Drei Fragen an…

Horror – Game – Politics.

Es scheinen großartige Zeiten für das Genre zu sein: Videostreamingdienste feiern mit Serien wie Stranger Things oder Spuk in Hill House Erfolge, im Kino sorgt ein Regisseur wie Jordan Peele für Aufsehen und der Buchmarkt hat sich noch nie gegen sanften Schauer gewehrt. Doch hat sich auch die kritische Rezeption geändert? Und wenn ja, inwiefern? ARNO GÖRGEN und EUGEN PFISTER haben mit ihrer Blogplattform HORROR – GAME – POLITICS ein noch junges, aber unserer Meinung nach mächtiges, Analyse- und Meinungsgeschütz an der Start gebracht, wenn es um Thrill und Terror in digitalen Spielen geht. RUDOLF INDERST hat ihnen drei Fragen gestellt.

FRAGE: Guten Tag und vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit für unsere Fragen nehmt. Fangen wir doch einmal ganz grundsätzlich an: Horror – was bedeutet das eigentlich und wie greifen Spiele das auf?

ANTWORT: Guten Tag! Niemals, niemals soll man zwei GeisteswissenschaftlerInnen nach einer Definition fragen! So etwas geht nie gut aus. Im Ernst, es geht uns beiden gar nicht darum, Horror möglichst genau zu definieren und hier Grenzen zu ziehen. Ist Doom Horror? Was sind die Voraussetzungen für Horror? Wir können es uns da zum Glück einfach machen. Uns interessiert nämlich ALLES, was als “Horror” bezeichnet wird. Der Stempel “Horror” ist aus einer ideenhistorischen Perspektive sehr interessant. Und zwar aus dem Grund, dass Horror in der Öffentlichkeit die längste Zeit über den Makel des “Schundes” trug. Man verband damit Bastei-Lübbe Heftchen und billig produzierte Horrorfilme, die meist nur in Special Interest Kinos und spät nachts im Fernsehen gezeigt wurden. Weil der Horror so zumindest im 20. Jahrhundert meist eine gewisse Nischenexistenz geführt hat, konnte er sich aber auch trauen, politische Themen aufzugreifen, die für viele andere “seriöse” Genres ein viel zu heißes Eisen gewesen wären. Interessanterweise zeigt uns jetzt gerade das Beispiel von Jordan Peeles “Wir”, dass der Horror plötzlich – unter dem (noch) umstrittenen Label des “elevated horror” – salonfähig geworden ist. Das gilt auch für einzelne ambitionierte Horrorspiele. Das zeigt ja schon der Erfolg der Resident Evil/Biohazard-Reihe, die ja längst nicht nur den Spielemarkt, sondern auch das Kino erobert hat.

*Disclaimer: „Man kennt sich.“

FRAGE: Kommen wir einmal auf Eure Plattform HORROR – GAME – POLITICS zu sprechen – was genau erwartet LeserInnen dort und wie kamt gerade Ihr beide dazu, sie aufzusetzen?

ANTWORT: Zunächst einmal eine Warnung. HGP ist ein Forschungsblog, der unser SNF-Projekt “Horror-Games-Politics” dokumentiert. Das heisst, unsere LeserInnen müssen sich auf wissenschaftliche Texte gefasst machen. Wir bemühen uns redlich, unsere Texte nicht unnötig kompliziert zu halten – was ja durchaus in der Tradition der deutschsprachigen Geisteswissenschaft stünde. Wir halten den sogenannten Fußnotenapparat möglichst klein. Aber wenn wir über Luhmann oder das Abjekte reden, wird es oft notgedrungen ein wenig komplexer beim Lesen. Zugleich schauen wir aber, möglichst nah am Beispiel Horrorspiele zu bleiben, was normalerweise solche Texte um einiges besser verständlich macht. Man darf den Blog also im Bereich zwischen wissenschaftlichen Publikationen und dem Feuilleton ansiedeln. Wir sind zudem ja noch ein sehr junges Blog, man kann uns sozusagen noch beim organischen Wachsen zusehen. Thematisch schreiben wir zu allem was mit Horror, Games und Politik, allein und zusammen zu tun hat. Dies sind nicht nur theoretische Texte, sondern auch Spielereviews und -analysen, aber auch themenfremdes, was uns allerdings am Rande unserer Forschung begegnet. Für die Zukunft sind außerdem Gastbeiträge geplant – wer sich also dazu berufen fühlt und sich auf akademischem Niveau mit einem schönen Thema beschäftigen will, ist bei uns willkommen.

LeserInnen müssen sich auf wissenschaftliche Texte gefasst machen.

FRAGE: Aktuell ist das Genre alles andere als tot – an das Schmuddelkind-Image möchte heute kaum noch ein/e Feuilleton-Autor/in erinnert werden. Was könnten die Trends sein, die das Genre durch die nächsten Jahre führen?

ANTWORT: Erst die Definitionsfrage und jetzt fragt er zwei Historiker nach der Zukunft! Wir könnten uns aber einfach die Entwicklung der letzten Zeit anschauen, was Schlüsse auf die Zukunft des Genres zulässt. Angefangen hat der Horror in Digitalen Spielen ganz in der Tradition der Nachkriegszeit Horror-B-Movies. Lucasfilm Games “Zombies Ate my Neighbours” (1993) ist ein wunderschönes Potpourri der vergangenen Jahrzehnte zum Beispiel. Das echte Grauen erschien dann mit “Alone in the Dark” und “The 7th Guest”, die beide noch stark den Haunted House Trope aus der Gothic Literature bedienten und auf das Übersinnliche fokussierten. Mit “Resident Evil” kam dann der Paradigmenwechsel: zum einen das Zombienarrativ, dass etwas später auch auf den Film und Serien übergriff und zum anderen die Survival Horror-Spielmechanik. Das Übersinnliche spielte ab nun eine immer geringere Rolle. Stattdessen wurden immer mehr “Evil Corporation” und “Mad Science” zum Verursacher des Grauens. Im Triple-A- Bereich trifft das nach wie vor zu. Wirkliche innovative Erzählungen und Spielmechaniken kommen heute eher aus dem Indie-Bereich: existenzieller Horror in “Soma”, “Oxenfree” und “Layers of Fear”. Generell lässt sich als Reaktion auf den nach wie vor großen Zombie-Overkill  zur Zeit auch im Spiel vermehrt wieder eine Rückbesinnung auf psychologischen oder auch auf existenziellen Horror feststellen. Zwar ist der Zombie immer noch nicht tot (haha!), aber an seine Seite gesellen sich nun doch wieder andere Perspektiven und Ansätze. Damit entwickelt sich das Spiel auch parallel zum Film und zur Fernsehserie, auch hier ist mit Filmen wie “It Follows”, “Get Out!” oder jüngst “Wir” eine spürbare Erweiterung der Palette des Schreckens zu vernehmen. Was uns natürlich im Umkehrschluss auch als Forschungsblog zu der spannenden Frage führt: Warum? Woher kommt dieser Wandel? Die Antwort darauf findet sich dann hoffentlich ebenfalls in unserem Blog.

Darauf sind wir gespannt – vielen Dank für das Gespräch!

Wenn Ihr mit HORROR – GAME – POLITICS in Kontakt treten wollt, dann am besten über:

hgp.hypotheses.org

eugen.pfister@hkb.bfh.ch

arno.goergen@hkb.bfh.ch

Twitter: @game_politics





Rudolf Inderst

*1978 in München. Lebte in Kopenhagen und verliebte sich. Doppelt promoviert, übernimmt er Verantwortung als Ressortleiter für digitale Spiele hier bei nahaufnahmen.ch. Liebt Stanislaw Lem, Hörspiele und Podcasts. Spielt Videospiele seit etwa 40 Jahren. Lehrt als Professor für Game Design mit dem Schwerpunkt Game Studies / Spielanalyse / Game Business an der IU und krault sich gerne seinen Bart.

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