Gaining some Game Culture
Drei Fragen an die Köpfe hinter dem Spielekulturmagazin GAIN
Unkenrufen zum Trotz ist die Spielkultur in Printform „alive and kicking“ – ein Beispiel dafür ist das Magazin GAIN. Mit großer Freude trafen wir Michal Hejzner und Ingmar Böke daher zum Gespräch.
Rudolf Inderst (RI): Beginnen wollen wir mit einer steilen These: Printjournalismus – gerade im Bereich digitale Spiele – ist auf dem Weg, ein Luxus- oder mindestens ein Liebhaberobjekt zu werden. Würdet Ihr das so unterschreiben? Und wie hängt das konkret mit Eurem Selbstbild wie -verständnis zusammen?
Michal Hejzner – Gründer und Herausgeber der GAIN (MH): Wie schwer es Printmedien generell haben, steht außer Frage. Interessant finde ich z.B. auch die Frage, wie viele junge Menschen, die nicht mehr mit Zeitungen und Magazinen aufgewachsen sind, zukünftig bereit sind, Geld für ein haptisches Medium auszugeben. Wenn schon Geld für Journalismus ausgegeben wird, dürften viele dieser Leute tendenziell eher bereit sein, Bezahlinhalte wie Spiegel+, GameStar+ etc. zu nutzen? Die GAIN kann man sicherlich als Luxus- oder Liebhaberobjekt bezeichnen. Anders als z.B. die GameStar oder PC Games, die mehrere Zielgruppen ansprechen, richtet sich unser Magazin einseitiger an Leute, die sich für die Hintergründe von Videospielen und der Spielebranche interessieren. Wer Printmagazine liest und dabei eher dem klassischen Produktjournalismus zugeneigt ist, wird mutmaßlich eher kein Geld fürs GAIN-Magazin ausgeben. Auch im übergeordneten Kosmos der Spielemagazine bewegen wir uns also in einer Nische. Wir können durchaus überleben, aber es ist auch klar, dass wir innerhalb unserer Nische bekannter werden müssen und die Autor*innen irgendwann für ihre Arbeit entlohnt werden sollten.
Ingmar Böke – Mitglied der GAIN-Chefredaktion (IB): Ich glaube, ein großes Problem von uns zeigt sich an Rückmeldungen à la „Habe heute erst von euch erfahren und mir direkt mal ein Heft bestellt.“ Wie viele Leute mag es geben, die mit dem GAIN-Magazin etwas anfangen könnten, uns aber schlichtweg nicht kennen? Wir haben ein gutes Produkt und das ist schon mal die Grundvoraussetzung – daher sehe ich auch viel Potenzial in unserer Nische, das wir ausschöpfen können. Der Trend zeigt in die richtige Richtung, langfristig möchten wir dieses Magazin, auf das wir verdammt stolz sind, aber ins Bewusstsein von deutlich mehr Leuten rücken. Daran arbeiten wir mit jeder neuen Ausgabe. Es ist nicht einfach, aber wir bleiben am Ball. Nische hin oder her: Da geht noch deutlich mehr! 😉
RI: Jetzt, da die erste Frage und damit die herausfordernde Feuertaufe bestanden ist, fangen wir nochmal ganz gediegen an. Oder…doch…nicht? Lieblingskinder zu benennen ist gemein, deshalb ist es auch eine beliebte Frage: Rückblickend auf Eure 17 Ausgaben – welche Artikel gehören aus Eurer Sicht in die Top-3?

MH: Puh, wirklich eine sehr schwierige Frage, ich selber schreibe schon lange nicht mehr und konzentriere mich voll auf das Design und Layout am Magazin. Das Schreiben überlasse ich lieber den Kolleg*innen, die können das deutlich besser. Es gab über die Zeit so viele tolle Artikel, dass es schier unmöglich ist, da eine Top-3 zu benennen.
IB: Ich bin erst seit Ausgabe 10 an Bord, trotzdem ist diese Frage brutal schwer. Für Ausgabe 16 habe ich mit meinen Kolleg*innen Nora und Giacomo an einem Konzept namens „Stories from Night City“ gearbeitet. Wir schildern aus Sicht unserer Spielfigur, was wir in Cyberpunk 2077 erlebt haben. Ich liebe solche Gelegenheiten, kreativ zu werden – für uns Autor*innen ist das ein Luxus. Die Geschichten von Nora und Giacomo haben mich ziemlich weggeblasen. Wenn du sowas das erste Mal liest, wird dir mal wieder demonstriert, mit was für talentierten Menschen du arbeitest. Das macht einen sehr stolz. Solche Erlebnisse habe ich häufiger, umso schwerer fällt es mir, drei Lieblingsartikel von Kolleg*innen herauszupicken. Wenn ich drei eigene Artikel nennen darf, entscheide ich mich spontan und unchronologisch für diese:
(1) Online-Kritik zu The Last of Us Part 2: Leider war der Release-Termin von The Last of Us Part II für uns so ungünstig, dass wir das Spiel nicht ins Heft aufnehmen konnten. Stattdessen habe ich dann eine Online-Kritik geschrieben. Ich verspreche an dieser Stelle, dass nicht ein einziges Mal der Ausdruck „emotionale Achterbahnfahrt“ vorkommt!
(2) LucasArts-Roundtable in Ausgabe 15 und 16: Ich muss gestehen, meine Adventure-Zeit ist seit Jahren vorbei. Da ich die LucasArts-Adventures früher geliebt habe, war es für mich trotzdem ein großes Vergnügen, knapp zwei Stunden mit Tim Schafer, Dave Grossman und Noah Falstein zu skypen. Hinterher hatte ich eine Audio-Datei, die gerade zu überquoll vor Anekdoten. Also beschlossen wir, einen zweiteiligen Artikel daraus zu machen. Das Gespräch hatte eine tolle Dynamik, alle Gäste hatten Lust und haben sich teilweise auch untereinander Fragen gestellt. Als „Moderator“ einer solchen Runde ist das natürlich ein Segen. Umso mehr begleitet mich der Albtraum, irgendwann mal einen Roundtable zu leiten, bei dem die Gäste so gar nicht miteinander harmonieren und sich rein gar nichts zu sagen haben. Toi, toi, toi!
(3) „Nicht mehr mein Weg – Die Geschichte eines Aussteigers“ in Ausgabe 14: Dieser Artikel liegt mir besonders am Herzen. Ich hatte ausführlich die Gelegenheit, mit Markus Stein (Lead-Programmierer von Max Payne 1 und 2) zu sprechen, der die Spielebranche nach einem Burnout verlassen hat. Es war hochspannend, Einblicke in die damaligen Arbeitsabläufe bei Remedy und Rockstar Vienna zu bekommen – ganz abgesehen davon, dass sich Markus als höchst angenehmer Gesprächspartner herausstellte. Ich glaube, es ist ihm nicht ganz leichtgefallen, über seine Erfahrungen und sein Burnout zu sprechen. Umso wichtiger war es mir, auf Anhieb ein Vertrauensverhältnis herzustellen und Markus mit auf den Weg zu geben: „Ich weiß, du musst dieses Gespräch nicht führen, aber du kannst dir sicher sein, dass ich dich nicht in die Pfanne haue. Du kannst gerne frei reden und wenn es irgendetwas gibt, das du im Nachhinein lieber nicht gesagt hättest, lass es mich wissen.“ Normalerweise würde ich bei einem Interview nicht solche Zugeständnisse machen, in diesem Fall war es mir ein Bedürfnis. Letztlich war es dann ohnehin kein Thema.
RI: Stellen wir uns kurz vor, wir würden jetzt nicht nach Ausgabe #17 sondern #30 sprechen. Was sollte bis dahin inhaltlich und strukturell schon passiert sein auf Eurer Reise?
IB: Das Wort „Reise“ trifft es hervorragend. Wir versuchen mit jeder Ausgabe Dinge besser zu machen und neue Dinge zu implementieren. Vor ein paar Ausgaben haben wir beispielsweise vier Rubriken gestartet. Los geht es nun immer mit unserer News-Rubrik Pile of GAIN, abgeschlossen wird das Heft mit der satirischen Kolumne Generation 486. Früher fühlte sich die GAIN etwas wie eine lose Sammlung von Artikeln an, weniger wie ein klassisches Magazin. Hier haben wir den Hebel angesetzt und versuchen mit jeder neuen Ausgabe, die Grundstruktur des Hefts zu stärken. Das ist auf jeden Fall ein Langzeitprozess. Gelegentlich stellt man dabei vielleicht auch mal fest, dass Veränderung XY in der Theorie besser klang als in der Praxis, aber diese Erfahrungswerte gehören dazu.
Ich glaube, wir sind allesamt total stolz darauf, wie schick das Heft aussieht. Michal hat nicht ohne Grund einen German Design Award gewonnen. Am Schriftbild könnte man aber sicher noch einiges verbessern und das ist auch so ein Punkt auf unserer Agenda. Manche Texte haben recht wenig Luft zum Atmen. Den Lesekomfort wollen wir zukünftig ein gutes Stück verbessern. Vermutlich ist das aber nichts, was über Nacht geschehen wird. 😉
Inhaltlich würde ich mir noch mehr Geschichten aus dem Leben wünschen. Wir haben diesbezüglich einen guten Weg eingeschlagen, beispielsweise durch die Porträts von Markus Stein, Musiker Sonic Mayhem (Quake 2, Deus Ex) oder den Gastartikel von Mel Taylor (ehemals Osmotic Studios), die über die Indie-Szene in Australien berichtete. So wichtig die Spiele an sich für uns sind: Mein Chefredaktions-Partner Giacomo und ich sind beide große Fans von persönlichen Geschichten und interessieren uns für die „Menschen hinter den Spielen“. Dabei ist es egal, ob jemand prominent ist oder nicht. Für eine gute Story und/oder eine interessante Lebensgeschichte ist das kein Kriterium. Den angesprochenen Ansatz möchten Giacomo und ich beide noch stärker in den Vordergrund rücken.
MH: Wie Ingmar es schon gesagt hat, wir versuchen uns von Ausgabe zu Ausgabe zu steigern, Dinge besser zu machen, neues auszuprobieren, aber auch mit Formaten zu experimentieren. Das Magazin ist stetig im Wandel, jede*r im Team bringt kreativen Ideen mit ein und davon lebt das Heft. Wir haben auf jeden Fall noch viel vor und wollen einiges angehen. Wie von Ingmar erwähnt, werden wir am Lesekomfort noch etwas nachbessern, sowie strukturelle Kleinigkeiten anpassen, damit sich das Heft insgesamt etwas runder anfühlt. Ich für mein Teil möchte das Magazin vom Design und der Haptik noch weiter aufwerten, das heißt konkret, im Innenteil sollen mehr eigene Illustrationen eingearbeitet werden, sowie soll das Editorial-Design noch ausgefallener und einzigartiger ausfallen. Die Papier- sowie Druckqualität soll zudem verbessert werden. Das sind alles Dinge, die wir in Zukunft angehen wollen und hoffentlich nicht erst ab Ausgabe #30, sondern schon viel früherer ;).
RI: Vielen Dank für das Interview.
IB: Sehr gerne! Vielen Dank für die Anfrage.
MH: Gerne! Vielen Dank.
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