Twelve Minutes
Zwölf Minuten Spaß
Wie lange benötigt man, um eine gute Geschichte zu erzählen? Und ist es eine faire Frage, wenn man sie der Besprechung eines Videospiels voranstellt? Twelve Minutes gibt sich zwölf Minuten – immer und immer wieder. NORMAN VOLKMANN war in einer Zeitschleife gefangen und am Ende vor allem froh, sie durchbrochen zu haben.
Es hat nicht einmal zwölf Minuten gedauert, bis ich das erste Mal die Augen verdrehte. In Twelve Minutes steuere ich einen Mann, gesprochen von Schauspieler James McAvoy, der nach Hause kommt. Seine Frau (Daisy Ridley) wartet bereits auf ihn. Nach ein paar Minuten unterbricht ein mordwütiger Polizist (Willem Dafoe) die feierabendliche Idylle, verhaftet die Ehefrau und erwürgt den Mann. Dann liegt es an Spieler*innen, in kurzen Spieleinheiten sich wiederholender Loops nach Lösungen für die sonst immer gleich ablaufenden Vorkommnisse zu suchen.
Vor einigen Jahren wurde der erste Trailer des Spiels auf der E3 vorgestellt. Eine ungewohnte Perspektive, eine ungewohnte Erzählweise, ein Fokus auf Storytelling – what’s not to love? Mein Verlangen nach dem nächsten Firewatch oder einem neuem What Remains of Edith Finch ist fortwährend! Gerade die Vertonung beim Erstgenannten bleibt bislang unerreicht – lebensnahe Dialoge, wunderbare Sprecher*innen, tolle Regie. Das gesprochene Wort ist es, das in Firewatch Charaktere aufbaut und festigt. In Twelve Minutes funktioniert das jedoch zu keinem Zeitpunkt. Bereits nach dem erste hölzernen Dialog der Eheleute, glaube ich ihnen nicht (mehr), dass sie eine Geschichte haben und glaubwürdig sind.
Doch das erste Gespräch fand erst nach dem eingangs erwähnten Augenrollen statt. Das erntete die Steuerung. Twelve Minutes drückt mir auf der Xbox eine indirekte Point-and-Click-Steuerung auf, und ich kann diese Mausübersetzung bei Konsolenspielen nicht ertragen. In Verbindung mit der ersten Dialogenttäuschung war mir klar: Das wird nichts mit uns. Hinterher ist man immer schlauer, aber ich hätte es ahnen können. Die Zeichen waren da. Kurz vor Release war es vor allem der Cast, der plötzlich überall mit kleinen Zitatschnipseln aufploppte. Wenn der Fokus der Kommunikationskampagne des Spiels auf den namhaften Sprecher*innen liegt und diese sich in Interviews mit ihren irren Gaming-Anektdoten anbiedern – kein gutes Zeichen.
James McAvoy, Daisy Ridley und vor allem Willem Dafoe sind gute Schauspieler*innen. Doch diesem Spiel verleihen sie nichts Besonderes. Emotionale Momente klingen aufgesagt und sind nie mitreißend. Das liegt vor allem an der Regie und den Dialogen selbst. Denn gerade nach einigen Loop-Durchgängen, wenn die Handlung immer hanebüchener wird, tragen die Sprecher*innen das überhaupt nicht mehr. Eskaliert man Streitgespräche zu einem Thema und schneidet danach ein anderes an, ergibt sich häufig ein krasser Bruch in Ton und Stimmung. Bei einem zeit- und räumlich limitierten Spielerlebnis wie in Twelve Minutes fallen diese Unregelmäßigkeiten viel stärker ins Gewicht. Alles wiederholt sich ständig. Vermutlich hätte es schon geholfen, wenn man weniger bekannte Sprecher*innen für einen längeren Zeitraum engagiert hätte, dieselben Sätze für unterschiedliche Loops und verschiedene Stimmungen mit anderer Betonung eingesprochen hätten.
Hinzu kommen spielmechanische Ungereimtheiten und Fälle von Videospiellogik, die ich in ihrer Plumpheit nicht erwartete. Twelve Minutes ist ein überraschend banales Point-&-Click-Adventure, das von Spieler*innen immer wieder ganz bestimmte Tätigkeitsabfolgen, zeitsensitive Aktionen oder Dialoge erwartet, damit es überhaupt weitergeht. Dabei muss ich mir ständig dieselben Gesprächsfetzen anhören, andauernd läuft mir die Zeit davon oder ich verstehe nicht, was genau ich wann einsetzen soll. Das alles wäre dann kein Problem, wenn das Spiel mechanisch Spaß machen oder erzählerisch belohnend wäre. Beides leistet Twelve Minutes nicht.
Zu viel gewollt, zu wenig gekonnt. Twelve Minutes ist eine persönliche Enttäuschung in einem Spielejahr, an das ich kaum Erwartungen stellte. Darüber täuschen auch nicht die Namen bekannter Schauspieler*innen hinweg. Spielmechanisch war der Titel ein durchgehendes Ärgernis, das lediglich von der kolossalen Blödheit des finalen Twists übertrumpft wurde.
Bereits erschienen.
Originaltitel: Twelve Minutes
Plattformen: PC, Xbox Series X/S
Entwickler: Luis Antonio
Veröffentlicht von: Annapurna Interactive