NBA 2K23

Fuffies für die Lootbox

Cover-Athlet Devin Booker

Basketball ist wieder sexy? Nach dem Erfolg der deutschen Nationalmannschaft bei der heimischen Basketball-EM mit Quotenrekorden und vollen Stadien könnte man dem Hype fast glauben. Bleibt zu hoffen, dass sich Fans lieber Tickets für die BBL oder den League Pass kaufen, als Geld für die Lootboxen bei NBA 2K23 zu zahlen. NORMAN VOLKMANN schnürte seine alten Sneaker und versuchte, sich nicht von blinkenden Lichtern und hohlen Versprechen von Schätzen ablenken zu lassen.

“Be Legendary” steht auf dem Schuh des diesjährigen Cover-Athleten Devin Booker. Lakers-Legende Kobe Bryant schrieb das mal auf ein Paar seiner Nikes, die er Booker nach einem Spiel schenkte. Dieser hat inzwischen nicht nur ein Tattoo davon, sondern auch eine gleichnamige Dokumentation über sich. Durch den überraschenden Unfalltod von Bryant 2020 wiegt ein solches Motto, das auch von dauergrinsenden Fitness-Coaches auf Instagram oder Investment-Influencern stammen könnte, schwerer. 

Es zeigt zudem, wie die heutige NBA funktioniert: Alles hat Bedeutung, alles definiert oder motiviert, wird in ein Narrativ gedrängt. Jeder arbeitet an seinem “Legacy”, Spieler sind Brands, Influencer und Experten. Sie stehen dabei unter Dauerbeobachtung. Entfolgt ein Spieler seinem Team auf Instagram, brodelt die Trade-Gerüchteküche. Kevin Durant machte vor ein paar Jahren Schlagzeilen, als publik wurde, dass er sich mit Burner-Accounts auf Twitter gegen kritische Stimmen verteidigte. Wer Superstar in der NBA ist, darf nicht mehr langweilig sein – Kawhi Leonard ist hier die einzige Ausnahme. Er ist vermutlich der einzige NBA-Spieler, der durch ein Lachen in einer Pressekonferenz viral ging. Ansonsten dreht sich vieles abseits des Felds um Einfluss, Mode oder Geld 

Mit dem Wissen im Hinterkopf ergibt NBA 2K23 viel mehr Sinn. Als ich im MyCareer-Modus plötzlich Modefragen von zwei Figuren beantworten musste, damit diese mir irgendwelche Sneaker anfertigten, glaubte ich kurz, das falsche Spiel gestartet zu haben. Aber nein, die toten Augen meines Spieler-Avatars blickten mich verdutzt an. Es war auf jeden Fall NBA 2K23 

Screenshot der offenen Spielwelt in NBA 2K23
Eine offene Spielwelt im Sportspiel – das muss man einfach lieben!

Doch besonders die ersten Stunden des Karrieremodus sind in diesem Jahr überraschend gut: 2K verzichtet auf große Namen hinter oder vor der Kamera und die ganz plumpe Sportromanze. Stattdessen liefert sich mein Spieler Wortgefechte mit seinem Management- und Marketing-Team, seinem Erzrivalen und ehemaligen Spielern (Mittelfinger gehen raus an Kendrick Perkins). Erstmals klingen Nebenfiguren, als hätten die Autor*innen wirklich schon mal menschlichen Konversationen gelauscht.  

Trotz der schlimmen Uncanny-Valley-Wachsgesichter klingen die Figuren lebendig. Dialoge sind dynamisch und die präsentierten Probleme einigermaßen realistisch: Die Fanbase des Teams wollte einen anderen Spieler draften und die NBA-Medienlandschaft überschlägt sich mit blödsinnigen Takes. Wäre das alles, ich würde wahrscheinlich zu viele Stunden meines Tages damit verbringen, die Karriere meines Spielers voranzutreiben.  

Doch NBA 2K will auch verkaufen. Wer das Spiel hat, der hat vor allem Zugang zu zahlreichen virtuellen Marktplätzen: Hoodies, Sneakers, Trikots, Sonnenbrillen, Hüte, Fahrräder, Tattoos. Inzwischen sind die Kollaborationen mit den Marken schon eigene Pressemitteilungen wert. Jede Woche neue Angebote, jede Woche neue Produkte. Wer die Stadt von sich überzeugen will, muss Stadtteile einnehmen. Wofür man bei GTA früher die Uzi rausholte, reichen bei NBA 2K die neuesten Nike-Sneaker auf dem Catwalk. 

Da der Karrieremodus inzwischen auch eng mit dem Onlinemodus des Spiels verknüpft ist, versucht man, Druck aufzubauen. Gegner plätten gut und schön, aber wie schön könnte das sein, wenn man es in den Sneakern oder mit dem Hoodie tut, den man sich im realen Leben nie leisten könnte? Dieser Teil des Spiels ist so zentral, dass es mit jedem Jahr schwerer wird, ihn einfach zu ignorieren.  

Michael Jordan steht dribbelnd vor Gary Payton
Michael Jordan muss auch wieder ran. Zwölf Jahre nach den ersten Jordan-Challenges gibt es nun neue.

Gleiches gilt für MyTeam, das Äquivalent zu FIFAs Ultimate Team. Jede Woche neue Angebote, legendäre Spieler aus Zufallspaketen, die aber immer die gleichen Spieler ausspucken und seltene Karten mit einer Wahrscheinlichkeit von unter zwei Prozent quasi unerreichbar machen. Auch die Grindschrauben werden jedes Jahr angezogen. Gerade im Vergleich zum letzten Jahr sind die Aufgaben, mit denen man Erfahrungspunkte sammelt und somit kostenlose Belohnungen freischaltet, deutlich knackiger und zeitintensiver geworden.  

Nicht zynisch zu werden ist somit die größte Challenge geworden. Ich liebe den Sport und auch die Spielmechanik der Reihe enttäuscht nie – im Gegenteil. Doch dass man für einen Vollpreistitel eigentlich einen Adblocker bräuchte, frustriert mich. Die Preise, die für die Lootboxes aufgerufen werden, frustrieren mich. Dass ich mit Glücksrädern oder anderen Zufallsspielchen belohnt werde, frustriert mich. Dass das Geschäft offensichtlich so gut läuft, dass die Auswirkungen auf das Spiel jedes Jahr frecher werden, frustriert mich jedoch am meisten. Ich kann den Titel niemandem guten Gewissens empfehlen, und es ist das erste mal seit über einer Dekade, dass ich NBA 2K innerhalb von vier Wochen wieder deinstalliert habe.  

Bereits erschienen. 

Originaltitel: NBA 2K22 

Plattformen: PC, Xbox Series X/S, PlayStation 4/5 

Entwickler: Visual Concepts 

Veröffentlicht von: 2K Games 





Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert