Drei Fragen an…Akimbo Videospiel Essays
Deutschsprachige Spiele-Analyse im Bewegtbild
Video-Essays über digitale Spiele sind keine Seltenheit mehr – wir selbst haben bei nahaufnahmen.ch sie schon häufig thematisiert und auch einige bekannte Kanäle vorgestellt, bzw. die Köpfe dahinter interviewt. Deutschsprachige Inhalte sind jedoch immer noch eine Rarität – doch vielleicht ändert sich das alles nun mit Akimbo Videospiel Essay.
Rudolf Inderst (RI): Vor etwa einem Jahr seid Ihr YouTube mit dem Versprechen beigetreten, „Videospiele auf eine neue Art und Weise zu denken“. Uns würde nun natürlich interessieren, was das für Euch heißt und inwiefern Ihr glaubt, dieses Diktum eingelöst zu haben.
Kevin (K): Für uns bedeutet das in erster Linie, dass wir Videospiele nicht nur als Unterhaltungsprodukt sehen, sondern auch Story, Spielmechanik oder Hintergründe tiefer gehend analysieren. Viele Videospiele haben weit mehr zu bieten, als es in der Berichterstattung geäußert würde.
Beispielsweise hat Florian die Darstellung der Ideologie des Transhumanismus in Doom (2016) erklärt und gezeigt, inwiefern das Spiel Aussagen über diese Ideologie trifft und wie diese im Zusammenhang zur Wirklichkeit zu verstehen sind. Diese Ideologie war mir, und ich habe Doom (2016) vorher auch gespielt, während des Spielens aber gar nicht bewusst. Ich war auch der allgemeinen Meinung, dass man Dooms Story vernachlässigen könne.
wissenschaftliche Texte aus verschiedensten Fächern
Und genau solche Erkenntnisse weiterzugeben und ein Bewusstsein zu schaffen, dass Videospiele nicht nur nach Grafik, Spielspaß oder Ähnlichem zu beurteilen sind, das verstehen wir unter „Videospiele auf eine neue Art und Weise zu denken“. Dazu nehmen wir uns wissenschaftliches Texte aus verschiedensten Fächern, wie etwa Philosophie, Geschichte oder Soziologie zur Hilfe und wenden diese auf Videospiele an.
RI: Videospiel-Essays sind ein sehr interessantes Format, mitunter wirkt es wie der „wunderschöne Nachwuchs“ aus einem kulturkritischen Journalismus und dem Forschungsfeld der Game Studies. Gerade im deutschsprachigen Raum ist dieser Acker noch relativ unbestellt. Wie seht Ihr diesen ganzen Komplex?
K: Der deutschsprachige Videospieljournalismus zeichnet sich zumeist eher durch eine Art der Service-Kritik aus. Das bedeutet für uns, dass „Kritiker“ lediglich beurteilen, inwiefern ein Spiel „Spaß“ macht oder ob es technisch sauber läuft. Diese Herangehensweise ist zwar notwendig, hört aber genau an dem Punkt auf, an dem es spannend wird. Spiele sind eben nicht nur Unterhaltungsprodukt, sondern repräsentieren beziehungsweise reflektieren politische, philosophische und geschichtliche Themen, die es zu erkennen und analysieren gilt.
Spätestens seit der Gamergate-Kontroverse ist einer breiten Öffentlichkeit bewusst, dass Videospiele, wie andere Kulturgüter auch, der Austragungsort von politischen und ideologischen Debatten sind. Werden Videospiele weiterhin auf ihre Mechanik und Erscheinung reduziert, wird so das Feld denen überlassen, die dadurch unter anderem ihre rechte Ideologie ausleben wollen. Hier sei auf das Netzwerk „Keinen Pixel den Faschisten“ hingewiesen, dem wir angehören.
durch Ideologiekritik Spielideen aufbrechen
Durch unsere Videos wollen wir in Spielen vertretene Ideen, ob bewusst oder unbewusst, aufzeigen. Youtube-Kanäle wie „Writing on Games“ oder „Wisecrack“ haben diesen Acker im englischsprachigen Raum bereits bestellt und wir hoffen, dass wir einen Beitrag leisten, damit auch im deutschsprachigen Raum das Videospiel an sich anders wahrgenommen wird.
Im wissenschaftlichen Bereich hat sich dieses Denken mithilfe der Game Studies schon etabliert. Wir aber versuchen nicht nur die wissenschaftlich interessierten Spieler und Spielerinnen, die sich mit Begriffen und Themen sowieso schon auskennen, abzuholen, sondern auch die restliche Spielergemeinschaft aufzuklären, was sie da gerade spielen. Während Florian durch Ideologiekritik Spielideen aufbricht und sich somit auch durch das Spiel mit der Gegenwart auseinandersetzt, schaue ich mir eher philosophische Themenkomplexe an, die in Videospielen eine Ausdrucksform gefunden haben. Dabei haben wir uns aber keine Grenzen gesetzt. Wenn einer von uns eine aus seiner Sicht gewinnbringende Idee zu einem Videospiel hat, dann setzt er diese um. Vollkommen gleich, ob Ideologiekritik oder Spielmechanik, wir wollen kritisch auf Videospiele schauen.
RI: Über 25 Videos habt Ihr bereits produziert – wenn man Euren Kanal nun zum ersten Mal aufruft, welchen Clip würdet Ihr als Einstieg empfehlen? Und: Welcher war der bisher aufwändigste?
K: Schwierige Fragen. Die neueren Videos sind sicherlich „professioneller“, weil wir von Video zu Video mehr im Umgang mit Schneiden, Sprechen usw. gelernt haben. Aber auch die älteren Videos haben interessante Themen, die eine ganz neue Perspektive auf das jeweilige Videospiel werfen. Jedes Video hat seine eigene Herangehensweise, seine eigene Idee und seine eigene Kritik. Mal finden sich in der Handlung entscheidende Hinweise für das Thema, mal sind sie eher in der Spielmechanik zu finden. Wir versuchen jedes Spiel unvoreingenommen anzusehen.
Zuschauer und Zuschauerinnen, die neu auf unseren Kanal stoßen, würde ich empfehlen, einfach nach Spielen zu suchen, die sie schon kennen. Da wir uns nicht auf ein Genre oder eine Richtung festgelegt haben, sollte für jeden und jede etwas dabei sein.
einlesen, entwickeln, aufnehmen, einsprechen, schneiden etc.
Zur zweiten Frage: Aufwändig sind alle unsere Videos. Das hatten wir vor einem Jahr noch etwas unterschätzt. Man muss nicht nur das Spiel durchspielen, sich in Fachliteratur einlesen und eine Idee entwickeln, sondern diese umsetzen, Aufnahmen der wichtigsten Szenen machen, den Text einsprechen, das Video schneiden und noch viele andere Kleinigkeiten. Und da wir uns das alles selbst beigebracht haben, kommt dieses Lernen unabhängig von dem eigentlichen Video noch hinzu.
Am aufwändigsten sind aber sicherlich die Videos, die Themen verhandeln, in denen wir zwar grundlegendes Wissen haben, aber sehr viel Lesen müssen. In meinem Fall wäre das sicherlich „Die Philosophie von: Papers, Please“. Ich habe durch die Uni zu Karl Jaspers gefunden, den ich zwar vom Namen her kannte, aber inhaltlich bei 0 angefangen habe. Während des Lesens von „Die Schuldfrage“ kam mir aber immer mehr der Gedanke, dass Papers, Please eine hervorragende Umsetzung der Idee der Schuld liefert und so entstand das Video, auf das ich schon ein wenig Stolz bin. Besonders da die Game Studies schon einiges zum Spiel durchleuchtet haben, das mir einen noch tieferen Einblick gewährt hat. Hoffentlich konnte ich eine weitere Note hinzufügen.
RI: Vielen Dank für das Interview.
Wenn Ihr mehr erfahren wollt, haben wir hier noch ein paar Links für Euch:
Twitter
https://twitter.com/EssaysAkimbo
https://twitter.com/florian_rsslndt
YouTube
https://www.youtube.com/c/AkimboVideospielEssays/videos
Discord
https://discord.gg/8C3ktWw
Instagram
https://www.instagram.com/akimbo__essays
Also, das machen ein paar klassische Journalisten in Deutschland seit zehn Jahren. FAZ, dann dieses Radio in München, und Spiegel auch manchmal. Wieso verkauft ihr das hier als neu? Kennt ihr die alten Medien gar nicht?
Vielen Dank für den Kommentar – wir möchten keinesfalls abstreiten, dass dies vereinzelt (und gerade in den letzten zehn Jahren auch immer häufiger) auch in den den von Ihnen genannten Medien seinen Platz findet. Allerdings liegen die Unterschiede doch auf der Hand – wir bezweifeln stark, dass FAZ, Spiegel und BR seit zehn Jahren Videospiel-Essays auf ihren Plattformen veröffentlichen. Haben Sie hier vielleicht ein Beispiel? Herzlich, Rudolf Inderst