Der sinnlose Kampf gegen Anglizismen
Ein Röst-Doppelbrot, bitte!
Von Aftershave über Indoor, Last-minute und Outfit bis zu Zoom: Englische Begriffe gibt es wie Sand am Meer. Manchmal sinnvoll, oft aber eher unverständlich oder nur verwendet, um den Anschein von Modernität und Weltläufigkeit zu erwecken. Aber vor allem sind Anglizismen eines: unkreativ und faul. Statt uns aktiv eine Übersetzung zu überlegen, übernehmen wir einfach das Englische Wort.

Bild: Wikipedia, Benutzer Malcolm jarvis
Die Bequemlichkeit setzt sich halt durch. Und wer sich durchsetzt, hat recht. So ist es wohl unvermeidlich, dass die Deutsche Sprache immer mehr Ausdrücke und Wendungen aus dem Englischen entlehnen wird.
Aber hie und da gibt es (schon fast) verzweifelte Versuche, dem blossen Übernehmen der Ausdrücke mehr Ideenreichtum entgegenzusetzen. Das hier ist einer. Und eben: weil er sinnlos ist und weil es effektiv wichtigere Probleme gibt, auch nicht besonders ernst gemeint.
Gespräch mit Georg Müller, Anglizismus-Vermeider (frei erfunden)
„Mehr Kreativität“, fordert Georg Müller. Der ehemalige Besitzer eines Fotofachgeschäfts ist heute hauptberuflich als Seminarleiter tätig. Seine Anti-Anglizismus-Lehrgänge (AAL) sind ein echter Renner: Mehrmals pro Woche hält Müller Vorträge und reist dabei unermüdlich durch das Deutsche Sprachgebiet. Und selbst in Übersee trat er schon auf – am Goethe-Institut in Toronto. Müller bietet für unterschiedliche Zielgruppen auch massgeschneiderte Lehrgänge an: Für Journalisten, Führungskräfte, Werber, Schüler, Rentner.
Wir treffen Georg Müller zu einem Gespräch in seinem Büro in Basel.
Nahaufnahmen: Vielen Dank, dass wir ein Interview mit Ihnen führen können.
Georg Müller: Gern geschehen, aber verwenden Sie doch statt des Wortes Interview lieber Befragung. Wobei ich hier anmerken muss: Interview stammt zwar aus dem Englischen. Aber dort hingelangt ist es via das Französische „entrevue“, was Begegnung, Treffen bedeutet.
Es ist also gar kein Anglizsmus?
Wir empfinden ihn als Anglizismus, darum ist es auch einer.
Was treibt Sie an?
Alle Dinge brauchen einen Namen. Sonst würde Kommunikation recht mühsam – soweit so banal. Die Frage ist bloss, wie wir Dinge benennen. Die Wege, wie Dinge zu ihrem Namen kamen, ist oft verschlungen und welcher Begriff sich am Ende durchsetzt, durch eine Kette von Zufällen bestimmt. In den vergangenen Jahrzehnten jedoch ist es sehr einfach geworden. Wir bedienen uns einfach im Englischen und fertig.
Was haben Sie denn gegen Anglizismen? Die tun doch niemandem weh.
Mir schon (lacht). Nein, es ist einfach diese Bequemlichkeit, diese Gleichgültigkeit, die mich stört. Es ist doch einfach schade, wenn wir die Möglichkeiten der eigenen Sprache nicht nutzen – ja sie regelrecht verkümmern lassen.
Dennoch, Sie stehen letztlich auf verlorenem Posten. Es wird Ihnen niemals gelingen, den zunehmenden Gebrauch von Englischen Wörtern zu verhindern.
Klar kann ich nicht alles verhindern – will ich auch nicht. Manchmal gibt es ja auch sinnvolle Übernahmen wie zum Beispiel Humbug – ein Wort das ich sehr mag. Und zudem bin ich nicht allein – die vielen Menschen, die mit mir Anglizismen meiden, beeinflussen subtil auch ihr Umfeld. Die Saat wird irgendwann einmal aufgehen. Überall dort, wo der deutsche Begriff einprägsam, verständlich und nicht umständlich ist, hat er eine Chance.
Das heisst die Leute werden von sich aus Anglizismen meiden.
Ja, weil sie merken, dass es treffendere Wörter gibt. Die ausserdem mehr Spass machen. Seien wir doch ehrlich. Wer halb deutsch, halb englisch spricht, macht sich lächerlich – und wirkt nicht besonders kompetent.
Ist das der Grund, warum Manager, Entschuldigung, Führungskräfte, Ihre Seminare besuchen?
Ja genau! Wir haben eine Untersuchung gemacht und zwei Gruppen je zwei Videos mit Vorträgen vorgespielt. Im ersten wirft der Sprecher ständig mit Begriffen wie „challenge“ oder „output“ um sich. Im anderen Vortrag meidet die selbe Person solche Ausdrücke und verwendet Deutsche Begriffe bzw. schon lange etablierte Fremdwörter.
Und das Ergebnis?
… ist frappierend! Übrigens auch ein Fremdwort, dass ich gerne mag. Die Leute sind grossmehrheitlich der Ansicht, der Vortrage ohne Anglizismen sei besser verständlich, einnehmender, kompetenter.

Bild: Jonathan Pielmayer auf Unsplash
Aber nochmals zurück zu Ihren Möglichkeiten, etwas zu verändern. Nur weil ein paar Leute „anmelden“ sagen satt „einloggen“, wird das Wort wohl nicht mehr auszumerzen sein.
Wer weiss. Es kommen ja auch Leute von Grosskonzernen zu mir. Und wenn diese, durch meine Kurse auf die Problematik aufmerksam geworden, in ihren Unternehmen, zum Beispiel bei ihren Netzauftritten oder Werbekampagnen plötzlich auf Anglizismen verzichten, erreichen wir Millionen von Menschen.
Auch die Zugriffszahlen auf unsere Website www.kein-anglizismus.org zeigen mir, dass sich immer mehr Leute dafür interessieren, wie man ohne Anglizismen leben kann.
Sie sagen, es sei unkreativ, Englische Begriffe zu verwenden. Was schlagen Sie vor?
Entweder man nimmt ein Wörterbuch und schaut, welcher Begriff passt. Man übersetzt einfach wörtlich. Oft gibt es nämlich bereits ein geeignetes Wort! Zum Teil braucht es dann noch ein Synonym-Wörterbuch. Manchmal muss man aber kreativ sein und ein völlig neues Wort finden.
Welche Beispiele haben Sie hier?
Nehmen wir mal den „newsletter“. Eine überzeugende Übersetzung gibt es leider noch nicht. Aber man kann je nach Situation ein anderes Wort verwenden. Wie zum Beispiel Mitteilung oder Rundschreiben. Vielleicht könnten wir ja auch eine Wortneuschöpfung wagen. Das ist aber nicht ganz einfach!
Neuigkeiten-Rundschreiben wäre zwar treffend, aber etwas lang…
Ja, das hat keinerlei Chancen.
Philipp von Zesen hat es zu seiner Zeit besser gemacht. Im 17. Jahrhundert hat er viele Fremdwörter selbst eingedeutscht, bzw. deren Deutsche Entsprechung in Umlauf gebracht. Diese Begriffe werden heute noch verwendet, zum Beispiel Leidenschaft für Passion. Zunächst dürfte das Wort seltsam geklungen haben – trotzdem hat es sich durchgesetzt!
Wären Sie gerne der heutige Philipp von Zesen?
Eine Überlegung wäre es wert (schmunzelt). In den Jahren 2006 bis 2010 gab es eine Aktion der Stiftung Deutsche Sprache. Sie suchte Übersetzungen für häufige Anglizismen wie blackout oder no go area.
Und was fanden sie?
Aussetzter und Meidezone. Und für den newsletter schlugen sie Infobrief vor. Das neue Wort ist oft gar kein neues sondern ein bereits bestehendes.
Es ist oft also gar nicht so schwer?
Ja genau. Es braucht nur ein wenig Mut zur Kreativität – nicht einfach alles nachplappern!
Aber hat diese „Eindeutschen“ nicht auch etwas nationalistisches? Sind es nicht gerade deutschtümelnde Organisationen, wie die FPÖ in Österreich, die in ihren Schriften Anglizismen vermeiden wollen?
Keineswegs. Mit Politik hat es nichts zu tun. Wie erwähnt geht es mir um die sprachliche Vielfalt, um Kreativität und um Bildung. Alles Dinge, für die die Nationalisten dieser Welt sich nicht besonders ins Zeug legen.
Danke für dieses Interview – äh Gespräch!
Diese Links (bzw. Verweise) sind wieder echt
Liste der Anglizismen auf Wiktionary
Liste von Anglizismen und deren Alternativen (Verein Deutsche Sprache)
Weitere Liste: So vermeiden Sie Denglisch (Nordwest Zeitung)
Auch Frankreich kämpft gegen Anglizismen (Die Welt)
Sehr guter Artikel. Ich erlebe tagtäglich in meiner Firma wie sich diese Anglizmen festsetzen. Oft kommen die jungen Menschen von den Unis und halten Vorträge, mir als Mit40er fällt es oft schwer zu folgen. Da reden die eine halbe Stunde von irgendwelchen neuen Abteilungen und was die dort entwerfen jedoch am Ende hat man noch nicht einmal die Hälfte davon verstanden….
Hallo Petra; vielen Dank für deine Antwort. Inzwischen könnten man noch die ganzen englischen Begriffe beklagen, die sich mit COVID 19, aber fast noch schneller als das Virus verbreiten 🙂 du weisst, was ich meine: Home Schooling, Social Distancing, Distance Learning, Home Office, Contact Tracing, Superspreader …