Drei Fragen an…Game Lab.
„Digitale Spiele sind mittlerweile fester Bestandteil der Populärkultur, insbesondere sind sie Teil der Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern.“ So beschreiben Alexander Preisinger und Stephan Friedrich Mai ihre neue Publikation Digitale Spiele und historisches Lernen. Was genau hinter dem Band steckt, beantworten uns die Autoren selbst – willkommen bei Drei Fragen an…!
Rudolf Inderst: Persönlich getroffen haben wir uns das letzte Mal im schönen Wien, wo du, Alexander, einen praxisnahen und überzeugenden Vortrag zum Medium Spiel im Unterricht gehalten hast. Mit dem neuen Band scheint ihr voll ins Schwarze zu treffen, denn oftmals folgen theoretischen Überlegungen selten konkrete Arbeitshilfen für die Lehrenden, Spiele tatsächlich vor Ort auch einzusetzen. Inwiefern hat euch dieser Gap motiviert, gegenzusteuern?
Alexander Preisinger: Sehr! Einerseits weiß ich um das Potenzial, das digitale Spiele bieten, andererseits sehe ich viele Lehrer*innen, die noch immer Berührungsängste haben. Für sie haben wir diese Publikation geschrieben. Unsere Überzeugung ist aber: Lasst die Schüler*innen ran, sie sind die Expert*innen, die den Unterricht mit digitalen Spielen gestalten können! Es ist uns aber auch klar, dass sich digitale Spiele und Schule nur bedingt vertragen. Das liegt an der Infrastruktur, an rechtlichen und finanziellen Limitationen. Ich glaube nicht, dass das Spielen direkt im Klassenraum momentan zielführend ist. Screencasts erstellen, mit Screenshots Ausstellungen gestalten, InGame-Videos selbst drehen – das sind Formate, mittels derer Computerspiele im Unterricht ankommen. Und wenn im Unterricht gespielt wird, dann Games mit überschaubarer Komplexität und kurzer Spieldauer bzw. Spielmechanismen, die rasch zu Lernerfolgen führen.
Stephan Mai: Ich finde diese Kluft sehr spannend! Videospiele sind mehr und mehr gesellschaftlich anerkannt. Zeitungen wie die FAZ oder der Standard greifen die Thematik auf und berichten über neue Titel auf dem Markt. Gleichzeitig wird das Thema in der Schule nur zögerlich aufgegriffen, vielleicht auch, weil man meint, beim Spielen nichts lernen zu können. Oder eben, weil vielleicht die Art zu lernen eine andere ist? Einerseits motivieren Spiele, sich mit der Geschichte zu beschäftigen, andererseits sind sie wie Bücher oder Filme zu interpretieren. Das heißt, dass ich mich kritisch mit dem Geschichtsbild auseinandersetzen muss, das mir dieses Medium vermittelt. Das eröffnet didaktisch viele Möglichkeiten, auch wenn ich nicht alles in einer Stunde oder Doppelstunde umsetzen kann. Da stimme ich Alexander voll zu, es gibt Grenzen für den Unterrichtseinsatz. Nicht alles ist sinnvoll, aber es lädt ein zum Experimentieren.
(RI): Sprechen wir doch einen Moment über die…Straßenkredibiltät! Wenn man etwas beruflich macht, so heißt es manchmal, gehe der Spaß an einer Sache schnell verloren – was spielt ihr am liebsten nach Feierabend und weshalb?
(AP): Das ist teilweise richtig! Viele digitale Spiele, die für die Politische Bildung oder das historische Lernen interessant sind, sind nicht unbedingt Spiele, die auch Spaß machen. Ich denke da etwa an „Not Tonight“, in dem man in die Rolle eines Rauswerfers im Post-Brexit-Großbritannien schlüpft und ID-Cards kontrolliert. Und ja, wenn man unter Druck spielt, und neben dem Spiel einen YouTube-Walkthrough offen hat, damit man schneller durchkommt, dann muss man sich zuweilen richtig dazu zwingen. Aber: Insgesamt ist es schon großartig, sein Hobby zum Beruf zu machen, v.a. dann, wenn ich mit den Spieltiteln, die mir persönlich gut gefallen, im Klassenzimmer stehe. Aber jetzt zu deiner Frage: Ich spiele fast ausschließlich auf der Switch Indie-Titel. Je kürzer, desto besser: Zuletzt „Old Man’s Journey“, „Knights and Bikes“, das Serious Game „Fractured Minds“ über Angstpsychosen und den interaktiven Film „Late Shift“.
(SM): Ich spiele sehr gerne, aber mir fehlt wie Alex im Alltag manchmal die Zeit, gerade weil man ja auch andere Dinge zu tun hat. Titel wie „Kingdom Come: Deliverance“ hebe ich mir für das Wochenende oder den Urlaub auf, andere wie „Age of Empires“ oder „Civilization“ kann man am Abend eher mal spielen und nach Belieben unterbrechen. Momentan spiele ich gerne mit der Switch, weil ich dann auf der Couch liegen kann. Das ist sehr entspannend! Am liebsten eine Partie „Mario Kart“ online und am PC dann Titel wie „Dark Souls“. Es muss ja nicht immer historisch sein. Ansonsten schaue ich auch gerne Streams auf Twitch oder YouTube, wenn ich nicht lese.
(RI): Wo seht Ihr die Entwicklung hingehen? Mittlerweile wage ich es fast zu bezweifeln, dass das ewige Mantra, dass sich bestimmte Medien von alleine im Kanon des zu Unterrichtenden durchsetzen würden (weil es die Zeit schon irgendwie erledigen würde) zutrifft. Das sehen wir z.B. bei vielen Artikeln über Graphic Novels, die mit dem einleitenden Satz „XY sind gesellschaftlich akzeptiert“ beginnen. Meine These lautet hier: Wären sie es tatsächlich, bräuchte es auch den Satz nicht. Wie ist es nun mit Spielen als Medium im Unterricht in, sagen wir, zehn Jahren?
(AP): Mein utopisches Szenario wäre: Der*die Lehrer*in wird zum Gamemaster innerhalb einer virtuellen Umgebung, die die Schüler*innen durch ihre VR-Brillen betreten. Mein realistisches Szenario: Alle Schulen sind mit Beamern ausgestattet und die meisten Schüler*innen werden in Laptopklassen unterrichtet. Meine Hoffnung ruht auf den zukünftigen Lehrerkolleg*innen, deren Begeisterung und Professionalität, die ich in der Lehramtsausbildung und im Praktikum erleben darf. Ich glaube, dass sie der Motor des Wandels sind!

(SM): Technisch könnte man einiges machen, das Problem sind wie immer die Ressourcen und rechtliche Fragen, die zu klären sind, beispielsweise beim Kauf von Software auf Steam. Wie stellt man das Spiel dann den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung? Und wann installiert man das Spiel? Zu meiner Schulzeit hat man schon überlegt, alle Klassen mit Laptops auszustatten. Das kam nicht. Videospiele kosten Geld, müssen technisch betreut werden. Ich bin da eher pessimistisch, auch wenn ich mir natürlich wünsche, dass wir uns mit dem Medium kritisch auseinandersetzen. Beamer und Laptops sind realistisch, was auch an den sinkenden Hardwarekosten liegt. Und das ermöglich dann die Arbeit mit Screenshots und Let’s Plays. Es ist wie mit Filmen oder Büchern: Wir als Lehrende sind aufgefordert, kreativ zu werden, um das Medium auf eine spannende Art und Weise in den Unterricht einzubauen, um didaktisch Ziele zu erreichen, beispielsweise einen kritischen, reflektierenden Umgang mit Geschichtsbildern in populären Medien.

(RI): Vielen Dank für das Gespräch!
Kontaktieren könnt Ihr die beiden gerne per Mail hier:
- alexander.preisinger@univie.ac.at
- stephan.mai@univie.ac.at
Um auch auf Instagram nichts von der Arbeit zu verpassen:
- gamelab_geschichte_wien