„Einmal ‚Culture‘, bitte!“

Ein Gespräch mit dem Spieleforscher Vlad Cotuna

Es vergeht gefühlt keine Woche, in der man nicht verzückt über ein weiteres spannendes Projekt aus der Spielekultur stolpert – die Geschichten dahinter haben es uns angetan und wir erzählen sie gerne: Diesmal ist der Historiker und Spieleforscher Vlad Cotuna zu Gast.

Rudolf Inderst (RI): Lieber Vlad, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, um über Deine Projekte aus der Spielkultur mit uns zu sprechen. Bevor wir auf diese zu sprechen kommen, wäre es schön, wenn Du Dich unseren Leser:innen vorstellen könntest.

Vlad Cotuna (VC): Hallo, liebe Leser:innen von Nahaufnahmen.ch, hallo lieber Rudolf und zuerst einmal danke für diese Gelegenheit über mein Vorhaben sprechen zu dürfen. Mein Name ist Vlad Cotuna, ich studiere aktuell Geschichte im Master an der Paris Lodron Universität Salzburg und betreibe nebensächlich ein größeres „mammutartiges“ Hobbyprojekt namens Culture On Demand, das auf mehreren Plattformen aufrufbar ist. Primär aber ist es ein Podcast, das sich nach und nach auch auf visueller Ebene weiterentwickeln soll.

RI: Sprechen wir doch ein wenig über Deinen Podcast Culture On Demand. An wen richtet der sich in erster Linie, was erwartet geneigte Hörer:innen und natürlich: Wenn Du eine einzige Episode herausgreifen könntest, auf die Du ganz besonders empfehlen möchtest, welche wäre das? 

VC: Ganz salopp formuliert richtet er sich an die geschichtsinteressierte Masse, die schon immer mal Einblicke in mögliche wissenschaftliche Fragestellungen, Forschungsschwerpunkte und Analyse-Methoden am Beispiel von ausgewählten Thematiken anhand des Mediums Videospiel in der Forschungsrichtung der Games Studies bekommen wollten. Müsste ich diese Gruppen näher definieren, dann vor allem an Spieler:innen, Geschichtsliebhaber:innen, Hobbyhistoriker:innen und generell alle die sich gerne für popkulturelle Themen in der Medienlandschaft interessieren. Willkommen ist aber jede und jeder! Und es muss auch noch angemerkt werden, dass es auch sogenannte „Special Culture Sessions“ gibt, ergo Episoden, die sich mit der Kultur im Allgemeinen auseinandersetzt angefangen von Musik, Tanz bis beispielsweise Ahnenforschung. Wichtig war mir, somit auch ein bisschen Abwechslung in dieses Format zu bringen.

Vielleicht aber noch zurück zur Perspektive der Games Studies, die sehr intensiv in den Episoden gemeinsam mit ausgewählten Expert:innen des Faches angegangen werden. Ziel des Podcasts ist es sich somit primär mit der medialen Vermittlung von Geschichte und historischen Prozessen speziell in Videospielen, die in einem historischen bedingten Setting stattfinden, zu fokussieren. In jeder Session werden mit eingeladenen Expert:innen verschiedene Aspekte beleuchtet, die in den obigen Medien gezeigt, aber öfters in der Wahrnehmung der Konsumenten marginalisiert und unreflektiert stehen gelassen werden.

Konkret geht es mir darum die darin vorkommenden historischen Inhalte der breiteren, geschichtsinteressierten Masse kritisch zu vermitteln und diese ebenso dazu zu animieren kritisch zu denken. Dabei ist es mir wichtig auf „didaktische Ambivalenz“ zu setzen, also nicht nur der Experte und ich belehren die Zuhörer:innen, sondern wir lernen alle gemeinsam miteinander. Die Expert:innen lernen über Games Studies, da die meisten von ihnen wenig darin belaufen sind, ich vertiefe meine Expertise als Mediävist, erweitere mein Allgemeinwissen und meine Kompetenzbereiche als Moderator und die Zuhörer:innen erhalten neben einem Input auch einen Spürsinn, mediale Informationen kritisch zu filtern sowie zu hinterfragen. 

Eine Episode, die diese Vorgehensweise erfüllt hat und zeigt, dass der Podcast definitiv in die richtige Richtung geht, ist die über die Frauenrolle im Mittelalter am Beispiel des Videospiels Kingdom Come: Deliverance. Es besteht aber wie gesagt noch genug Luft nach oben und ich strebe danach mich mit jeder Episode sowohl technisch als auch inhaltlich weiterzuentwickeln.

RI: Man munkelt, Du beschäftigst Dich ebenso mit Mittelalterbildern in digitalen Spielen. Vielleicht magst Du uns zu dieser epochalen Darstellung und Verhandlung noch ein wenig erzählen?  

VC: Das ist richtig, obwohl nicht unbedingt ausschließlich. In meiner früheren Bachelorarbeit in Musik – und Tanzwissenschaften habe ich mich auch mit der Repräsentation des alten Ägyptens in Assassins Creed Origins beschäftigt, was mir enorm weitergeholfen hat und mir viele, weitere Forschungsperspektiven von der Methodik und der Art zu forschen an sich eröffnet hat. Ich möchte jetzt somit mit meiner Passionsepoche, also das europäische Mittelalter, weitermachen und mich auf die vorkommenden, teilweise stereotypisierenden sowie politischen Bilder in Kingdom Come: Deliverance konzentrieren.

Zum popularisierten Mittelalter und dessen medial produzierten Bilder möchte ich mich kurzhalten, um nicht dieses Interviewformat zu sprengen, da es vielerlei Punkte gibt, die angesprochen werden müssen. Prinzipiell wird in Spielen mit einer mittelalterlichen Kulisse und vor allem in solchen, die von sich hergeben „authentisch“ zu sein, ein romantisierendes Wunschdenken sowie problematische, epochale Stereotype gepaart mit ideellem politischem Gedankengut zementiert. Diese Darstellungen werden im Spiel demnach so stark durch die Augen oder besser gesagt durch die eigenen mittelalterlichen Vorstellungswelten der Entwickler:innen (un-)bewusst geformt, sodass eigentlich ein alternatives Mittelalter auf die Beine gestellt wird, das wenig mit der historischen Epoche am Hut hat.

Ich muss es sowieso nochmals betonen: Man kann weder eine gesamte Epoche noch beispielsweise ein Leben im mittelalterlichen Böhmen komplett rekonstruieren, sondern vielleicht nur einen kleinen prozentuellen Bruchteil in Form einer Momentaufnahme. Warum spielt das die Majorität dennoch? Nun ja, die eine Gruppe möchte ja nur in Ruhe daddeln, ohne auf die entfremdenden Kumanen, die als monströse, ausländische Kreaturen dargestellt werden, oder auf den anfangs starken Charakter der Theresa zu achten, die, nachdem man mit ihr Geschlechtsverkehr hatte, komplett verblasst und nicht mehr als wichtig erscheint. Die andere Gruppe, die sich ein wenig mehr für die Historizität interessiert, wird auf visueller Ebene von der Authentizität durch „historisch korrekt“ im Spiel nachgebaute Gebäude, die näher betrachtet an den heutigen architektonischen Zuständen dieser Gebäude nachgebaut wurden wie bspw. das Kloster Sasau in KCD, überzeugt. Zudem setzt man auf den visuellen Wiedererkennungswert, der ausschlaggebend ist.

Ich darf hier abschließend noch die Historikerin Angela Schwarz zitieren, die das ganz schön formuliert: „Games in historical settings count on this factor of recognition. Foreknowledge of certain looks and sounds attributed to a particular past reality is a precondition when audiovisuals are to spark a feeling of familiarity. This, in turn, lays the foundation for the semblance of historical authenticity. The visual or acoustic references do not even have to accurately mirror the historical precursor on which it is modelled. Often vague allusions suffice to tinge something with a historical hue.“*

RI: Vielen Dank für das Gespräch! 

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Und wer sich gleich ein eigenes Bild machen möchte, dem sei hier der Twitterlink zum Podcast hinterlegt: https://twitter.com/culture_demand.  Noch mehr Infos findet Ihr hier: inktr.ee/cultureondemand !

*Angela Schwarz, History in Video Games and the Craze for the Authentic, in: Martin Lorber/Felix Zimmermann, History in Games: Contingencies of an Authentic Past, Bielefeld 2020, 121.

 





Rudolf Inderst

*1978 in München. Lebte in (und ♥️) Kopenhagen. Er leitet mit Norman Volkmann das Ressort "Digitale Spiele" hier bei Nahaufnahmen. Liebt Genrefilmkost, Hörspiele und Podcasts. Spielt Videospiele seit etwa 40 Jahren. Lehrt als Professor für Game Design an der IU Internationale Hochschule. Einmal pro Woche bringt er den Newsletter DiGRA D-A-CH Game Studies Watchlist heraus.

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