Nicht nur figurativ gesprochen.

Spieleforscher Felix Schröter im Interview 

Ja, auch nahaufnahmen.ch hat ein Sommerinterview parat – und statt Phrasenleerlauf sogar eines mit Erkenntnisgewinn und (daher) -wert! Uns gelang es, den Game Researcher Felix Schröter für drei Fragen zu gewinnen. Anlass ist dabei seine frische Buchveröffentlichung SPIEL | FIGUR im Schürenverlag. Durch das Gespräch führt Rudolf Inderst.

Rudolf Inderst (RI): Vielen Dank Felix, dass Du Dich so auf unser Drei-Fragen-an-Format eingelassen hast! Es freut mich ganz besonders, wenn ich mich wieder einmal mit einer Persönlichkeit aus der Spieleforschung unterhalten darf, die ich schon eine ganze Zeit lang kenne (was gleichzeitig ein eleganter Disclaimer ist). Ja, liebe Leser*innen, es ist wahr, gemeinsame (Un-)Konferenz-Erfahrungen prägen des Schröters und des Indersts Dasein – doch genug davon! Vielleicht möchtest Du Dich und Deine Arbeitshintergründe einmal näher vorstellen?  

Felix Schröter (FS): Sehr gerne. Ich gehöre zu jener Generation Spieleforscher:innen, in deren geisteswissenschaftliche Studiengänge Games in den 2000er Jahren nur sehr zögerlich Einzug hielten. Als eine Art akademischer Trotzreaktion war es mir – wie vielen meiner Kolleg*innen im akademischen Mittelbau – daher nach dem Studium ein Anliegen, Games neben Film und Fernsehen im medienwissenschaftlichen Curriculum zu etablieren. Dies war dann auch bis 2016 mein Forschungs- und Lehrschwerpunkt als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medien und Kommunikation der Universität Hamburg. Gegenwärtig verdinge ich mich als Projektmanager in der Spieleindustrie, bin der Academia jedoch noch im Rahmen von Vortrags- und Publikationstätigkeiten verbunden.

RI: Kommen wir doch nun zu Deiner Veröffentlichung – stellen wir uns einen Moment bitte vor, Leser*innen in spe schleichen im Buchhandel (ja, im STATIONÄREN!) um den frischen Stapel der Spieleforschungs-Abteilung…wie lautet Dein Elevator-Pitch, warum sollten sie gerade zu Deinem Buch greifen?   

FS: In meinem Buch SPIEL | FIGUR behandle ich die Grundlagen der Theorie, Ästhetik und Analyse von Computerspielfiguren. So vollmundig das erst einmal klingen mag, war es schlicht mein Anliegen, ein auf die medienwissenschaftliche Praxis zugeschnittenes ‚Rüstzeug‘ für die Analyse von Computerspielfiguren bereitzustellen, das sowohl den Anschluss an film- und literaturwissenschaftliche Figurentheorie sucht als auch sensibel bleibt für medienspezifische Probleme der Analyse interaktiver, nonlinearer und konfigurierbarer Figuren. Im Buch illustriere ich dieses Analyseinstrumentarium am Beispiel der audiovisuellen Ästhetik von Figuren (mit vielen bunten Bildern!) und wie durch sie Spielerfahrung strukturiert wird. Es ist jedoch auf eine Vielzahl figurenbezogener Fragestellungen anwendbar. Meine Hoffnung ist daher, dass der Band den Weg in viele Bibliotheken und Seminare finden wird, um der nächsten Generation von Spieleforscher*innen den Einstieg in die Spiele- und Figurenanalyse zu erleichtern.

RI: In Deinem Ausblick am Ende der Untersuchung sprichst Du über Virtual-Reality-Applikationen und hältst fest: „VR-Technologien bilden den bisherigen Höhepunkt der Evolution technisch-apparativer Unterhaltungsmedien hin zu einer immer stärkeren Angleichung medialer Darstellung an menschliche Wahrnehmungsstrukturen.“ Zu der holistischeren Raumwahrnehmung werde in Zukunft, so mutmaßt Du, auch eine, nennen wir sie, emotional-plausiblere Aufstockung durch ein erweitertes Figuren-Personal kommen. Wie könnte hier ein mögliches Endgame aussehen? Sprechen wir von maximaler Immersion im Sinne einer fleischbiologisch-virtuellen Deckungsgleichheit?

FS: Eine teleologische Mediengeschichtsschreibung, die die Entwicklung des Computerspiels auf das Prinzip „alles wird immer realistischer“ reduziert, halte ich für problematisch – und auch unzutreffend. Das gilt insbesondere für Figuren: Personenwahrnehmung ist eine der bestgeschultesten Systeme des menschlichen Wahrnehmungsapparates, so dass die Vorstellung einer glaubhaften Holodeck-artigen Interaktion mit Figuren bis auf Weiteres eine Utopie (oder Dystopie?) bleiben wird. Dennoch denke ich, dass mit der Ausdifferenzierung der medialen Dispositive (zum Beispiel in Hinblick auf VR oder Augmented Reality) Fragen der ästhetischen Wahrnehmung von Figuren eine besondere Relevanz gewinnen werden. Denn Figurenwahrnehmung – so lautet eine wesentliche Pointe meines Buches – ist immer auch körperlich-affektive Wahrnehmung. Und dass dieser Bereich von den ‚neuen‘ Dispositiven besonders angesprochen wird, das weiß jeder, der einmal ein Survival Horror Game mit VR-Brille gespielt hat.

RIVielen Dank für das Interview. 

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Wenn Sie mehr über Felix Schröter erfahren möchten, folgen Sie ihm doch gerne auf Twitter (@felixjs) oder besuchen seine Website. Ebenso steht Ihnen ein Facebook-, Instagram– und Academia.edu-Besuch offen.





Rudolf Inderst

*1978 in München. Lebte in Kopenhagen und verliebte sich. Doppelt promoviert, übernimmt er Verantwortung als Ressortleiter für digitale Spiele hier bei nahaufnahmen.ch. Liebt Stanislaw Lem, Hörspiele und Podcasts. Spielt Videospiele seit etwa 40 Jahren. Lehrt als Professor für Game Design mit dem Schwerpunkt Game Studies / Spielanalyse / Game Business an der IU und krault sich gerne seinen Bart.

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