Fuchs und Co eine echte Beziehung zueinander haben. Sie sind großartig vertont und trösten auch darüber hinweg, dass es kaum “richtige” Cutscenes gibt, die die Welt noch einmal aus einem anderen Blickwinkel zeigen. Vielmehr verlässt man sich hier auf wenige, kurze Comic-Strips, die etwas Abwechslung in die Erzählung bringen.
Mutant Year Zero: Road to Eden ist kein technologisches Meisterwerk und kein grafischer Knaller. Es ist kein Spiel, das den Anspruch erhebt, der neue Mittelpunkt im Leben von SpielerInnen zu sein. Aber das alles komplett zweitrangig, denn MYZ hat etwas, dass vielen durchgestylten AAA-Titeln oftmals fehlt: eine funktionierende Mechanik, die gleichzeitig spaßig und anspruchsvoll ist. Der Titel behandelt SpielerInnen nicht wie dröge Deppen, sondern macht vom ersten Gefecht klar, dass dumme Entscheiden dafür sorgen, dass der Game-Over-Bildschirm aufploppt und vor allem eins rüberbringt: Das kannst du besser. Die kleinen Levelabschnitte sind eine erfrischende Abwechslung von anstrengend großen offenen Welten und forcieren so den Fokus auf das Wesentliche. Wenn es etwas gibt, dass vor dem Titel abschrecken könnte, ist er vermutlich der selten dämliche Name. Aber die inneren Werte sind schließlich auch bei Videospielen wichtiger als der Rest. Und die stimmen bei Mutant Year Zero.
Veröffentlichungsdatum: bereits erschienen
Originaltitel: Mutant Year Zero: Road To Eden
Plattform: PC, PS4, Xbox One
Genre: Taktikshooter
Entwickler: The Bearded Ladies Consulting
Veröffentlicht von: Funcom