Eine deutsch-französische Premiere: Nicolas Akladios im Gespräch mit Joël Billieux

Heute begehen wir eine kleine Premiere – eine deutsch-französische Dopplung, wenn man so möchte. Das mag für ein Magazin, das in der Schweiz zuhause ist, gar nicht so abwegig erscheinen, aber dennoch: It’s a first, wie der Native so sagt! Niklas Akladios unterhält sich mit dem Schweizer Psychologen Joël Billieux über einen der Dauerbrenner der Spiele-Berichterstattung: Sucht. Und halten Sie sich fest – dieses Gespräch haben wir nicht nur in deutscher Sprache parat, sondern können es auch auf französisch liefern.
Vor Kurzem wurde eine Studie mit dem Titel „Expert appraisal of criteria for assessing gaming disorder: an international Delphi study“ (Expertenbewertung von Kriterien zur Beurteilung von Spielstörungen: eine internationale Delphi-Studie) veröffentlicht. Sie beurteilt verschiedene Kriterien, die zur Kategorisierung von problematischen Videospielverhalten verwendet werden. Die Autoren haben die Ansichten von 30 internationalen Experten eingeholt, um zu definieren, welche Kriterien bei der Beurteilung eines problematischen Videospielgebrauchs relevant sind (oder nicht). Die Ergebnisse sind nicht nur sehr interessant, sondern zeigen auch, dass noch ein langer Weg vor uns liegt, um die bedeutendste Freizeitgestaltungsform des 21. Jahrhunderts, die mehr als 51% der Bevölkerung in Europa betrifft, richtig zu verstehen.
Im Jahr 2013 empfahl die Vereinigung Amerikanischer Psychologen (APA) in ihrem DSM-5, 9 Kriterien zur Bewertung von aufkommenden Verhaltensstörungen, um gewisse Problematiken des Videospielens im Internet (Internet Gaming Disorder) zu kategorisieren. 2019 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrer 11. Ausgabe der ‘’Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-11)’’ die mit dem Videospielen verbundenen Gesundheitsstörungen als einen psychischen Zustand anerkannt und ihr ebenfalls Kriterien zugeordnet, die es ermöglichen, sie zu identifizieren.
Die Studie vergleicht also die verschiedenen Kriterien und ihre Relevanz unter drei Gesichtspunkten:
- Die diagnostische Validität: Handelt es sich um ein Kriterium, das man bei Patienten findet, die aufgrund einer problematischen Nutzung Rat suchen?
- Der klinische Nutzen: Handelt es sich um ein Kriterium, das es ermöglicht, zwischen einer problematischen Nutzung und einer normalen Nutzung zu unterscheiden?
- Der prognostische Wert: Handelt es sich um ein Kriterium, das es ermöglicht, den chronischen Charakter, die Fortdauer und das Wiederauftreten einer problematischen Nutzung vorauszusagen?
Wir erklären Ihnen alles im Rahmen eines Interviews mit Joël Billieux, Professor für Psychologie an der Universität Lausanne (UNIL), der eine tragende Rolle bei der Durchführung dieser Studie innehatte.
Nicolas Akladios (NA): Wir stellen fest, dass sich zahlreiche Forschungsarbeiten damit beschäftigen, die mit dem Videospiel verbundenen Gesundheitsstörungen zu identifizieren. Welches ist der heutige Stand der Forschung ?
Joël Billieux (JB): Die Kriterien des DSM-5 werden im Abschnitt über aufkommende Störungen zusammengefasst, jedoch besteht noch heute die Tendenz, diese Kriterien als maßgebend für epidemiologische Studien zu verwenden, die recht hohe Prävalenzraten, manchmal 5-6 %, erzielt haben, während man bei der Bewertung einer Störung keinen derartigen Wert erwarten sollte.
Die Kriterien der WHO (ICD-11) wurden bisher nicht verwendet, da sie zu neu sind. Unter den 9 Kriterien des DSM-5 gibt es drei, die den Kriterien der ICD-11 sehr ähnlich sind. Und wenn man die restriktiveren Kriterien der ICD-11 verwendet, erhält man niedrigere Prävalenzraten in Bezug auf eine problematische Nutzung von Videospielen.
NA: Also sprechen wir in diesen Studien von einer Störung oder besser gesagt von einer problematischen Nutzung von Videospielen?
JB: Die verwendete Terminologie ist wichtig. Man kann nicht von einer Störung sprechen, solange man keine Auswertung durch einen Psychologen oder Psychiater in einem klinischen Kontext hat. Man kann nicht von einer Störung sprechen, wenn man die Dinge anhand eines Selbstauskunfts-Fragebogens, zum Beispiel im Rahmen einer Online-Umfrage, bewertet. Viele Studien über das problematische Spielen verwenden jedoch derartige Ansätze und sprechen dann von „Störung“ oder „Sucht“.
NA: Wir haben in der Regel also anerkannte Bereiche von Prävalenzraten für psychiatrische Störungen?
JB: Diese liegen generell je nach der Störung zwischen 0,5 % und 1,5 % der Allgemeinbevölkerung. Derzeit kommen wir z.B. aufgrund der mit dem Covid-Kontext verbundenen Situation zu deutlich höheren Werten. Wenn wir aber für eine aufkommende Störung oder ein problematisches Verhalten Prävalenzraten von beispielsweise 10 % erreichen, liegt das entweder an einer schlechten Konzeptualisierung oder an schlechten Tools, die zu viele „falsch-positive“ Fälle identifizieren (exzessive Pathologisierung), oder wir analysieren keine Störung, sondern eine neue Norm oder ein Verhalten, das in der sich verändernden Gesellschaft vorherrschend geworden ist.
NA: Wie kann man also eine Störung identifizieren?
JB: Um eine Störung zu identifizieren, muss eine nachgewiesene funktionelle Auswirkung vorliegen. Das heißt eine Unfähigkeit, im Alltag zu funktionieren, zum Beispiel im beruflichen oder gesellschaftlichen Leben. Ein weiterer wichtiger Aspekt im Rahmen einer mit dem Videospielen verbundenen Störung ist der Verlust der Kontrolle (z. B. mehr oder länger spielen als vorgesehen, es trotz der eventuellen negativen Auswirkungen in bestimmten Situationen nicht lassen können, zu spielen). Unter Bezugnahme auf die Kriterien der ICD-11 denke ich im Übrigen, dass die beiden unterscheidendsten Kriterien der Kontrollverlust und die funktionellen Auswirkungen sind.
NA: Es wird oftmals das Maß der mit dem Spielen verbrachten Zeit als ein grundlegender Indikator erwähnt, um das problematische Videospielverhalten zu identifizieren?
JB: Im Falle einer hohen Involvierung (high involvement) eines Spielers kann man davon ausgehen, dass er vielleicht 4 Stunden am Tag spielt und dies nicht unbedingt einen negativen Einfluss auf sein tägliches Leben hat. Es hindert ihn nicht daran, zu arbeiten, zu lernen, soziale Kontakte zu pflegen usw. Für ihn sind Videospiele harmonisch mit seinen anderen Aktivitäten in sein Leben integriert, so wie jede andere Leidenschaft auch. Im Gegensatz hierzu wird es andere Spieler geben, die weniger Zeit mit dem Spielen verbringen, diese Aktivität jedoch ihr tägliches Leben beeinträchtigt und verhängnisvolle Folgen hat. Daher sollte das Kriterium der mit dem Spielen verbrachten Zeit bei der Definition eines problematischen Verhaltens nicht berücksichtigt werden.
NA: Könnte die Spielweise aufschlussreich sein? Es gibt Spieler, die z.B. immer dieselben Spielphasen wiederholen oder immer wieder dieselben Aufgaben ausführen.
JB: Mehrere Studien haben sich damit befasst, zunächst einmal im Fall von „World of Warcraft“. Es handelt sich um Spieler, die sich in Welten der Realitätsflucht (Eskapismus) befinden und nicht unbedingt Fortschritte beim Spielen suchen, sondern sich eher einloggen, um in eine andere Welt zu fliehen und sich manchmal in extrem repetitive Tätigkeiten zurückziehen. Es kann sich aber auch um Spieler handeln, die immer dieselben Aktionen wiederholen, um eine spezifische Belohnung zu erhalten. Es gibt also mehrere Möglichkeiten, ein und dasselbe Spiel zu spielen, aber eine bestimmte Spielweise ermöglicht es noch nicht, auf eine problematische oder pathologische Nutzung zu schließen.
NA: Die Kriterien des DSM-5 basieren auf den Kriterien des Substanzmissbrauchs und des Gamblings (Geldspiele)?
JB: Als das Gambling als Störung anerkannt wurde, hat man sich tatsächlich auf die Kriterien des Substanzmissbrauchs gestützt, um das Videospiel in seiner pathologischen Praxis zu definieren. Das Interessante ist, dass es für die Kriterien, die für die Sucht im physiologischen Sinne des Begriffs (z. B. die Kriterien der Toleranz oder des Entzugs) am spezifischsten sind, keinen Konsens über ihre Relevanz bei der Definition des problematischen Videospielens gibt.
Dies ist von grundlegender Bedeutung. Denn es zeigt, dass es unter den Experten auf diesem Gebiet keinen Konsens über die Tatsache gibt, dass das biomedizinische Suchtmodell am besten geeignet ist, die pathologischen Spielverhalten zu erklären. Im Fall unserer Studie besteht zum Beispiel ein Konsens darüber, dass der Begriff der Toleranz (d.h., das Bedürfnis, seine Spielzeit nach und nach zu erhöhen) nicht klinisch relevant ist oder es nicht ermöglicht, ein problematisches Spielverhalten vorherzusagen. Ebenso ermöglichen es die aktuellen Daten nicht, einen Entzugseffekt im physiologischen Sinne des Begriffs nachzuweisen, wenn jemandem das Videospiel „entzogen“ wird. Die in derartigen Situationen beobachteten Erscheinungen sind im Wesentlichen negative Emotionen (Depression, Angst usw.). Es handelt sich also nicht unbedingt um einen Mangel im biomedizinischen Sinne, sondern um ein psychisches Leiden.
NA: Welches ist die Bedeutung der drei Bewertungsstufen für die Kriterien in der Studie?
JB: Die diagnostische Validität dient dazu, zu bestimmen, ob das Kriterium bei Spielern, die zur Behandlung kommen, vorhanden ist. Die überwiegende Mehrheit der für diese Studie befragten Experten arbeitet im Rahmen von spezialisierten Beratungsterminen, an denen sie Spielern und Spielerinnen mit problematischem Spielverhalten begegnen. Diese Stufe ermöglicht es jedoch nicht, zwischen einem Intensivspieler („einem leidenschaftlichen Spieler“) und einem Problemspieler (Spieler mit einer Störung) zu unterscheiden. Die anderen beiden Faktoren, d. h. der klinische Nutzen und der prognostische Wert, werden jedoch für diese Unterscheidung herangezogen.
NA: Man sagt, dass man zur Unterhaltung spielt, aber können Videospiele auch „strategisch“ gespielt werden, mit einem anderen Ziel als das Spielen selbst?
JB: Ja, und man darf einen in einem spezifischen Kontext aufgebauten Bewältigungsmechanismus (coping) nicht pathologisieren: Nehmen wir das Beispiel eines Spielers, der sich in Quarantäne befindet, der seine Freunde nicht mehr trifft und sich isoliert fühlt. Er wird sich in Videospiele zurückziehen, um seine sozialen Beziehungen aufrechtzuerhalten und so die Situation der sozialen Distanzierung zu bewältigen. Ein anderes Beispiel ist ein Mitglied eines E-Sport-Teams, das vor einem Turnier jeden Abend trainiert, um sich auf ein kommendes Spiel vorzubereiten. Ein Verhalten, das extrem erscheinen, sich in einem bestimmten Kontext jedoch erklären kann. Viele Studien zu diesem Thema beruhen auf einer statischen Bewertung, d. h. auf einem einzigen Messzeitpunkt (z. B. der Zeitpunkt der Umfrage); in derartigen Studien könnten die nachfolgend dargestellten Fälle fälschlicherweise als „pathologisch“ angesehen werden. Dies erklärt die Bedeutung der Längsschnittdaten in einer Analyse.
NA: Sind alle Exzesse gleichwertig?
JB: Der Ansatz der WHO war konservativ; es geht nicht darum, das Konstrukt ‘’Suchtverhalten’’ im weitesten Sinne zu legitimieren, was dazu führen würde, jede exzessiv ausgeübte Tätigkeit als pathologisch zu identifizieren. Wenn man die Gründe betrachtet, die dazu führen, dass Menschen Rat suchen, kann man feststellen, dass dies nur sehr wenige aufgrund von mit Lesen, Fernsehserien oder sozialen Netzwerken verbundenen Problemen tun. Im Bereich der Online-Praktiken jedoch sind Videospiele oder Cybersex von Hilfesuchenden häufig genannte Themen.
NA: Was sind also die nächsten Schritte im Anschluss an diese Studie?
JB: Es wird darum gehen, einen anderen Ansatz als bisher zu verfolgen. Man darf sich nicht mehr auf mit Alkohol oder mit anderen Bereichen verbundene Analysemodelle stützen und diese für das Videospiel zu „recyceln“. Man muss sich mehr für die spezifischen Eigenarten des problematischen Videospielkonsums interessieren (zum Beispiel anhand von qualitativen und phänomenologischen Studien) und sich weniger auf die scheinbaren Ähnlichkeiten mit substanzgebundenen Süchten konzentrieren. Darüber hinaus muss man ebenfalls geeignetere Screening- und Diagnosetools entwickeln, die eine Pathologisierung von intensiven, aber unproblematischen Spielverhalten vermeiden.
NA: Welche Auswirkungen hat ein problematisches Spielverhalten auf eine Behandlung ?
JB: Angesichts der vielfältigen Ursachen einer Störung darf keine standardisierte Behandlung angewandt werden, sondern es ist eine maßgeschneiderte Behandlung je nach der Ursache der Störung und den damit verbundenen psychologischen Prozessen zu bevorzugen.
NA: Joël, ich danke Ihnen für diese Informationen.
Die komplette Studie ist online verfügbar:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/add.15411
Joël Billieux:
Der gebürtige Schweizer hat an der UNIL und anschließend an der Universität Genf Psychologie studiert, wo er 2010 seine Doktorarbeit in psychologischen Wissenschaften zum Thema der neurokognitiven Mechanismen bei impulsivem Verhalten verteidigte. Joël Billieux ist außerdem Inhaber eines Fortbildungsdiploms in kognitiver Verhaltenspsychotherapie. Seit 2014 ist er als von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beauftragter Experte in einer Arbeitsgruppe zu den Auswirkungen der exzessiven Nutzung von IKTs auf die öffentliche Gesundheit im Rahmen der 11. Auflage der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-11) tätig.
Twitter : @JoelBillieux
Nicolas Akladios:
Interessiert sich leidenschaftlich für Videospiele sowie für allgemeine Fragen des Lebens.
Twitter: @AkladiosNicolas
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Une étude intitulée « Expert appraisal of criteria for assessing gaming disorder : an international Delphi study » vient de paraître. Elle évalue différents critères utilisés pour catégoriser le jeu vidéo problématique. Les auteurs ont fait appel à l’avis de 30 experts internationaux pour définir quels critères sont pertinents (ou pas) dans l’évaluation d’une utilisation problématique du jeu vidéo.
Les résultats sont non seulement très intéressants mais démontrent qu’il reste encore bien du chemin à parcourir pour appréhender correctement le premier divertissement du 21ème siècle qui touche plus de 51% de la population en Europe.
En 2013, l’Association Américaine de Psychologie (APA) a conseillé dans son DSM-5 d’évaluer 9 critères de troubles émergents pour catégoriser les problèmes du jeu vidéo sur internet (Internet Gaming Disorder). En 2019, l’Organisation Mondiale de la Santé a reconnu le trouble du jeu vidéo (Gaming Disorder) comme une condition mentale dans sa 11ème révision de la Classification internationale des maladies (CIM-11) en lui attribuant également des critères permettant de l’identifier.
L’étude compare donc les différents critères et leur pertinence selon trois points de vue :
- La validité de diagnostic : s’agit-il d’un critère qu’on va retrouver chez des patients qui consultent pour une utilisation problématique ?
- L’utilité clinique : s’agit-il d’un critère qui permet de distinguer une utilisation problématique d’une utilisation normale ?
- La valeur de pronostic : s’agit-il d’un critère qui permet de prédire la chronicité, la persistance, et la récurrence d’une utilisation problématique ?
On vous dit tout à travers une interview de Joël Billieux, professeur de psychologie à l’Université de Lausanne (UNIL) et un des piliers de la réalisation de cette étude.
Nicolas Akladios (NA) : On constate que de nombreuses recherches se penchent sur l’identification de critères pour définir les troubles liés au jeu vidéo. Quel est l’état des lieux à ce jour ?
Joël Billieux (JB) : Les critères du DSM-5 sont présentés dans la section des troubles émergents, pourtant il y a une tendance encore actuelle aujourd’hui d’utiliser ces critères comme définitifs pour des études épidémiologiques qui ont obtenu des taux de prévalence assez élevés, parfois 5-6%, ce qui n’est pas un taux auquel on doit s’attendre lorsqu’on évalue un trouble.
Les critères de l’OMS (CIM-11) n’ont pas encore été utilisés car ils sont trop récents. Parmi les 9 critères du DSM-5 il y en a trois qui sont très proches des critères du CIM-11. Et si on utilise les critères plus restrictifs du CIM-11 on arrive à des taux de prévalence plus bas concernant une utilisation problématique du jeu vidéo.
NA : Donc on va parler de trouble ou plutôt d’usage problématique du jeu vidéo dans ces études ?
JB : La terminologie utilisée est importante. On ne peut pas parler de trouble tant qu’on n’a pas une évaluation qui est faite par un psychologue ou par un psychiatre dans un contexte de clinique. On ne peut pas parler de trouble quand on évalue les choses avec un questionnaire auto-rapporté via une enquête en ligne par exemple. Or un grand nombre d’études sur le jeu problématique utilisent de telles approches et parlent ensuite de « trouble » ou « d’addiction ».
NA : De manière générale donc on a des plages reconnues de taux de prévalence pour les troubles psychiatriques ?
JB : C’est généralement entre 0,5% et 1,5% de la population générale, en fonction des troubles. Actuellement avec la situation liée au contexte du Covid, on arrive par exemple à des taux beaucoup plus élevés. Mais si pour un trouble ou un comportement problématique émergent on arrive à des taux de prévalence de 10% par exemple, soit on a une mauvaise conceptualisation ou des mauvais outils qui identifient trop de cas « faux-positifs » (pathologisation excessive), soit on n’analyse pas un trouble mais une nouvelle norme ou un comportement devenu prépondérant dans la société en évolution.
NA : Alors comment identifier un trouble ?
JB : Pour déterminer un trouble, il faut qu’il y ait un impact fonctionnel avéré. C’est-à-dire une incapacité de fonctionner au quotidien, par exemple sur les plans professionnels ou social. Un autre aspect important dans le cadre du trouble lié au jeu vidéo est la perte de contrôle (par ex. jouer plus ou plus longtemps que prévu, ne pas pouvoir s’empêcher de jouer dans certaines situations malgré l’impact négatif que cela pourrait avoir). Du reste pour reprendre les critères du CIM-11, je pense que les deux critères les plus discriminatifs sont la perte de contrôle et l’impact fonctionnel.
NA : On entend souvent la mesure du temps passé à jouer brandi comme un indicateur de base pour identifier le jeu vidéo problématique ?
JB : Dans le cas d’une forte implication (high involvement) de la part d’un joueur on peut imaginer qu’il va peut-être jouer 4 heures par jour et ceci n’aura pas forcément un impact négatif sur sa vie quotidienne. Ça ne l’empêche pas de travailler, d’étudier, de sociabiliser, etc. Pour lui le jeu vidéo est intégré dans sa vie avec ses autres activités de manière harmonieuse, comme n’importe quelle passion. A contrario, il y aura d’autres joueurs qui passeront moins de temps à jouer mais l’activité va interférer avec leur quotidien et avoir des conséquences néfastes. Ainsi le critère de temps passé à jouer ne devrait pas nécessairement être pris en compte pour définir le comportement problématique.
NA : Est-ce que la façon de jouer pourrait être révélatrice ? Il y a des joueurs qui vont par exemple toujours répéter les mêmes phases de jeu ou refaire toujours les mêmes missions de façon répétitive.
JB : Plusieurs études s’y sont intéressées, dans le cas de « World of Warcraft » dans un premier temps par exemple. Il s’agit de joueurs qui sont dans des dimensions d’oubli du quotidien (escapism) qui ne vont pas forcément progresser dans le jeu mais se connectent plutôt pour s’échapper dans un autre monde, parfois en s’enfermant dans des activités extrêmement répétitives. Mais il peut s’agir aussi de joueurs qui répètent les mêmes actions pour obtenir une récompense spécifique. Il y a des multiples façons de jouer à un même jeu, et une manière particulière de jouer ne permet pas de refléter un usage problématique ou pathologique.
NA : Les critères du DSM-5 sont basés sur ceux de l’abus de substance et du gambling (jeux d’argent) ?
JB : En fait lorsque le gambling a été reconnu comme trouble on s’est basé sur les critères de l’abus de substance et par extension le processus a été reproduit pour définir le jeu vidéo dans sa pratique pathologique. Et ce qui est intéressant c’est que ce sont les critères les plus spécifiques à l’addiction au sens physiologique du terme (par exemple les critères de de tolérance ou de sevrage) pour lesquels il n’y a pas de consensus sur leur pertinence dans la définition du jeu vidéo problématique.
Ceci est fondamental car cela montre qu’il n’y a pas de consensus chez les experts du domaine sur le fait que le modèle biomédical de l’addiction est le plus adapté pour rendre compte des conduites de jeu pathologiques. Par exemple, dans le cas de notre étude, il y a un consensus selon lequel la notion de tolérance (c’est-à-dire un besoin d’augmenter graduellement son temps de jeu) n’est pas pertinente sur le plan clinique, ou ne permet pas de prédire une conduite de jeu problématique. De la même manière, les données actuelles ne permettent pas de mettre un évidence un effet de sevrage, au sens physiologique du terme, quand quelqu’un est « privé » de jeu vidéo. Les manifestations qu’on observe dans ce genre de situation sont essentiellement des émotions négatives (dépression, anxieux, etc.). Du coup ça n’est pas forcément un manque au sens biomédical du terme, mais une souffrance psychologique.
NA : Quelle est l’importance des trois niveaux d’évaluation des critères dans l’étude ?
JB : la validité de diagnostic sert à déterminer si le critère est présent chez les joueurs qui arrivent en demande de traitement. La très grande majorité des experts consultés pour cette étude travaillent dans des consultations spécialisées rencontrant des joueurs et joueuses présentant des conduites de jeu problématiques. Mais ce niveau ne permet pas de différencier un joueur intensif (« un passionné ») d’un joueur problématique (un joueur présentant un trouble). Les deux autres facteurs, l’utilité clinique et la valeur de pronostic servent à faire cette distinction.
NA : On dit qu’on joue pour se divertir, mais le jeu vidéo peut-il être aussi pratiqué de façon « stratégique », avec un objectif autre que le jeu en lui-même ?
JB : En effet et il ne faut pas pathologiser un mécanisme d’adaptation (coping) mis en place dans un contexte spécifique : prenons l’exemple d’un joueur qui est en confinement, qui ne voit plus ses amis et se sent isolé. Il va s’investir dans le jeu vidéo pour maintenir ses liens sociaux et ainsi faire face à la situation de distanciation sociale. Autre exemple, celui d’un membre d’une équipe d’Esport qui avant un tournoi va s’entraîner tous les soirs en préparation du match à venir. Un comportement qui peut paraître extrême va s’expliquer dans un contexte donné. Beaucoup d’études sur le sujet consistent en une évaluation statique, c’est-à-dire un seul temps de mesure (le moment de l’enquête par exemple) ; dans ce genre d’études les cas présentés ci-dessous pourraient erronément être considérés comme « pathologiques » D’où l’importance des données longitudinales dans une analyse.
NA : Est-ce que tous les excès se valent ?
JB : La démarche de l’OMS a été conservatrice ; l’idée n’est pas de légitimer le construit de l’addiction comportementale au sens large qui amènerait à identifier toute activité pratiquée de manière excessive comme pathologique. Si on regarde les raisons pour lesquelles les personnes vont consulter, très peu le font pour des problèmes liés aux séries télévisées ou aux réseaux sociaux. Cependant dans le domaine des pratiques en ligne, les jeux vidéo ou le cybersexe sont des sujets souvent cités par ces personnes qui cherchent de l’aide.
NA : Donc quelles sont les prochaines étapes à la suite de cette étude ?
JB : Il va s’agir d’avoir une approche différente à ce qui s’est fait jusqu’à maintenant ; on ne doit plus uniquement se baser sur des modèles d’analyse issus de l’alcool ou d’autres domaines et les « recyclant » aux jeux vidéo. On doit plus s’intéresser aux spécifiés de l’utilisation problématique des jeu vidéo (par exemple à travers des études qualitatives et phénoménologiques) et moins se restreindre à focaliser uniquement sur les apparentes similitudes avec les addictions aux substances. On doit également développer des outils de dépistage et de diagnostique plus adaptés ; et qui évitent de pathologiser des conduites de jeu intensives mais non problématiques.
NA : Quelle incidence pour les traitements des troubles liés à un jeu problématique ?
JB : Etant donné les multiples étiologies du trouble, on ne doit pas appliquer une approche de standardisée (par ex. issue des traitements pour les conduites addictives), mais favoriser une approche taillée sur mesure en fonction de l’étiologie du trouble et des processus psychologiques impliqués.
NA : Merci Joël pour ces informations.
L’étude complète est à retrouver en ligne : https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/add.15411
Joël Billieux :
D’origine Suisse, il a étudié la psychologie à l’UNIL puis à l’Université de Genève où il a défendu sa thèse de doctorat en sciences psychologiques en 2010 sur le thème des mécanismes neurocognitifs impliqués dans les conduites impulsives. Joël Billieux est également titulaire d’un diplôme de formation continue en psychothérapie cognitive et comportementale. Depuis 2014, il officie comme expert mandaté par l’Organisation Mondiale de la Santé (OMS) dans un groupe de travail portant sur les implications de santé publique liées à l’utilisation excessive des TICs dans le cadre de la 11ème révision de la Classification Internationale des Maladies (CIM-11).
Twitter : @JoelBillieux
Nicolas Akladios :
Passionné de jeux vidéo, curieux de nature.
Twitter : @AkladiosNicolas