Das Spiele-Jahr 2018
Das Games-Ressort zieht Bilanz

Rudolf Inderst
Neben der Tatsache, dass sich internationale Investoren Deutschlands Spiele-Hersteller unter sich aufteilen, die Karten im Messe-Markt neu gemischt werden, der Branchenverband Game seinen Einfluss ausdehnt, die eSport-Lobby sich vorerst verzockt hat, der deutsche Games-Arbeitsmarkt weiterhin unter Druck steht, Blockbuster die Verkaufs-Charts dominieren, Standorte um Games-Entwickler werben, die Spiele-Branche so politisch wie noch nie aufgeladen ist und man die eben genannten sieben Punkt auch ausführlicher hier erläutert finden kann, möchte ich ein paar persönliche Worte zum Spielejahr 2018 finden.
Zunächst, 2018 war das erste Jahr ohne unseren Ressortgründer und langjährigen -Leiter Christof Zurschmitten zu stemmen. Für mich persönlich bedeutete dies einen herausfordernden Abschied: Nicht nur halte ich auf Christof als Kollege wie Freunde große Stücke, sondern die Logistik eines Ressorts plötzlich alleine zu verantworten…nun, ich gebe zu, dass da doch die Gefühle erstmal gemischt waren. Dass dies alles dann ohne größere Schwierigkeiten gelungen ist, verdanken wir und Sie unseren tatkräftigen und schreiblustigen Spiele-AutorInnen. Vor allem Kollege Norman Volkmann ist als kreativ-ludischer Akkordarbeiter zu nennen: Die Hälfte der 22 Artikel des Jahres geht auf sein Intensivtäter-Konto allein! Doch nicht nur das – auch den meistgelesenen Artikel des Jahres hat dieser Tausendsassa zu verantworten! Dass er nebenher auch noch seine Expertise bei Polyneux unter Beweis stellt, macht ihn endgültig zum John-Steam-In-All-Alleys!
Dass Loot Boxes nicht nur zu einem heißen Disputandum in der Spieler-Community wurden, sondern auch die Anwälte beschäftigen sollten, die Telltale-Formel offenbar samt Studio am Ende ihres Weges angekommen war, sich eine Vergewerkschaftung in der Industrie vielleicht großflächiger als gedacht anbahnt und das verdammte Waffenproblem (nicht Amokläuferproblem!) auch wieder SpielerInnen einholt hat, bewegte mich als Themenportfolio dieses Jahr.
Wenn es um die eigentlichen Spiele geht, so kann ich festhalten, dass mich der Wegfall der Kampagne bei Call of Duty: Black Ops IIII etwas geärgert hat. Da ich allerdings in der Minderheit als jemand bin, der bisher alle Storylines der Titel komplett spielte (und gleichzeitig einen Battle-Royal-Modus nicht Er-, sondern als Bodensatz begreife), muss ich wohl zähneknirschend mit Hardcore-Team-Deathmatch alleine vorlieb nehmen.
Neben dem herrlich unaufgeregten Life is Strange: Before the Storm spielte ich dieses Jahr vor allem ONRUSH und versuchte es, nicht als Sinnbild meiner Dissertations-Endphase zu sehen, die im Mai des Jahres zu Ende ging. Ergänzend nahmen wir uns viele Horror-Spiele als Let’s Plays vor, dazu zählten in etwa Infliction, Curse, The Nightfall, Rise of Insanity Anatomy oder Home Sweet Home (=Geheimtipp!).
Liebes Spielejahr, wieder bist Du eines, das mich ohne Switch, Mobile Gaming, PS4 Pro oder Xbox One X zurücklässt. Aber keine Sorge, ich bleibe Dir treu! In eigener Sache: Im Herbst erschien mein neues Buch über die Darstellung von Wissenschaft, Forschung und Technologie in Video- und Computerspielen. Vielleicht ist das ja etwas für Euren zweiten Weihnachtsbaum im Januar?
Und 2019? Da kommen doch, wenn ich mich nicht irre, ein paar Koop-Titel so wie Anthem oder The Division 2? Ein neues Doom! Und vielleicht ein fünftes Gears of War? Langweilig wird mir da bestimmt nicht.
PS: Und damit Ihr nicht zurückblättern müsst: “Für mich ist das Spiel des Jahres 2017 What Remains of Edith Finch. Was für ein emotionales Feuerwerk!”

Norman Volkmann
Mit jedem voranschreitendem Jahr nehmen Spiele für mich eine weniger zentrale Rolle meines Lebens ein. Das bedeutet nicht, dass ich weniger spiele, sondern eher, dass mich das ganze Drumherum einfach komplett kalt lässt. Gerüchte über neue Konsolen? Lasst mal gut sein. Eure Trailer-Analysen, Previews und Meinungsartikel zu den ersten Stunden von Spielen könnt ihr euch auch sparen. Inzwischen bin ich eher auf der Suche nach Erfahrungen, die weiter weg fernab von meiner spielerischen Präferenz. Und ärgere mich entsprechend, wenn ich mich doch vom Gewohnten blenden. Denn auf dem Papier mögen Marvel’s Spider-Man und Shadow of the Tomb Raider gute Spiele sein, aber sie sind beide perfekte Beispiele für Spiele, auf die sich jeder einigen kann. Tut niemandem weh, macht kaum Fehler, aber vor allem: Es sind Titel, an die ich mich einige Monate später schon nicht mehr erinnern kann.
Beholder, Dead Cells und Mutant Year Zero: Road to Eden, meine kleinen Indie-Überraschungen des ersten Jahres, sind dagegen Titel, die mich nachhaltig beeindruckt haben und vor allem Genres, die ich ansonsten nicht sofort anpacken würde. Wer weiß, vielleicht sollte ich Fortnite doch einmal ausprobieren. Diesen Hype habe ich bis heute nicht verstanden. Viel mehr geben mit Battle-Royals das Gefühl, ich wäre ein alter Mann, der zum ersten Mal Rockmusik hört und diesen fürchterlichen Krach einfach nicht einordnen kann.
Ganz kurz und knapp: Erwartbar gut waren 2018 God of War und Yakuza 6. Die komplette Neuausrichtung tat Kratos unheimlich gut – quasi im Wutfeuer des Kriegsgottes gefangen, habe ich über den Sommer alle Teile der Serie durchgespielt und bin froh über die Weiterentwicklung der Serie und den Reifeprozess des Studios.
Ich habe immer Spaß daran, mich über Sachen aufzuregen und trotzdem finde ich es in jedem Jahr schwierig so richtige Enttäuschungen auszumachen. Far Cry 5 es ist ein kompetenter Shooter, sieht gut aus und funktioniert in der Regel ohne große Bugs. Doch die Serie ist über die Jahre zu absolut oberflächlichem Kack verkommen und wenn ich die Ankündigung zum Nachfolger Far Cry New Dawn sehe, kann ich nur die Augen verdrehen. Ubisoft hat es inzwischen echt drauf, vorab zu suggerieren, dass man krasse Themen in einen Shooter verpackt, doch am Ende bleiben sie immer in der Bringschuld. Far Cry 5 macht kein politisches Statement, Far Cry 5 macht nicht mal in sich geschlossen Sinn. Dafür macht das ganze pew pew pew viel Spaß. Kingdom Come: Deliverance war, abseits des politischen Boheis, absolut schwergängig und langatmig. Quasi Red Dead Redemption 2, nur eben im Mittelalter.
Mit Red Dead Redemption 2 hatte ich in diesem Jahr eine ambivalente Beziehung. Die ersten 10-15 Stunden des Titels fand ich furchtbar. Sicher, Rockstar Games weiß immer noch, wie man ein Spiel erzählerisch inszeniert und wie man interessante Charaktere zeichnet, doch vor allem mechanisch ist der Titel mindestens gewöhnungsbedürftig – von der hakeligen Steuerung, über das mitunter fade Missionsdesign und die selbstverliebten Charakteranimationen. Wenn ich in einer Mission zahlreiche Schubfächer öffnen muss und dadurch die gesamte Mission gezogen wird, wundere ich micht nicht, dass ich nach knapp 50 Stunden Spielzeit gerade mal 50% der Story durchgespielt habe. Wie die Kollegen im Podcast von Polyneux diskutiert haben: Red Dead Redemption 2 respektiert die Zeit seiner Spieler nicht.. Dieses Spiel kommt nicht aus dem Arsch – egal ob Story, die ewige Reiterei, die SpielerInnen aufgrund eines unzureichenden Schnellreisesystem aufgezwungen wird oder die zahlreichen Sammelaufgaben und Jagdmissionen. Und doch, ich kann nicht aufhören zu spielen, denn ich will wissen, wie es weiter geht mit Arthur und der Gang um Dutch van der Linde. Alleine, dass ich mich an die Namen der Gangmitglieder und vor allem deren Missionen erinnern kann, halte ich Rockstar zu Gute. Den Hype und die ganzen 10/10-Sabber-Reviews kann ich trotzdem nicht nachvollziehen.
Ich freue mich auf das Spielejahr 2019, ohne mich auf einen Titel speziell zu freuen. Ich halte das zukünftig so, wie in diesem Jahr: Keine Preview, keine Preorder, sondern einfach das nehmen was kommt – wenn es kommt.

Stefan von der Krone
Für mich war das Jahr 2018 gar nicht so aufregend oder besonders, deshalb möchte ich mich direkt auf die Spiele stürzen, die das Jahr für mich prägten. Ich konnte einige tolle Blockbuster spielen, ich hatte aber auch Zeit, jüngere Klassiker anzugehen. So habe ich endlich – nach all den Jahren – GTA V durchgespielt. Ich habe God Of War III auf Titan gemeistert (und würde das auch gerne mit den zwei Vorgängern tun).
Ich konnte auch NIER: Automata testen – während das Gameplay durchaus Spaß bereitete, hat mich die Story aber noch nicht so sehr geflasht. Absolut gar nicht geflasht haben mich hingegen The Last Guardian und Mass Effect: Andromeda. Beide Spiele habe ich schon nach kurzer Zeit von meiner PS4 gelöscht bzw. ins Regal verbannt. Entschädigt hat dafür aber zum Glück Uncharted: The Lost Legacy – für mich das deutlich bessere Spiel im Vergleich zu Uncharted 4. So viel so gut. Kommen wir aber zu meinen fünf Highlights aus 2018 in Reihenfolge ihrer Veröffentlichung:
Schon 2016 hat Bethesda mein Gamer-Herz mit DOOM höher schlagen lassen, oder zuvor auch mit Wolfenstein: The New Order bzw. dessen Zusatz Old Blood. 2018 freute ich mich über Wolfenstein: The New Colossus. MachineGames haben es wieder einmal geschafft, eine irre abgedrehte Story abzuliefern, aber zugleich um Empathie für die vielen Charaktere zu buhlen. Dazu kommt eine bombastische Präsentation mit abwechslungsreichen Leveldesign und umfangreichen Waffenarsenal.
Ein weiterer Koloss ließ mich in ein epischen Abenteuer eintauchen: Shadow Of The Colossus. Bluepoint Games haben hier eine Blaupause für Remakes abgegeben (schade, dass sie nicht Blueprint Games heißen). Mit nur wenigen Anpassungen an Gameplay und einem komplett neuen Grafikgerüst hat man dem wohl besten PS2-Spiel überhaupt alle Ehre gemacht. Die Art Direction geht keinen eigenen Weg, sondern baut stimmig auf dem Original auf. Das alles geht sogar soweit, dass das Original-Spiel im Hintergrund mitläuft – eine vor allem technisch sehr beeindruckende Errungenschaft.
Nachdem ich ich ja schon zur Einstimmung God of War III gespielt hatte, konnte ich mich im April endlich auf das neueste Spiel in der Reihe stürzen. Kritisch muss man bemerken, dass sich in den letzten Jahren zu viele Entwickler an der Dark Souls Reihe orientierten. Aber während z.B. Lords Of The Fallen eher blass daher kam, ist God Of War viel mehr als nur Dark Souls Gameplay. Sony Santa Monica haben vieles richtig gemacht. Die sehr spannende Geschichte mit interessanten Charakteren (Mimir!!!) wird mit einem wundervollen Soundtrack untermalt. Die Grafik ist einfach atemberaubend und das Gameplay ist knackig und gewaltig – man spürt regelrecht die Wucht, mit der Kratos seine Axt schwingt. Aufgelockert wird das ganze auch nach dem Ende der Story mit schönen Geschichten von Mimir, der vieles über die nordische Mythologie zu erzählen hat.
Ach was bin ich froh, dass es dieses Jahr endlich wieder ein interessantes Rennspiel auf der PS4 gab. Wie beneide ich doch Inhaber einer Xbox One für Forza Horizon 4 oder die einer Switch für Mario Kart. Als großer Fan der Burnout-Reihe war ich extrem gespannt auf ONRUSH – und es wurde geliefert. Ein actionreicher Tripp auf unterschiedlichste Strecken mit wahnwitzigen Manövern und höchstem Tempo. Ich vermute, so fühlt sich ein LSD-Rausch an. Nun mag ONRUSH für bevorzugt allein spielende Spieler wie mich wenig bieten, aber ich hatte auch eine Menge Spaß im Multiplayer. Schade nur, dass Codemasters wirklich schlechtes Marketing gemacht hat. So wurde dem Spiel ein größeres Publikum verwehrt. Aber hey: PS+-Mitglieder hatten im Dezember die Chance, es auszuprobieren.
Der letzte Höhepunkt vorerst war dann Spider-Man, zu das ich zusammen mit Norman einen ausführlichen Test schreiben durfte. Aber anders als mein hochgeschätzter Kollege hatte ich mit Insomniacs aktuellem Spiel eine tolle Zeit. Ähnlich wie bei God Of War ist hier das Gesamtpaket sehr überzeugend. Das Kampfsystem ist vielschichtig und herausfordernd, die Präsentation ist exzellent und die Story ist mitreißend.
Einen Blockbuster habe ich bisher nur ein paar Stunden angetestet: Red Dead Redemption 2 ist ein monumentales Stück Spiel, vor dessen Zeitaufwand ich noch ein wenig Respekt habe. Die Immersion war vielversprechend, aber die Steuerung in Verbindung mit dem UI etwas verwirrend (ich habe schon mehrfach Passanten unabsichtlich angeschossen). Einzig die Grafik auf der PS4 Pro mit nem 4K TV ist enttäuschend. Der temporäre Rekonstruktions-Algorithmus sorgt für ein teils matschiges Bild, dass bei Kamera-Schwenks in der Prärie an schlecht komprimierte Videos erinnert.
Für 2019 freue ich mich vor allem auf die folgenden Spiele: Resident Evil 2, Devil May Cry 5, Sekiro: Shadows Die Twice, Rage 2, Wolfenstein: Youngblood, DOOM Eternal und hoffentlich Bayonetta 3. Für Letzteres habe ich auch mittlerweile eine Nintendo Switch organisiert.

Sebastian Geiger
War 2018 jetzt ein gutes Spielejahr oder ein richtig schlechtes? Auf der einen Seite, wir hatten God of War, Spiderman, Iconoclasts, Red Dead Redemption 2, Gris und so viele andere wirklich interessante und gute Spiele, auf der anderen Seite machten Bethesda, Blizzard, EA und weitere große Spielehersteller mit fragwürdigen Entscheidungen auf sich aufmerksam. Wir hatten ein Jahr, in dem das Medium gezeigt hat, was es kann und eines, in dem die Branche gezeigt hat, wie tief sie für Geld zu fallen im Stande ist.
Vor allem war 2018 ein unglaublich langes Spielejahr, was vielleicht auch mit dem Sommer zu tun hat. Nicht vergessen, das schreckliche Metal Gear Solid: Survive ist 2018 auf den Markt gekommen – erinnert sich überhaupt noch jemand daran? Insgesamt zeigte die Gamesbranche sehr gut die Entwicklung, die sich auch in den meisten anderen Medienbranchen vollzieht. Die Produktionskosten steigen und die Auswirkungen eines Misserfolgs sind deshalb brutal. Große Entwickler gehen also gerne auf Nummer sicher – es liegt an den kleineren Studios, die Experimente zu wagen.
Mein Spiel des Jahres ist überraschenderweise Yakuza 6, Song of Life. Eigentlich ist Yakuza 6 schon 2016 herausgekommen, hier ist es aber erst in diesem Jahr erschienen, deshalb zähle ich es als 2018er-Erscheinung. Bei den Fans ist Yakuza 6 umstritten, mir ist die Serie aber mittlerweile so ans Herz gewachsen, dass ich gar nicht anders konnte, als mit Kazuma Kiryu mitzufiebern. Open World-Zocken, wie es sein soll. Fast geschafft hätten es Spider-Man, The Witcher Tales: Thronebreaker und Gris.
Natürlich sollen Spieleentwickler Geld verdienen. Was wir aber 2017 und 2018 gesehen haben, ist stellenweise schon fast kriminell (oder, wenn man der belgischen Justizbehörde glaubt, sogar tatsächlich kriminell). Auch jenseits des Skandals um Loot Boxen haben es gerade einige Fanlieblinge in diesem Jahr geschafft, sich unbeliebt zu machen. Wer Spiele wie Fallout 76 und Metal Gear: Survive veröffentlicht, zeigt, wie wenig ihm die Fans und die Qualität der Spiele bedeuten.
Es ist deshalb spannend, wenn die kleinen Entwickler auf der größten Spielemesse der Welt enthusiastischer auftreten als die großen. Warum das in Ordnung ist und Indie-Entwickler und Mittstufen-Studios den Vergleich mit den großen nicht mehr scheuen müssen, zeigen Spiele wie Gris. Hoffen wir, dass der Enthusiasmus sich hält.
Für die Branche war 2018 ein schwieriges Jahr wie in der Einleitung und bei Rudolf gut nachzulesen ist. Ich befürchte fast, dass 2019 da nicht besser wird. Ob die großen Studios die richtigen Lehren aus dem vergangenen Jahr ziehen? Ob vielleicht doch ein (kleiner?) Crash kommt? Ob die deutsche Spielebranche es dank beginnender Förderung endlich schafft, zu den internationalen Konkurrenzen aufzuschließen? Viele Fragen, deren Antworten absolut offen sind. Entsprechend offen sind deshalb auch meine Erwartungen. Mein derzeitiges Hypespiel Cyberpunk 2077 kommt ohnehin wohl erst 2020 heraus – und danke CD Project Red für diesen netten Insider-Gag.