Authentizität regelt.

Drei Fragen an Felix Zimmermann

Spieler*innen werden sich die folgende Frage schon des Öfteren gestellt haben: „How is it that strolling through ancient Alexandria can feel so real in the virtual world?“ In dem jüngst erschienenen Spieleforschungs-Sammelband History in Games. Contingencies of an Authentic Past, herausgegeben von Martin Lorber und Felix Zimmermann, gehen dieser Frage eine Reihe von Autor*innen anhand spannender Forschungsfragen nach. Wir haben uns mit Mitherausgeber Felix Zimmermann auf drei Fragen getroffen.

Rudolf Inderst (RI): Felix, jetzt mal unter uns…wie hat es Dein Name auf das Buchcover geschafft? Nimm uns und die Leser*innen doch einmal mit auf die Reise!

Felix Zimmermann (FZ): Wie so oft in der (akademischen) Welt: Glück/Zufall und die Unterstützung von Kolleg*innen waren ausschlaggebend. Ich könnte hier weit ausholen, über den Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele sprechen und über meine Graduiertenschule a.r.t.e.s., und würde da nicht mal annähernd all den Leuten gerecht werden, die immer irgendwie dabei sind und helfen. Jetzt im ganz konkreten Fall des Sammelbandes gilt mein Dank natürlich besonders Martin Lorber, der zusammen mit mir den Band herausgibt. Irgendwann hatten wir uns mal an der Uni Köln, an der er auch lehrt und ich meinen Doktor mache, auf einen Tee in der Mensa getroffen. Wir kamen dann irgendwie ins Gespräch über die Konferenz Clash of Realities, die jedes Jahr in Köln stattfindet.

a.r.t.e.s., Universität zu Köln, 2019, Foto: © Patric Fouad

Diese Konferenz hat auch immer einen sogenannten „Guest Summit“ und da hatte ich dann mal die Idee eingebracht, etwas zum Themenfeld Geschichte und Digitale Spiele zu machen. Martin hat sich dann beim Program Board der Clash für mich und mein Thema eingesetzt und so kam es dann, dass wir im November 2019 eine Sektion zum Thema machen konnten mit großartigen Speaker*innen. Also da wurde mir von Martins Seite und von Seite des Program Boards wirklich eine unwahrscheinlich große Menge an Vertrauen entgegengebracht. Glücklicherweise hat das auch alles gut funktioniert und zwar so gut, dass schnell die Idee eines Sammelbandes reifte. Als Auskopplungen von der Clash gibt es da schon ein paar solcher Bände, daher war das in den vorhandenen Strukturen gut möglich. Und dann haben Martin und ich uns nach der Konferenz rangesetzt, noch weitere Kolleg*innen angefragt für Beiträge und den Band dann im akademischen Spurt innerhalb eines Jahres fertigbekommen. Und so stehen da jetzt unsere Namen auf dem Buchcover.

(RI): In der Mitte unserer Drei-Fragen-Sektion stellen wir gerne den Elevator-Pitch. Erkläre uns doch bitte kurz (aber absolut überzeugend!), weshalb es sich lohnt, Euren Band zu besorgen. 

(FZ):  Authentizität werden wir einfach nicht los in der Geschichtswissenschaft. Darüber kann man sich nun ärgern oder anerkennen, dass ein authentisches Vergangenheitserleben (nicht nur) für Spieler*innen von allergrößter Bedeutung ist. Der Band ist ein Versuch, dieses Phänomen zu verstehen und dabei anzuerkennen, dass Digitale Spiele mit ihren immersiven Welten eine ganz besonders innige Beziehung zur Authentizität pflegen, die es zu entschlüsseln gilt. Es geht dabei um viel: Die Frage, was authentisch ist und wer eine solche Bewertung treffen kann, ist eine, die Machtstrukturen sichtbar machen kann und damit schlussendlich eine hochpolitische.

Kurz: Games sind keine wissenschaftlichen Monographien.

(RI): Wir kennen jetzt Personen und Themen hinter und im Band – wie geht es von hier weiter? Wie wird sich Euer Forschungsfeld entwickeln? Was sind die Trends? Wohin muss es vielleicht sogar gehen? 

(FZ):  Mein Eindruck ist, dass sich die geschichtswissenschaftliche Gamesforschung stärker den Nutzer*innen zuwendet, besonders auch wenn es um Authentizität geht. Es hat gute Gründe, dass wir Digitale Spiele nicht mehr auf ihre Faktentreue prüfen und dann – wie ein Qualitätssiegel – feststellen, ob das denn nun die „echte“ Geschichte in diesen Spielen ist. Nein, das ist nicht die „echte“ Geschichte und überhaupt, was ist das überhaupt? Kurz: Games sind keine wissenschaftlichen Monographien. Authentizitätsbedürfnisse gibt es allerdings immer noch, doch zunehmend wird klar, dass der Begriff viel komplexer ist als zuerst angenommen und dass wir ihn beispielsweise von anderen Konzepten wie Akkuratesse und Faktizität sauber trennen müssen.

Um nun zu verstehen, wie hier die Dynamiken genau beschaffen sind zwischen diesen verschiedenen Konzepten, lohnt sich ein Blick auf die Nutzer*innen, also auf das, was konkret von ihnen als authentisch empfunden wird. Nur so lässt sich Authentizität als kultureller Aushandlungsprozess greifbar machen. Und noch etwas kommt hinzu: Authentizität lässt sich herstellen und die Techniken dieser Herstellung beherrschen Games-Entwickler*innen erfolgreicher Produktionen ganz besonders gut. Mit ihnen müssen wir stärker ins Gespräch kommen und so in Erfahrung bringen, wie solche authentischen Vergangenheitswelten entstehen. Für unser Forschungsfeld wird das sicherlich eine Herausforderung, denn bei etwas, das so wichtig ist für die Rezeption eines Spiels, möchten sich Entwicklungsstudios nicht einfach so in die Karten schauen lassen. Aber wir müssen da dranbleiben und es weiter versuchen.

(RI): Vielen Dank für das Gespräch!

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN:

Hier geht es zum Band!

…und das ist der Twitter-Account unseres Gastes: @Felix_Felixson





Rudolf Inderst

*1978 in München. Lebte in Kopenhagen und verliebte sich. Doppelt promoviert, übernimmt er Verantwortung als Ressortleiter für digitale Spiele hier bei nahaufnahmen.ch. Liebt Stanislaw Lem, Hörspiele und Podcasts. Spielt Videospiele seit etwa 40 Jahren. Lehrt als Professor für Game Design mit dem Schwerpunkt Game Studies / Spielanalyse / Game Business an der IU und krault sich gerne seinen Bart.

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