Insekten essen
Insektenlarven als Fleischersatz – für Hunde & Katzen

Bild: Dennis Kress; Quelle: wikipedia
Bühler baut industrielle Insektenanlage für Agronutris in Frankreich
So war die Medienmitteilung überschrieben, die der Anlagebauer Bühler AG mit Hauptsitz in Uzwil (SG) heute am 16. Dezember 2021 vermutlich in die ganze Welt versendet hat. Oft sind solche Medienmeldung ja nicht viel mehr als PR und daher selten Ausgangspunkt für einen Artikel, der mehr ist als ein Lückenfüller (und solche gibt es ja bei Nahaufnahmen bekanntlich gar nicht).
Doch hier war das Interesse geweckt, natürlich durch das Wort „Insektenanlage“. Das ist tatsächlich das, wonach es tönt: Eine Fabrik, in welcher Insekten gezüchtet und verarbeitet werden. Eine solche Produktionsstätte baut derzeit die Firma Agronutris in Frankreich auf. Unter anderem sollen dort Fliegenlarven gezüchtet werden.
Genauer gesagt handelt es sich um die Larven von Hermetia illucens, eines Insekts mit dem Englischen Namen black soldier fly. Auf deutsch hatte das Tier noch keinen Namen und deshalb heisst es nun (wörtlich übersetzt) einfach Schwarze Soldatenfliege. Ursprünglich stammt das Tier aus dem tropischen Südamerika, ist aber heute weltweit anzutreffen. Im Jahr 1989 wurden die Fliegen erstmals in der Schweiz beobachtet.
Futter für Kois und Echsen
Dass die Insektenart sich über den Globus verbreitet hat, liegt unter anderem auch daran, dass die Larven der Fliegen bereits seit geraumer Zeit als Tierfutter verwendet werden und wohl hie und da den Weg in die Freiheit fanden. Wer die Fliegenarven in einem Tierfutter-Geschäft beziehen möchte, wird schnell fündig. Geeignet sind sie zum Beispiel für Koi-Fische, Reptilien oder Vögel. Denn nahrhaft sind die Larven allemal: rund je 12% Protein und Fett enthalten sie, sowie reichlich Calcium und Phosphor.
Alles in allem ein Leckerbissen. Auch wenn sie sich von allem ernähren, was wir nicht mehr essen würden. Als sogenannte Saprophagen fressen sie alles was sich zersetzt, sie fühlen sich auf dem Kompost also äusserst wohl. Die Absicht von Agronutris ist es denn auch, solche landwirtschaftlichen und Lebensmittel-Abfälle als (Nahrungs-) Grundlage der Larvenzucht zu verwenden.
Doch für ein paar Hobby-Tierhalter lohnt sich die Produktion im grossen Stil natürlich nicht. Vorgesehen ist vielmehr, dass die Larven zu Futtermitteln für alle möglichen Haus- und Nutztiere weiterverarbeitet werden. Erste Versuche als Hundefutter zum Beispiel sind erfolgreich verlaufen.
Klimafreundliche Hunde
Der Grund, warum Hunde nun die Larven der Schwarzen Soldatenfliege fressen sollten: Der Klimawandel. Denn ein Hund frisst Fleisch und dessen Produktion verursacht grosse Mengen Treibhausgase. Gemäss einer Studie von Forschern an der Technischen Universität Berlin von 2020 ist ein Hund von 15 kg verantwortlich für 630 kg CO2. Das entspricht einem Flug von Zürich nach Lissabon und zurück. Damit Luna und Balu klimafreundlicher werden, sollten Halter also auf dem Hundefuttersack nach Hermetia illucens Ausschau halten.
Doch Hundefutter ist bei weitem nicht die einzige Anwendung. Nicht dass wir demnächst beherzt in eine Schale mit „Maden“ greifen um zuzubeissen. Aber in der Fischzucht ist der Einsatz von Larven der Schwarzen Soldatenfliege womöglich die Zukunft. Zwar ist die Zucht in Aquakulturen für die Umwelt oft ein Desaster. Räucherlachs erhielt in einer Untersuchung der Beratungsfirma ESU-services die allerschlechteste Umweltbilanz aller geprüften Lebensmittel.
Larven als Fischfutter
Aber vielleicht lässt sich diese Bilanz dank Hermetia illucens ja etwas aufpolieren. Denn nach wie vor sind Raubfische wie Lachs oder Forelle auf tierisches Futter angewiesen. Lachse fressen zwar auch pflanzliches Futter, aber eben auch Sardinen und Heringe. Ein Teil davon stammt aus der Fischerei, die ja nicht gerade bekannt wäre für nachhaltigen Umgang mit natürliche Ressourcen.
Ob es Agronutris tatsächlich auch um diese Ökobilanz geht, ist schwer zu sagen. Nachhaltigkeits-Versprechen sind schnell auf eine Firmenwebsite geschrieben: Die Mission sei „La bioconversion* pour nourrir et préserver durablement le monde“. Man hofft auf Ehrlichkeit.
Doch eine Wohltätigkeitsorganisation ist die Firma nicht. Irgendwie müssen die grossen Investitionen wieder hereingeholt werden. Agronutris investiert rund 100 Millionen Euro in den Aufbau dieser und weiterer Produktionsanlagen. Neben der Schwarzen Soldatenfliege sollen zwei weitere Insekten gezüchtet werden: Mehlkäfer und Kurzflügelgrille.
Geld verdienen will die Firma nicht nur mit dem Larvenmehl dieser Insekten, sondern einer Reihe weiterer Produkte. Während das Mehl vor allem das Protein aus den Larven enthält, will Agronutris auch den öligen Anteil als Tierfutter vermarkten.

(Text und Bild: Bühler AG)
Nicht zu unrecht verweist die Firma auf den Import gigantischer Mengen Soja aus Ländern, wo für dessen Anbau Regenwälder abgeholzt wurden. Wenn Insektenlarven den Regenwald retten würden, wäre das zwar ein netter Nebeneffekt – eine andere Möglichkeit wäre wohl, weniger Fleisch zu essen.
Kreislaufwirtschaft
Der Kot der Larven mit Phosphor, Stickstoff und Kalium soll als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Dünger, der sonst mit viel Energieaufwand produziert werden müsste.
Alles in allem interessante Ideen. Auf eine genauere Umwelt- und Klimabilanz darf man gespannt sein. Vielversprechend ist, dass landwirtschaftliche Abfälle wieder verwendet werden können und sämtliche Bestandteile der Larve zu sinnvollen Produkten verwertet werden.
Das Unternehmen orientiert sich erfreulicherweise an der Kreislaufwirtschaft. Doch dass nichts mehr weggeworfen werden muss und man alles wieder verwerten kann, ist heute eigentlich nicht nur „optional“ sondern im Angesicht von Ressourcenknappheit und Klimakrise schlicht notwendig.
*Biokonversion (Definition Wikipedia)
Als Biokonversion (altgr. βίος bíos „Leben“ und lat. conversio „Umwendung“, „Umkehr“) bezeichnet man die Umwandlung, meist von organischen Verbindungen (Biomasse), in energetisch oder stofflich nutzbare Produkte.
Links
Ökobilanz eines Hundes (TU Berlin)
Hundefutter mit Larven von Hermetia illucens