Didaktisches im Dialog

Im Gespräch mit Andreas Schöffmann

Buchcover Digitale Spiele aus deutschdidaktischer Perspektive

In Digitale Spiele aus deutschdidaktischer Perspektive möchte Autor Andreas Schöffmann zeigen, „was das Fach Deutsch aus seiner spezifischen Perspektive beitragen kann, um Heranwachsenden Bildungsmomente beim Spielen am Computer zu ermöglichen.“ So zumindest die Verlagsankündigung – für uns wiederum ein Grund, diesem Vorhaben in einem Gespräch im Folgenden nachzuspüren.

Rudolf Inderst (RI): Lieber Andreas, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, um über Dein neues Buch mit uns zu sprechen. Bevor wir auf den Titel zu sprechen kommen, wäre es schön, wenn Du Dich bitte unseren Leser:innen vorstellen könntest.

Andreas Schöffmann (AS): Und wieder ein Moment, in dem Schönherr-Mann ein guter Nachname wäre… aber sei es drum: Danke für Deine Interviewanfrage, lieber Rudolf! Zur schönen Vorstellung: Ich habe Deutsch, Geschichte, Philosophie und Medienpädagogik auf Lehramt studiert sowie einen Magister- und einen Doktorabschluss draufgesetzt. Spannend ist das eigentlich nur deshalb, weil ich mich in diesem Rahmen lange Zeit mit digitalen Spielen als Bildungsmedien auseinandergesetzt und in der Redaktion bei Paidia – Zeitschrift für Computerspielforschung mitgemischt habe.

RI: In der Einleitung legst Du die Hypothese Deiner Arbeit dar; sie lautet, „dass das Fach Deutsch als medienkulturwissenschaftliches Fach einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung Heranwachsender mit digitalen Spielen als kulturelle Gegenstände leisten kann.“ Könntest Du uns bitte ein wenig an die Hand nehmen und durch diese Leitthese sowie deren Implikation für den konkreten Unterricht vor Ort führen?

AS: Die Frage habe ich wohl provoziert. Insofern danke dafür! Bevor ich sie beantworte, schicke ich mal ein kleine Metabemerkung zur zitierte These vor: Kann-Hypothesen sind normalerweise vollkommener Unfug. Schließlich ‚kann‘ vieles sein und griffige Aussagen lassen sich daraus kaum ableiten. In meinem Fall ist das etwas anders…

Der Deutschunterricht ist der Ort an dem Heranwachsende lernen können, Unterhaltungsmedien für sich zu nutzen; sei es als Zeitvertreib, Gesprächsanlass oder als kultureller Spiegel, in dem sie sich selbst besser verstehen können. Diese und viele andere Formen entwicklungsförderlicher Auseinandersetzungen mit Medien sind in die Fachtradition eingeschrieben und machen die spezifische Perspektive des Deutschunterrichts so wertvoll. In Bezug auf Theater und Literatur gelingt das versierten Deutschlehrer:innen recht gut. Und nach über 100 Jahren ist mittlerweile auch das Medium Film kein Lückenbüßer bis zum Ferienanfang mehr. Für mich war es nicht nachvollziehbar, warum vorhandene Ansätze nicht auch auf ein für mich subjektiv bedeutsames Medium übertragen wird. Ich wollte also herausfinden – und da kommen wir zum ersten ‚kann‘ – auf welche Weise digitale Spiele in den Unterricht eingebunden werden müssen, damit Heranwachsende lernen das ganze entwicklungsförderliche Potential für sich nutzen können.

Kann-Hypothesen sind normalerweise vollkommener Unfug.

Aber kann – zum Zweiten – der Deutschunterricht diese Herangehensweise für jedes Medium und im Speziellen für Computerspiele bieten? Dafür musste ich herausfinden, welche Ansätze die Deutschdidaktik in Bezug zur Literatur und zum Theater kennt und wie sich die Deutschdidaktik mit Computerspielen bisher auseinandergesetzt hat. Durch die Moralpanik im Kontext der „Spielhöllen- und Killerspieldebatte“ sehen sich Lehrende neben der Frage der konkreten Herangehensweise und der dafür nötigen Kompetenzen auch weiterhin mit Abwehrhaltungen und Vorurteilen gegenüber Computerspiel-Nutzungen konfrontiert. Daher wollte ich in einem ersten Kapitel einer sich empörenden Frage „wie kann man nur Computerspiele in die Schule bringen“ eine wissenschaftlich-fundierte Antwort entgegensetzen. Das dritte ‚kann‘ bezieht sich also auf Wertediskurse und einen stattfindenden Wertewandel.

Das war aber jetzt erst die erste Hälfte Deiner Frage, richtig?

An der grundsätzlichen Perspektive des Deutschunterrichts und dem „konkreten Unterricht vor Ort“ ändert sich damit nicht viel. Die vorhandenen Ansätze werden eher bestätigt: Das Ermöglichen eines subjektiven Zugangs, die unterschiedliche Bedeutung von Erst- und Zweit-‚Lektüre‘, Sprechen und Schreiben als Erkenntniswerkzeuge in Auseinandersetzung mit dem Gegenstand usw. Was sich meiner Ansicht nach deutlich zeigt, ist, dass gerade bei solch komplexen Medien wie digitalen Spielen projekt- und problemorientierte Lehransätze zielführender sind als frontale und entwickelnde Gespräche und dass noch bewusster verstanden werden muss, dass schulische Impulse auf eine Bereicherung der informellen Bildungszeit, also der ‚Frei-Zeit‘ der Heranwachsenden zielt und keine Selbstzwecke sind.

Portrait Interviewpartner

RI: Erst vor Kurzem habe ich mich in einem der letzten Interviews hier bei uns über den konkreten Punkt „Spielanalyse“ unterhalten. Dieser Punkt spielt auch in Deiner Untersuchung eine wichtige Rolle und wird unter „Herleitung eines Analyseansatzes“ zusammengefasst. Jener scheint mir – breiter gesprochen – angesichts der vorherrschenden Methodenvielfalt innerhalb der Game Studies auch ein relevanter. Vielleicht magst Du uns dazu noch ein, zwei Überlegungen mitgeben.

AS: Da hab‘ ich tatsächlich erst durch die Auseinandersetzung mit der Methodenvielfalt in den Game Studies so richtig verstanden, dass sich die Gegenstände durch die Beobachtungsperspektive verändern. Wenn ich zwei Überlegungen mitgeben darf, dann folgende:

  1. Vor allem die Perspektive ‚wertvolles Bildungsmedium‘ verändert auch die Auseinandersetzung Heranwachsender mit diesen Freizeitmedien, weg von einer krankmachenden Stigmatisierung, hin zu bewusstem und auch bewusst-rauschhaftem Spielen, das entwicklungsförderlich wirken kann.

  2. Die Perspektive des Deutschunterrichts zielt auf einen kompetenten und ‚gebildeten‘ Umgang Heranwachsender mit Medien. Sie unterscheidet sich damit von anderen Analyse-Ansätzen auch wenn sie sie mit einbeziehen.

Das ist der Grund, warum der von mir hergeleitete Herausforderungs-Analyseansatz Anknüpfungspunkte zu Analyse-Ansätzen der Erzähl-, Spiel- sowie Simulationstheorie schafft und darüber hinaus Potentiale für diagnostische Beobachtungen, für die Kompetenzförderung, die Identitätsentwicklung sowie die Werte-Erziehung hat.

RI: Vielen Dank für das Gespräch!

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Wenn Sie mehr über unseren Gesprächspartner Andreas Schöffmann herausfinden wollen, empfehlen wir seine Homepage oder folgen ihm auf Twitter bzw. Mastodon.





Rudolf Inderst

*1978 in München. Lebte in Kopenhagen und verliebte sich. Doppelt promoviert, übernimmt er Verantwortung als Ressortleiter für digitale Spiele hier bei nahaufnahmen.ch. Liebt Stanislaw Lem, Hörspiele und Podcasts. Spielt Videospiele seit etwa 40 Jahren. Lehrt als Professor für Game Design mit dem Schwerpunkt Game Studies / Spielanalyse / Game Business an der IU und krault sich gerne seinen Bart.

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