Rage 2

Ödes Ödland

Endlich! Ein so richtig verrückter Shooter (aber richtig!) mit crazy Bösewichten, einer witzigen Story zum totalen Ablachen (hahahaha!) und explosiven Schusswechseln mit durch die Gegend fliegenden Extremitäten (kaboom!). Schön, wenn man als Spieleentwickler Ambitionen hat – doch die allein reichen nur selten für ein hervorragendes Spiel. NORMAN VOLKMANN fraß Staub, schluckte peinliche Witze und entdeckte, dass das Ödland in Rage 2 vor allem eines ist: öde.

Es ist mir seit langem nicht mehr so schwer gefallen, etwas über ein Spiel zu schreiben. Irgendetwas. Ich bin es gewöhnt, dass jeder Titel etwas hat, das man aufgreifen kann, positiv oder negativ. Bei Rage 2 hingegen wartete ich während des Abspanns noch immer darauf, ein Gefühl dafür zu entwickeln. Rage 2 ist für mich das egalste Spiel, das ich seit längerer Zeit spielte. Dabei fing doch alles so gut an?!

Als damals der erste E3-Trailer gezeigt wurde, war ich mir sicher, dass hier wenig schief gehen konnte. Ich hatte den ersten Teil der Serie zwar nur wenige Stunden angespielt, aber Rage 2 sah diesem sowieso kaum ähnlich. Vielmehr wirkte das Gezeigte wie ein Mix aus Doom, Borderlands und Mad Max (ebenfalls von Avalance entwickelt). Das hier das Shooter-Rad nicht neu erfunden werden würde, war klar. Eine vernünftige Story oder zumindest spaßiges Kombo-Gefetze waren für mich aber gesetzt. Denkste!

Worum geht’s? Puh – mein Charakter, Walker, ist der letzte Ranger (einer Elite-Einheit, klar) des Ödlands. Der Rest wurde von einem skrupellosen (Bösewicht-Tropes: check!), machtgeilen (check!) und rassistischen (check!) Hybridmenschen ausgelöscht. Zum Glück gibt es aber einen Plan, den Typen ein für alle Mal zu stürzen und zum Glück beinhaltet dieser Plan das Geknatter meine automatischen Waffe. Ich ballere mich also durch das Ödland, zerfleddere sogenannte Goons und helfe drei seelenlosen Abziehbildern von NPC-Verbündeten dabei, das ominöse Project Dagger zu starten. Die Einzelheiten dazu waren so langweilig, dass ich sie leider nicht mehr zusammenkriege. Zusätzlich hielt ich es irgendwann nicht mehr aus, Dialoge oder Cutscenes nicht zu überspringen. Mimik und Gestik der NPC sind nicht nur total beliebig und zusammenhangslos, außerdem selten synchron. Versucht sich Rage 2 an humoristischen Dialogen, taucht man schnell in Fremdscham-Regionen ein, die selbst Bulletstorm im Vergleich gut aussehen lassen.

Um dann von einem Story-Beat zum nächsten zu kommen, durchlaufe ich die größte Enttäuschung von Rage 2: die offene Spielwelt. Diese ist so trist, weitläufig und leer, dass ich mich über die Fahrzeuge freuen sollte. Diese sind unterm Strich nicht mehr als ein (schlecht zu steuerndes) notwendiges Übel – besonders die letzte Storymission stellt das beeindruckend unter Beweis. Hier und da stehen Feinde am Wegesrand und lassen sich bereitwillig von mir überfahren, erschießen oder gar ignorieren, denn eine Gefahr sind sie nie. Außerdem stolpere ich so über zahlreiche Nebenmissionen, Banditen- oder Mutantencamps. Und weil es Fahrzeuge gibt, sollen auch Rennen gefahren werden, natürlich. Die Weltkarte hatte irgendwann so viele Icons, dass selbst ein Ubisoft-Titel einen neidischen Blick rüberwerfen würde. Damit man sich selbst, seine Waffen oder Fahrzeuge aufleveln kann, empfiehlt es sich, Camps und Nebenaufgaben zu erledigen.

Es warten Loot und wichtige Gegenstände auf mich. Damit ich jedes Mal aus dem Spielfluss gerissen werde, unterbricht der Titel beim Einsammeln der Spezialgegenstände das Spiel und zeigt mir meine Errungenschaft. Spätestens nach dem 15. Mal hält sich meine Freude dafür in Grenzen. Gefechte, das Gunplay und die Fähigkeiten meines Rangers sollten im Mittelpunkt von Rage 2 stehen, doch für mich entfaltete sich auch nach knapp 20 Spielstunden weder Faszination noch Spielspaß. Keine der Waffen hat fühlbare Wucht, die Gegner sind solange Kugelschwämme, bis ihnen die Birne platzt. Die Fähigkeiten der Ranger sind auf dem Papier eine nette Ergänzung für dynamische Kämpfe, in einen Shooter- oder Kombo-Flow wie bei Doom oder gar Bulletstorm kam ich hingegen zu keinem Zeitpunkt. Immerhin: Wie von Avalanche gewohnt sind es vor allem Explosionen, die dem Titel visuelle Highlights bescheren – auch wenn sonst vieles ziemlich in die Jahre gekommen aussieht.

Rage 2 ist ein weiterer Beweis, dass es nicht mehr ausreicht, Spiele inhaltlich und mechanisch lediglich dem aktuell etablierten Standard anzupassen. So bleibt es ein Titel, der nichts wirklich schlecht, dafür aber auch nichts richtig gut macht. Mittelmäßigkeit tut niemandem weh, bei Videospielen reicht sie oftmals für eine langes Dasein in den Spielepyramiden beim Saturn und Media Markt. Ist ja auch was.  

 

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen.

Originaltitel: Rage 2

Plattformen: Windows, Xbox One, PlayStation 4

Entwickler: Avalanche Studios, id Software

Veröffentlicht von: Bethesda Softworks





Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert