Analog. Digital. Informativ.

Im Gespräch mit Toni Janosch Krause

 

Im Verlag Werner Hülsbusch ist soeben Analoges Spiel im digitalen Zeitalter. Das Brettspiel zwischen Wohnzimmertisch und YouTube erschienen, was uns dazu brachte, unsere Tabletop-Runde für einen Moment zu verlassen, um das Gespräch mit Autor Toni Janosch Krause zu suchen. 

Rudolf Inderst (RI): Lieber Herr Krause, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um über Ihr neues Buch mit uns zu sprechen. Bevor wir auf den Titel zu sprechen kommen, wäre es schön, wenn Sie sich unseren Leser:innen vorstellen könnten.  

Toni Janosch Krause (TJK): Gern! Ich habe in Graz studiert und bin Kulturanthropologe, bzw. empirischer Kulturwissenschaftler mit einem Schwerpunkt in der Forschung zur analogen Spielekultur. Aktuell bin ich Sammlungsleiter für Spielkarten im Schloss- und Spielkartenmuseum in Altenburg. Daneben bin ich Mitglied des Wissenschafts-Kollektivs Boardgame Historian

RI: In Ihrer Einleitung machen Sie deutlich klar, was Sie nicht vorhaben – u.a. „keine Antwort darauf [zu] geben, warum der Mensch im Allgemeinen spielt oder was die Motivationen einzelner Spieler*innen sind – und was sie vorhaben. So heißt es bei Ihnen: „Vielmehr möchte ich mich den Praktiken der Menschen und der Wirkung bzw. dem Stellenwert von Brettspielen auf uns in ihrem Leben widmen.“ Vielleicht möchten Sie einmal darstellen, wie sich Ihr Forschungsinteresse rund um das Kulturphänomen entwickelt hat und warum Sie es schließlich dergestalt in Ihrem Buch Analoges Spiel im digitalen Zeitalter gerahmt haben. 

TJK: Als ich mit der Forschung anfing, gab es noch sehr wenig Arbeiten zum analogen Spiel im allgemeinen und Brettspiel im Speziellen. Das hat sich in den letzten Jahren, dankbarerweise, sehr verändert. Die Untersuchungen, die es gab, hatten oft die gleichen Perspektiven. Auf der einen Seite wurden die konkreten Gegenstände, also Spiele auf verschiedene Fragestellungen hin untersucht. Auf der anderen Seite wurde oft versucht, die Frage zu ergründen, weshalb wir überhaupt spielen. Als Kulturanthropologe bin ich aber von einer anderen Richtung an das Thema herangegangen. Dass wir spielen, ist ja ein Fakt. Für mich stellte sich also die Frage nach dem „Wie“. Damit meine ich nicht, wie wir Figuren über das Brett schieben, oder wie wir unsere Karten halten, sondern, wie sieht diese Alltagskultur des Spielens eigentlich aus? Diese Frage wurde dann noch konkreter, als sich die Digitalisierung recht früh im Forschungsprozess als Kontrastfolie auftat. Daraus ergab sich dann meine Perspektive zu untersuchen, wie dieses analoge Phänomen sich in einer zunehmend digitalisierten Welt eigentlich präsentiert. 


RI: Die letzten Jahre zeigen – und das ist in meinen Augen ein Gewinn – zunehmende Berührungspunkte zwischen den Forschenden an digitalen wie analogen Spielen. Man könnte hier in etwa auf die Zusammenarbeit des Arbeitskreises Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele * und den Kolleg:innen der Boardgame Historians verweisen. Auch eine einsetzende Hybridisierung der Spiel-Formate in der Produktion ist beobachtbar. Wie positionieren Sie sich hierzu?    

TJK: Eigentlich müsste ich wohl sagen, ich habe zwei Positionen. In der einen Position versuche ich, genau diese Debatte mit einem wissenschaftlichen Blick von außen zu beobachten, weil ich sie als Teil genau des Diskurses sehe, der sehr bezeichnend für die Positionierung des analogen Spiels in einer digitalisierten Welt ist. Es lässt sich beobachten, dass die Akteure des analogen Spiels sich oft (bewusst, oder unbewusst) von digitalen Medien, vor allem auch dem digitalen Spiel, abgrenzen. Dieses Phänomen macht auch vor unserer Wissenschaftsbubble nicht halt. Das ist für mich spannend zu beobachten. Auf der anderen Seite bin ich ja genau Teil dieser Wissenschaftscommunity und in dieser Position freue ich mich über die Schnittpunkte. Ich bin der Ansicht, dass obwohl sich analoge und digitale Spielmedien sich zwar unterscheiden, die Gemeinsamkeiten deutlich überwiegen.  

RI: In Ihrem Ausblick nehmen Sie die Idee des Neoliberalismus aufs Korn, indem sie sein vermeintliches Verhältnis zum Spiel beschreiben. Ich möchte ganz ketzerisch an dieser Stelle als Ausklang fragen, ob es ist nicht gerade eben dieser Neoliberalismus ist, der ganz genau verstanden hat, sich das Spielerische einzuverleiben. Nicht nur liest man von fragwürdigen Produktionsparadigmen (Herstellung von Hardware, Arbeitsbedingungen in Entwickler:innen-Studios), sondern auch das Buzzwort der „Gamification“, also das Übertragen von Spielmechaniken auf extraludische Kontexte, hat doch eine ziemlich fragwürdige Karriere gemacht.   

TJK: Ich stimme Ihnen da absolut zu. Ich glaube, mit diesem Paradox müssen wir leben. Auf der einen Seite werden das Spiel bzw. die Spielmechanismen dazu benutzt, um uns an Produkte zu binden oder uns in unserem Alltag produktiver zu machen, auf der anderen Seite nutzen wir Spiel genau, um diesem Alltag und dieser Mühle für einen Augenblick zu entfliehen. Den Eskapismus, dem sich das Spielen öfter mal als Vorwurf gefallen lassen muss, hat seine Gründe. Wir leben in einer immer komplexer werdenden Welt, in der es keine einfachen Antworten auf die komplexen Fragen unserer Zeit gibt und in der wir die Konsequenzen unseres (teilweise dringend notwendigen) Handelns nicht direkt erleben. Spiele können aber genau das geben. Sie haben oft ein Feedbacksystem, bei dem wir direkt eine Reaktion auf unsere Aktion erleben können. Spiele haben eine abgeschlossene Welt, die ich (in der Regel) komplett erfassen und verstehen kann. Zudem darf ich in diesen Welten etwas, dass draußen in unserer leistungsorientierten Realität oft mit Argwohn betrachtet wird – nämlich scheitern. Deswegen halte ich es für wichtig, dass wir uns damit auseinandersetzen – wie und was wir spielen, erzählt uns etwas über unsere Gesellschaft.

RI: Vielen Dank für das Gespräch!

*Disclaimer: Rudolf Inderst ist Mitglied des Arbeitskreises Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele





Rudolf Inderst

*1978 in München. Lebte in Kopenhagen und verliebte sich. Doppelt promoviert, übernimmt er Verantwortung als Ressortleiter für digitale Spiele hier bei nahaufnahmen.ch. Liebt Stanislaw Lem, Hörspiele und Podcasts. Spielt Videospiele seit etwa 40 Jahren. Lehrt als Professor für Game Design mit dem Schwerpunkt Game Studies / Spielanalyse / Game Business an der IU und krault sich gerne seinen Bart.

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