Bereit? Diesmal mit Gästen!

Unser Jahresrückblick 2022

Traditio delectat und daher kamen aus allen Himmelsrichtungen unsere Autor:innen (plus Special Guests!) zusammen, um über die Spiele, das Spielen und die Spielkulturlandschaft 2022 mit etwas Abstand nachzudenken. Viel Freude und auf ein würdiges 2023.

Oh, ein weiteres Jahr, in dem sich mehr Leute für “aufgepepptes Kreuzworträtselspiel” (#Wordle) als für VR interessieren? Sad! Aber vergessen wir für einen Moment die siebenstellige Summe, die die New York Times für das Spiel im Januar 2022 auf den Tisch legte. Oder den #cockblockmove der U.S. Federal Trade Commission im Dezember bzgl. Microsoft und Activision. Der FIFA war EA übrigens schon vor Katar und Liebesbekundungen für alle Armbinden ein beliebter Lizenzverlust-Dorn im Auge.   

Während Google also Stadia den Hahn zudreht (so wie Comcast dem Relaunch von G4), warten Spieler:innen weiterhin auf den großen Netflix-Aufschlag (denn an Einkäufen und Absichten mangelt es wohl nicht Boss Fight Entertainment und Next Games); worauf Besucher:innen hingegen nicht mehr warten mussten, waren Messen in Präsenz: So öffneten gamescom und Tokyo Game Show ihre Pforten. Danach knallten zwar im Sekundentakt die roten Corona-Warn-App-Botschaften auf die Smartphones, aber nun ja. Jene konnte man natürlich auch ignorieren, wenn gerade damit beschäftigt war, wie die cool kids mit seinem neuen Steam Deck zu spielen (#eigennameohnebindestriche). Wir sprechen also von einer theoretischen Heirat von Handheld und PC. 

Um den schrecklichen und weitreichenden Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine zu begegnen, hatte die Spieleindustrie bereits im April 20 Millionen US-Dollar aktiviert und es ist zu erwarten, dass hier die Zahlen noch einmal gewachsen sein dürften. Mächtig progressiv gaben sich eine Reihe von Spieleherstellern im Juni, als Microsoft, Bethesda, Ubisoft, Devolver Digital, Daybreak Games, Naughty Dog, Insomniac, Electronic Arts u.a. unterstrichen, dass sie es ihren Mitarbeiter:innen ermöglichen würden, gegebenenfalls Reisekosten geltend zu machen, sollten diese für Schwangerschaftsabbrüche in andere Bundesstaaten fahren / fliegen müssen. Dieser Schritt stand plötzlich zur Debatte, denn der Oberste Gerichtshof in Washington hatte das 1973 durch ein Grundsatzurteil im Fall Roe versus Wade bundesweit eingeführte Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekippt. Das überraschte keinen (außer die US-Demokrat:innen – “Waaaas, das ist tatsächlich seit gefühlt 60 Jahren das erklärte Ziel dieser Bande???”). 

In Deutschland meldete der Bundesverband game erleichtert: “Gute Nachrichten für die Games-Branche und den Digitalstandort Deutschland aus dem Deutschen Bundestag: Wie aus der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses öffentlich bekannt wurde, wird die Games-Förderung 2023 auf 70 Millionen Euro aufgestockt. Damit soll der Ende Oktober bekannt gewordene Förderantragsstopp möglichst zeitnah wieder aufgehoben werden.” Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Das Durchschnittsalter der Spielenden steigt auf fast 38 Jahre und sechs von zehn Deutschen spielen regelmäßig digitale Spiele. 

Vielleicht sogar mehr als erleichtert reagiert deutschsprachige Leser:innen auf die Rückkehr der GEE nach neun Jahren Pause. Die erste Ausgabe scheint angesichts der gegen Jahresende erscheinenden zweiten Ausgabe gut angenommen worden zu sein – und weil wir gerade bei Print sind: Auch der Relaunch des GAIN-Magazins ist geglückt. Wir freuen uns für alle Kolleg:innen, die hier blood, sweat and tears versickern ließen. Und so wie es aussieht, scheinen sich auch die WASD-Nachfolger von Wasted 2022 gut in der Spielkultur-Landschaft eingelebt zu haben, die erst im November 2021 an den Start gegangen waren.    

Für die Statistikfreund:innen sei erwähnt, dass unser Ressort 2022 mit insgesamt 32 Artikeln am Start war dabei war bezeichnenderweise der letzte Jahresrückblick der Reichweitensieger (there is eben doch kein “I” in team!). 

Und nun geht es in die Einzelwertungen. Dieses Jahr haben wir nicht nur die Freude, unseren ehemaligen Ressortleiter Christof Zurschmitten hinter dem Ofen hervorgelockt zu haben, sondern wir ergänzen unser klassisches Format diesmal um famose Gastbeiträge.  

Stefan von der Krone (Ressort)

So als Vater zweier Kinder kommt die Gaming Leidenschaft manchmal doch recht kurz. Andererseits wiederum wundert sich so mancher, wie ich dennoch “so viel” spielen könne. Ich entgegne dann immer mit: “Ein Wort: Schlafmangel”. Was wir nicht alles für unsere Leidenschaft in Kauf nehmen. Das vergangene Jahr war ein Aufregendes in spielerischer Hinsicht. Da ich aber leider nicht viele Spiele zocken konnte, konzentriere ich mich gerne auf eine Hand voll.

Zwei Spiele, die früher veröffentlicht wurden, die ich aber dennoch erst 2022 spielen konnte, waren Death’s Door und Kena: Bridge of Spirits. Beides auf ihre Art wundervolle Spiele, wobei Death’s Door einen besonderen Platz in meinem Gamer Herzen eingenommen hat. Das Art- und Level-Design, der Mix aus Metroidvania und Soulslike gepaart mit einer einfachen und direkten Steuerung ergeben eine uneingeschränkte Empfehlung. Kena: Bridge of Spirits bietet ganz ähnliche Qualitäten, patzt aber teils bei der Steuerung und bei 24 FPS(!) in den Zwischensequenzen. Wir sind hier nicht im Kino! Dennoch ein schönes Spiel.

Der Rest des Jahres bestand für mich aus Blockbustern: Horizon Forbidden West, Elden Ring und God of War Ragnarök in dieser Reihenfolge lasteten meinen Spielekalender gänzlich aus. Und ich komme nicht drum herum, aber Horizon Forbidden West ist hier der klare Verlierer. Grafik, Gameplay – abseits von der Story sprechen wir hier von einem absolut großartigen Spiel, dessen Ergattern der Platin-Trophäe mir großen Spaß bereitete. Dann spielte ich Elden Ring und geriet in einen Teufelskreis aus “noch schnell den nächsten Dungeon” und “da sieht aber interessant aus, was da wohl zu finden ist”, dem ich mich nur schwer entziehen konnte. Elden Ring definiert für mich Open World gänzlich neu und viele Entwickler (looking at you Ubisoft!) können sich einiges davon abschauen.

God of War Ragnarök spielt in einer ähnlichen Liga, wenngleich der Fokus ein anderer ist. Die Geschichte und die Performance-Captures der Darsteller sind eine Klasse für sich. Christopher Judge mag den Game Award erhalten haben, verdient hätte es aber fast der gesamte Cast. Hinzu kommt noch ein Augenschmaus an Art-Design und das fordernde Gameplay. Ob Elden Ring oder God Of War Ragnarök, beides sind für mich die Spiele des Jahres.

Nicht unerwähnt bleiden sollten Stray (fades Gameplay, aber erstklassiges Leveldesign und süßer Felltiger) sowie Vampire Survivors (einfach süchtig machend, perfekt für’s Steam Deck). Apropos Steam Deck: dieses feine Stück Hardware ist ohne Frage das Technik-Highlight aus dem vergangenen Jahr. Valve hat mich damit zum Linux-Gamer konvertiert. Bravo.

Leider sind viele andere Highlights bei mir auf der Strecke geblieben. Ich hoffe aber, das ein oder andere im neuen Jahr nachholen zu können. Ansonsten freue ich mich auf die kommenden Highlights.

Christian Kandlin (Ressort)

Elden Ring, oh Elden Ring. Was hast du mir das Jahr 2022 nicht versüßt. Hier in eine Lobhymne zu verfallen wäre jetzt aber überflüssig, gab es im Verlauf des Jahres doch genug Lorbeeren für das Spiel und Entwickler*innenstudio FromSoftware. Deshalb liste ich hier doch lieber die Hightlights auf, die sich bei mir in diesem Jahr zum sogennanten „Game of the Year“ dazugesellten.

Final Fantasy XIV darf hier nicht vergessen werden, ebensowenig wie Guild Wars 2. Beide Spiele haben mit ihren Fortsetzungen überzeugt, wenn auch auf unterschiedliche Weise. FF14 Endwalker erzählte eine zu Tränen rührende Geschichte mit befriedigendem Ende und verzauberte mit tollen Wendungen und tiefgründigen Charakteren. Guild Wars 2: End of Dragons führte mich in die von mir so geliebte Welt des Vorgängers, Cantha, auch wenn das neue Design sich eher davon inspirieren ließ, statt der Vorlage nachzunahmen. Ungewohnt, aber nicht schlecht. Beide Spiele luden jedenfalls zu vielen Stunden Spielspaß ein, was nicht nur an der MMO-DNA lag.

Es folgten Wochen und Monate der unterschiedlichsten Spiele. Es wurde Neues ausprobiert, Altes hervorgeholt und die Liebe zu Klassikern wiederbelebt. Dead by Daylight zog mich ebenso in seinen Bann wie das kurzweilige Cult of the Lamb oder der meditative Power Wash Simulator. Ich habe Einblicke in die Welt von Genshin Impact erhascht und mir dabei nicht nur eine Meinung zum Gacha-System gebildet sondern auch die in Gesprächen eher seltener erwähnten Aspekte des Spiels wahrgenommen. Und ich sah, dass es in der Tat gut war!

Hinzuzufügen sei vielleicht, dass ich nach Uniabschluss mehrere Monate mit der Arbeitssuche verbrachte. Die durchaus frustrierende Wartezeit zu überbrücken, versuchte ich mich spaßeshalber am Streamen. OBS an, Mikro rangerückt und… tja, was spielte ich? Dark Souls, und zwar Teil eins. Aber damit nicht genug, eine Besonderheit musste her. Und so lernte ich, das Spiel mit einer besonderen Herausforderung zu bewältigen: In einem sogenannten 0-Hit-Run versuchte ich, das Spiel abzuschließen, ohne einen Treffer zu erleiden. Naja, ganz habe ich es leider nicht geschafft, am Ende verblieb ich bei einem Rekord von einem einzelnen Treffer. Aber das fordernde Spielerlebnis und das regelmäßige Streamen, das meinen Tagen wieder etwas Struktur verlieh, taten der Seele in den Tagen dann doch recht gut.

Schließlich folgte das Jahresende, und damit die Job-Zusage. Für Twitch war keine Zeit mehr, dafür verbrachte ich unzählige Abendstunden mit Freunden in der kompetitiven (und leider auch recht toxischen) Welt von Overwatch 2. An dem Spiel ist eigentlich so viel falsch, dass die guten Dinge gerne zu verschwinden drohen – dennoch, sie sind da! Blendet man Battle Pass, fragwürdige Umsetzung und die Zwei hinter dem Namen aus, lässt sich die Kost recht leicht genießen.

Die vielleicht größte Überraschung (nach, wie gesagt, Elden Ring) kam dann schließlich aus eben jenem Haus, das dieses Ungetüm von Arena-Shooter fabrizierte: Mit World of Warcraft Dragonflight gelang Blizzard der Sprung aus dem verhassten Vorgänger Shadowlands, der mitverantwortlich für die Massenabwanderung zahlloser Spieler des MMO-Giganten war (selbstverständlich wurde auch diese Tatsache von den aufgedeckten Zuständen im Unternehmen im letzten Jahr in den Schatten gestellt). Dragonflight war erfrischend, unkompliziert und bot doch gleichzeitig tiefgreifende Mechaniken und berührende Geschichtsstränge. Dass dafür ein Quasi-Reset, weg von der unlogischen und langweiligen Geschichte des Jailers (in der Community auch liebevoll „Janitor“ gennant) hin zum Entdeckergefühl nötig war, tut alteingesessenen Fans natürlich in der Seele weh. Dennoch: Endlich kehrte Blizzard wieder zu seinen Stärken zurück, indem man sich einfach mal ein wenig Inspiration aus anderen Genrevertretern hinzuzog, um das eigene Spiel damit aufzuwerten. Schade, dass dafür diese Totalkatastrophe der letzten Jahre nötig war.

Viele Spiele, viele Stunden, doch nun bleibt wenig Zeit. Was das neue Jahr parat hält? Ich bin ehrlich, ich weiß es noch nicht. Die PS5 steht seit einigen Stunden hier im Haus, God of War Ragnarök möchte installiert werden und ich freue mich drauf. Aber wer weiß, vielleicht kehre ich ja doch noch einmal in die Welt von Lordran zurück und verabschiede mich wieder Stunden später – dann aber ohne diesen einen Treffer.

Christof Zurschmitten (ehemalige Ressortleitung)

Einsteigen mit großer Geste. Wie 80er-Actionhelden, die sich nach 30 Jahren Rumgelümmele auf kleinen Bildschirmen ihre Rente mit einem lahmen Viel-zu-spät-Sequel aufbessern wollen. Man stelle sich also mich an der stationären Wumme vor, die zum Teil Verderbernssäer ist, zum Teil aber auch einfach Gehhilfe: Ich ratatatat spiel ratatatata Games ratatatatatatat nur noch selten ratatatatatat und nur wenn das Leben ratatatatat mit Kind ratatatatatatat und die allgemeine Lethargie brrrrrrrrrr mich lassen. (Und irgendwo fallen jetzt reihenweise Baddies und Träume vom Leben als Gamesjournalist um.) Was voll okay ist: Bücher und Filme und DnD-Podcasts können ein Leben auch ausfüllen, im Fall. Jedenfalls hab ich 2022 genau drei (3) neue Spiele gespielt. Meine Top-3. Per default. Darum hier, in wahlloser Reihenfolge…

Elden Ring

Und damit hau ich mir gleich selbst einen Knüppel zwischen die Beine meiner Argumentation. Oder so. Keine Zeit zum Spielen. Und dann: Elden Ring. Das Spiel, das wie kein anderes 2022 nicht nur die Zeitbudgets der versammelten Liebhaberschaft auf das Sterben vorbereitet hat. Sondern den Diskurs gefühlte zwölf Monate dominiert. Über kein Spiel wurde mehr gesprochen. Und natürlich…zurecht? Klar, so ganz neutral können der Doktor und ich da nicht bleiben, wir haben eine Vorgeschichte. Aber dennoch: FromSoftware geht an die frische Luft. Natürlich musste ich da mitspazieren. Als jemand, der zwar bis heute stolzermaßen stümperhaft Dark Souls und Co. spielt, aber dennoch alle älteren Titel bis zum bitteren Ende durchgestanden hat, war ich ganz zufrieden mit der neugewonnenen Freiheit: Mauern sind nicht mehr (nur) Einladungen, Köpfe daran einzurennen. Sondern Vorschläge, sich doch andernorts umzusehen. Dark Souls nicht mehr als Leidensgeschichte? Hat für mich bestens funktioniert. Auch wenn ich nach 30 oder so Stunden, auf der obersten Etage eines Zauberschlosses inmitten einer pittoresken Seelandschaft stehend, einfach Schluss gemacht habe. Gesehen hatte ich da nicht mal einen Bruchteil des Spiels. Aber mehr als genug, und noch nichts von der Repetition, die das Spiel später plagen soll. Ein Ausflug in eine andere Welt – einlullender als Elden Ring hat das heuer wohl kein Spiel hinbekommen.

Shin chan: Me and the Professor on Summer Vacation -The Endless Seven-Day Journey

Obwohl, wobei: Noch mehr, wie man im Jargon so gern sagt, “Immersion” gab es hier. Zumindest für mich. Ich hatte noch nie von “My Summer Vacation” gehört, einer Serie von Spielen seit der PS1 aufwärts, in der…Urlaub gemacht wird. An idyllischen Orten irgendwo in Japan. Ohne wirkliche Ziele. Rumhängen als Game Design, aber eben auch: Rumhängen zum Zirpen von Zikaden. (Woop, woop, that’s the sound of the Fernweh police in meinem Kopf: Ohrenbetäubendes Singzikaden-Gezetere und die Bahnübergangsglocken, die in jedem zünftigen japanischen Indie-Film mindestens einmal die Tonspur schmücken müssen.) Beides gibt es in Shin chan. Und dazu die schönsten Sonnenuntergänge der jüngeren Erinnerung. Dass wir all das wahrnehmen in der feingezeichneten Haut eines Cartoon-Kindes, dessen Humor definitiv irgendwo auf den 9500 km Luftstrecke zwischen hier und Japan auf der Strecke bleibt? Geschenkt. Ich störe mich noch nicht mal an den Dinosauriern. Was ich wollte von Shin chan, war die Darstellung eines bukolischen Japans, ungefiltert. Und das hab ich erhalten, dutzende Gespräche über Essen und Getränkeautomaten inklusive. Nach dem einfältigen Instagram-Kitsch von Spielen à la Ghost of Tsushima war das eine Wohltat. Nach Jahren von Reiserestriktion sowieso. Insofern: Shin chan for GOTY. Unbedingt.

Teenage Mutant Ninja Turtles: Shredder’s Revenge

Oh, fuck off, Nostalgie. Jetzt bin ich schon wieder deren fette Beute geworden. Aber gut, wenn ihr schon Spiele macht für Rand-40er, die in ihrer Kindheit im Luftschutzbunker Pizzakartons liegen gelassen haben, um authentische Schildkröten-Atmosphäre zu schaffen? Dann mach ich halt mit. Shredder’s Revenge sind die rosa Brillengläser für Menschen, die Turtles In Time gut fanden. Von links nach rechts und, wenn’s hochkommt, von oben nach unten scrollendes Fusssoldaten-Gekloppe. Zeitgemäss mit weniger Frustration und mehr Achievements. Und natürlich auf Vordermann getrimmten Sprites. Das alles ist im besten Sinne flutschig wie ein Reptil in Olivenöl, Dopamin für die Vergangenheitsbewälter unter uns. Und nach drei, vier Stunden rappen dann ganz im Ernst Raekwon und Ghostface Killah über die Helden in der halben Schale und die Credits. Natürlich, wirklich gebraucht hat das niemand. Aber die Welt ist dennoch eine bessere, seit es das gibt.

Norman Volkmann (Ressortleitung)

2022 – das Jahr, in dem ich zu dem wurde, was ich nie für möglich hielt: einer von diesen ollen Soulsborne-Fans. Jahrelang verdrehte ich nur die Augen, wenn Spieler:innen von Dark Souls, Bloodborne oder den anderen verwandten Titeln von From Software schwärmten. Dass ich mal Halo: Reach auf “Legendary” durchspielte, ist mehr als 10 Jahre her und hängen blieben davon nur nervige Spielabschnitte, die sich vor allem unfair anfühlten. Eine komplette Spielserie, die darauf baute, Spieler:innen permanent zu testen oder es wagte, sie gar zu frustrieren? Nein, nein, das konnte ich nicht mögen. 

Dann kam Elden Ring und ein Hypetrain, der so verlockend war, dass ich zumindest kurz darin Platz nehmen wollte. Danach könnte ich ja immer noch sagen, wie blödsinnig all die hohen Wertungen wären, dass frustige Spiele ohne wählbaren Schwierigkeitsgrad Müll sind. Nicht nur habe ich Elden Ring über 100 Stunden lang mit größter Freude gespielt und beendet, auch in Dark Souls 1-3 verbrachte ich insgesamt mehr als 150 Stunden in diesem Jahr (Grüße gehen raus an Dom und Andre von The Pod, deren Dark-Souls-Diaries mir das Durchspielen von Teil 1 und 2 versüßten). Selbstverständlich spiele ich derzeit Bloodborne. Sekiro sowie das Remake von Demon’s Souls sind bereits gekauft. 

Mehr als in den Jahren davor entwickelte ich dank Titeln von From Software allerdings wieder eine richtige Leidenschaft für das Medium. Ich habe das Feuer quasi rekindled (na, bin ich Fan oder wie?). In Reddit-Foren schaute ich nach Tipps für gute Character-Builds, auf YouTube ließ ich mir besonders schwierige Bosse genauer erklären. Videospiele beschäftigten mich wieder mehr. Selten hatte ich bei Spielen solche körperlichen Reaktionen: Rasendes Herzklopfen, Hochgefühle nach dem Meistern schwieriger Bosse, ernsthafte Neugier und einen unstillbaren Erkundungsdrang. Frust hingegen spürte ich zu meiner Überraschung kaum. 

Besonders bemerkenswert (und das meine ich vollkommen unironisch) fand ich in diesem Spielejahr noch den PowerWash Simulator, Vampire Survivors, sowie die gemeinsamen Abende mit einigen Jungs von Polyneux im wahnsinnig durchschnittlichen (aber im Koop eben doch spaßigen) Back 4 Blood. Und wenn sich die Souls-Sucht gelegt hat, werde ich es mit Spieler:innen-Liebling Disco Elysium auch noch mal versuchen. NBA 2K23 hingegen personifiziert für mich eine Vielzahl von den Dingen, die ich an der Branche zum Kotzen finde.

Rudolf Inderst (Ressortleitung)

Das Wichtigste zuerst: wieder ein Jahr ohne ein neues Steins;Gate-Spiel! #fatality  

The Lake. Wie schön war es, sich mit Manu bei Insert Moin darüber auszutauschen. Das war im April. Einen Monat zuvor entspannte ich herrliche Male bei Townscaper. Im Mai zeigte mir Dull Grey zweierlei: Für mich war das Spiel selbst das Einprägsamste, was mir 2022 in die Finger (und vor die Augen kam) und dass unser Aufruf, uns per BUY ME A COFFEE für unsere kontinuierliche und für Leser:innen kostenfreie Arbeit zu unterstützen komplett ins Leere lief. Tschestlawie, I guess – vermutlich gehört das zum Leben wie die Negativbescheide von Drittmittelgeber:innen und Verlagshäusern, die es 2022 auch zuhauf hagelte. Viele Runden lang entkam ich dem Hive bei Gears 5 und viele In-Game-Waffen probierte ich im Koop-Multiplayer bei Tiny Tina’s Wonderlands (an dieser Stelle sei ein Spezialgruß an Powerguide Sebastian Schellbach gestattet) aus. Für die kurze Runde zwischendurch fand ich 2022 zwei Antworten: Tetris Effect und Vampire Survivors. Besonders letzterer Titel hat mich gepackt, obgleich ich selten mechanikgetriebene Spiele anfasse. 

Quantitätisches: Natürlich habe ich den Game Pass nicht annähernd ausgenutzt – preislich (ich weiß, eine albern weltliche Kategorie!) hingegen schon. Und warum hält die Akkuladung in den Xbox-One-Pads so viel länger im Vergleich zu der in den Xbox-One-X-Varianten? #IchHabeFragen    

Zwischenruf I: Zu den Titeln, an die ich mich 2022 einfach nicht herangetraut habe, zählen Signalis, Citizen Sleeper und Cloudpunk. 

So viele andere Themen haben mich dieses Jahr umgetrieben und vieles davon ließ mich einen Controller nicht einmal in die Hand nehmen. Lassen Sie mich damit anfangen: 1. Januar 2022 – Start meiner Professur für Game Design an der IU. Neue Spielregeln und -mechaniken! Neues Worldbuilding und Storytelling! Manchmal die panische Suche nach F5! Gerade nochmal gut gegangen, glaube ich. 15. Juni 2022 – nach einem halben Jahr Vorbereitung das erste Game-Studies-Podcast für The New Book Network. 23. Juni 2022 – der lange sich in Arbeit befunden habende Game-Studies-Sammelband “Eva, auf Wiedersehen!” – Zur Geschichte, Verhandlung und Einordnung der Wolfenstein-Spielereihe. Viel Liebe für Verlag, Mitherausgeber:innen und Autor:innen! August 2022 – #GAMESTUDIES. 20 Jahre Forschungsfantasie: Von der Disziplinierung eines Mediums erscheint; again, herzlichen Dank an den Verlag, Reihenherausgeber und meinen Mitautoren (und auch hier auftretenden) Pascal Marc Wagner. 

Zwischenruf II: Abonnieren Sie den Newsletter Pushing Buttons des Guardian und schauen Sie mehr Jacob Geller auf YouTube. Beides lohnt sich!  

Abschließend bedanke ich mich exemplarisch für ganz viel Gastfreundschaft: z. B. beim Podcast Leider Steil, die mich im Juni über Game Studies als Forschungsfeld zärtlich ausquetschten, den Organisatoren der Ringvorlesung dESIGN12+, die mich 2022 gleich zweimal einluden und Sven Stollfuß, Laura Niebling wie Felix Raczkowski für ihre unendliche herausgeberische Geduld (ich freue mich!).

Auch 2022 – immer noch kein Fortnite, Candy Crush Saga oder Minecraft. Und Ludwig Ootbox? Du bist dreckig. Und Discord? Discord werde ich nie verstehen. Über meinen gescheiterten Twine-Versuch schweige ich laut. Andererseits, was soll ich denn abseits des Kinosessels, wo ich 2023 Oppenheimer und Dune: Part 2 (“Partuu?” Welcher Charakter heißt denn bitte so???) sehen werde spielen? Nun, ich denke, in Diablo IV wird einige Zeit fließen… 

Und nun zu unserer versprochenen Premiere: Wir haben Gäste eingeladen, an unserem Jahresrückblick teilzunehmen. Das könnte doch zu einer schönen, neuen Tradition werden. 

Pascal Marc Wagner

Pascal Marc Wagner ist Linguist, Spielewissenschaftler und Businessredakteur in der Gamesbranche. Er ist Begründer der Onlineplattform Language at Play, die sich teilweise akademisch, aber vor allem unterhaltend mit den Themen Sprachwissenschaft und Kulturwissenschaft im und ums Videospiel beschäftigt. Auf Twitter findet man ihn unter @languageatplay.

Für mich sticht das Spielejahr 2022 durch seine Dichte an großartigen narrativen Erfahrungen heraus. Ich mag in diesem Jahr zwar (abgesehen vom enorm erfolgreichen Elden Ring) keine viele dutzend Stunden lange Immersionserfahrung genossen haben, aber selten war ich so fasziniert von kleinen, innovativ erzählten Geschichten, die in diesem Jahr außerdem besonders oft unsere etablierten Gesellschaftssysteme kritisierten oder subversiv betrachteten. 

Da gab es Citizen Sleeper von Gareth Damian Martin, das Identitätsfindung und den Zusammenhalt in kommunaler Selbstversorgung zwischen Mitmenschen eindringlich besprach. Da war ein NORCO von Geography of Robots, das die Ölfelder eines nicht allzu weit in der Zukunft liegenden Nordamerikas mit dem Leid der Menschen verknüpfte, deren Leben immer prekärer wird. Außerdem ein Producer 2021 von Stuffed Wombat und ThorHighHeels, das mit humorvoller Linse kosmischen Horror und die Gig-Economy miteinander verband. 

Die Liste dieser Highlights schließt für mich Pentiment ab, das neueste Rollenspiel von Josh Sawyers Obsidian Entertainment, das im kleinen Rahmen eines bayerischen Dorfes agiert und mit der charmanten Darstellung von Buchdruck und Buchmalereien eine Art Mikro-Disco-Elysium zu sein versucht – und es schafft. 2022 forderte mich als Spielejahr zum Denken heraus. Auch wenn ich mich manchmal lieber in eine Decke verkrochen hätte, die Games lockten mich zurück an den Tisch.

 

Larissa Altschmied

Ich bin Larissa, Anlaufstelle für die neusten Gaming-News – aufgewachsen mit Crash Bandicoot, Pokémon und Spyro wusste ich schon früh: Glück ist doch kaufbar. Heute reizen mich als Casual-Gamerin vor allem AAA-Games, die mich in farbenprächtige, unbekannte Welten transportieren und kreative Indie-Perlen, die auch auf einem kleinen Bildschirm begeistern.

Indie-Blockbuster und AAA-Garanten: Das war das Spielejahr 2022

Ob Blockbuster-Franchise oder Indie-Liebling: Das Spielejahr 2022 glänzte mit Vielfalt und musste sich trotz Balanceakt aus Current- und Next-Gen vor der kommenden Spielegeneration nicht verstecken – im Gegenteil. Was meine persönlichen Favorites dieses Jahr waren, wieso mein „Game of the Year“ keine Chance auf den Titel hatte und welche Spiele ich unbedingt 2023 nachholen muss, erfahrt ihr hier.

Was für ein ungewöhnliches Spielejahr. Während Sony und Microsoft immer noch den Spagat zwischen Current- und Next-Gen erfolgreich versuchten zu meistern, entsprang aus Nintendos Federn eine Indie-Perle nach der anderen. Es sind daher nicht nur die Big-Budget-Spiele wie Gran Turismo 7, Horizon Forbidden West, God of War Ragnarök oder Elden Ring, die im vergangenen Jahr die Gaming-Herzen höher schlagen ließen. Auch Indie-Games wie Stray, Pentiment, Cult of the Lamb oder Chained Echos sind eine Hommage an alle Indie-Fans. Doch welche Spiele haben mich dieses Jahr so richtig mitgenommen und welche haben einen Platz auf meinem Pile-of-Shame eingenommen?

Spielspaß garantiert

#3 ELDEN RING

Apropos Mitnehmen. Das Reittier „Torrent“ sollte bei der Erkundung der folgenden Welt definitiv nicht fehlen – an dieser Stelle komme ich bereits zu einem Spiel, welches im Gaming-Jahr 2022 in aller Munde war: natürlich – Elden Ring. Das Team aus dem Hause FromSoftware hat mit dem “Game of the Year 2022” nicht nur etliche Preise bei den Game Awards abgeräumt, sondern auch durch die einsteigerfreundliche Konzipierung neben den eingefleischten Fans, auch Casual-Gamer:innen auf den Geschmack von Soulslike-Games bringen können.

Mein persönlich größter Gegner: Der immense Fokus auf die Spielegrafik, die mich eigentlich erst so richtig aus der realen Welt wegbeamt. Elden Ring hatte daher keine leichte Aufgabe, mich von der Geschichte, dem ungewohnten Kampfsystem und der Lore zu überzeugen. Doch konnten mich das kreative Bossdesign und die vielen Überraschungsmomente auch dauerhaft unterhalten? Ja und Nein. Ich habe in den rund 100 Stunden womöglich mehr über mich und meine persönliche Frusttoleranz gelernt als ein Persönlichkeitscoaching mir jemals aufzeigen könnte. Und da soll noch einer sagen, Games hätten keinen pädagogischen Wert. Als auch der letzte Boss beim ich-habe-nicht-mitgezählt-wie-vielten Versuch gelegt war wusste ich: Meiner Stärke gebührt eine Krone. Emotional mitreißen konnte mich Elden Ring jedoch entgegen der Meinung der Fangemeinde aufgrund der fehlenden Identifizierung mit meinem Hauptcharakter nicht.

#2 GOD OF WAR: RAGNARÖK

Was meinst Du mit „Ein abgetrennter Kopf kann ja gar nicht reden“?! – oh Boy. Vier Jahre mussten Playstation-Fans auf die Fortsetzung des von der Kritik gefeierten Spiels God of War aus dem Jahre 2018 warten. Zum Ende des Jahres dann die heiß ersehnte Erlösung der eisigen Fortsetzung – der Release von God of War Ragnarök. Die Vielfalt des Weltenbaums konnte endlich wieder in seiner vollen und diesmal winterlichen Pracht erkundet werden. Schon die zahlreichen Trailer und Teaser machten Lust auf Mehr. Mehr Götter, mehr Wut, mehr Kratos.

Als ich das Spiel nach langer Wartezeit in den Händen hielt, waren meine Erwartungen mindestens so hoch wie der Berg in Jötunheim. Die Anfangsstunden trugen mich nahtlos Schritt für Schritt durch den tiefen Schnee in die bereits bekannte Welt von GOW. Ein paar kleine Neuerungen hier, ein paar andere Welten dort: „Das sind die Neuerungen?“. Plötzlich die Erkenntnis: DAS ist tatsächlich neu. Und es fühlt sich auch neu an. Die erfrischenden Charakterwechsel und die zahlreichen Waffen-, Kampf- sowie Skill-Erweiterungen fühlten sich wie ein umfangreicherer und gleichzeitig trotzdem neuer Teil der Serie an. Hier hat Santa Monica auch hervorragende Arbeit hinsichtlich der Spieldynamik geleistet. Durch den Wechsel der Charaktere war das Spielgefühl für mich immer abwechslungsreich und durch den Einsatz verschiedenster Sammelobjekte zu jeder Zeit belohnend, dennoch nie langweilend. Ich war stets motiviert, auch noch den letzten Raben mit meiner Axt zu erwischen oder die letzte Truhe zu zerhauen. Mein persönliches Fazit: ein kreativer Plottwist, eine gewohnt fesselnde Story und ein brutal gutes Kampfsystem. 

#3 HORIZON FORBIDDEN WEST

Unter Gaming-Begeisterten gehört Merch vom Lieblingsspiel, das Aufstellen von Figürchen oder das Sammeln von „Collector Editions“ zum Standard. Ich habe mich dem lange Zeit nicht hingegeben – dann kam Horizon Forbidden West. Nun stehen neben einer kleinen Aloy-Figur natürlich noch ein LEGO-Tallneck in meinem Zimmer. Nie ausgepackt, aber ich musste ihn haben. Und langsam verstand ich. Viel zu begeistert war ich von diesem großartigen grafischen Meisterwerk, was mich jedes Mal mit Staunen zurückließ: „Sind das etwa Gesichtshärchen?!“ Ich erwischte mich nicht nur einmal kopfschüttelnd vor Ungläubigkeit als ich auf meinem Flug-Saurier durch den Himmel glitt und auf die Welt hinab schaute.

Die Fortsetzung von Horizon Zero Dawn (2017) setzt dabei direkt da an, wo die Story aufgehört hat. Mit einer Vielzahl an neuen Waffen, Saurier-Arten, Skills, Charakteren und sogar der farblichen Anpassung der eigenen Rüstung. Habe ich eigentlich schon die Grafik erwähnt? Großartig. Doch natürlich gehört neben einer atemberaubenden Grafik für mich auch eine packende Story und motivierende Spielmechaniken für mein persönliches GOTY dazu. Und genau das liefert HFW für mich: Trauer, Freude, Überraschung, Zusammenhalt und das Gefühl, gerecht zu handeln. Habe ich dann noch die Entscheidung, neben meinem Bogen zahlreiche Waffen zu nutzen, die auch noch richtig reinhauen: Take my money!

GOW Ragnarök und Elden Ring haben mich auch auf ihrer Reise mitgenommen – keine Frage. Aber emotional abholen und jedes Gefühl bedienen konnte nur HFW. Die grafische Meisterleistung, das Storytelling, das Charakter- und Gegnerdesign: fantastisch. Mit sieben Nominierungen bei den Game Awards standen die Chancen hoch mindestens einen Preis abzustauben. Dass die Preise für „Best Audio Design“, oder „Best Game Design” nicht im Hause Guerrilla gelandet sind, kann ich bei der Inszenierung der In-Game-Musik schwer nachvollziehen. Die Musikuntermalung war auf den Punkt und zu jeder Zeit genau im richtigen Moment da. Schade.

Warum eigentlich nicht gleich „Game of the Year“? Die Konkurrenz war mit GOW Ragnarök und Elden Ring 2022 leider zu groß. Der Releasezeitraum wurde unglücklich gewählt und viel Kritik wurde auch wegen der Größe und des Gefühls des „Abarbeitens“ der Fragezeichen auf der Map in der Gaming-Szene laut. Nunja, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Während ich meine Tränen trockne, stehe ich schon gedanklich in den Startlöchern für den nächsten Teil. Das LEGO-Set wartet schließlich darauf, vervollständigt zu werden.

Shame on me: Diese Spiele muss ich 2023 unbedingt nachholen!

Da ist er wieder – der alljährliche Schock: es ist schon wieder Januar und vor lauter unwichtigen Aufgaben blieb einfach nicht ausreichend Zeit für all‘ die hervorragenden Spiele aus dem letzten Jahr. Ich verabschiede mich daher abschließend mit meinen persönlichen Pile-of-Shame-Spielen aus 2022 und wünsche viel Spaß beim Zocken!

Cybepunk 2077: Nachdem das Spiel von CD Project Red 2022 etliche PS5-Upgrades bekommen hat, kann ich es nun kaum erwarten, in die dystopische Welt von V einzutauchen.

Triangle Strategy: Das niedliche Strategiespiel in allerbester Pixelgrafik beamt mich sofort in meine Kindheit zurück. Getragen wird die durch das taktische RPG mit Storyelementen – say no more!

Crisis Core: Final Fantasy 7 Reunion: Zum Abschluss des Jahres spendierte Square Enix seinen Fans noch einen neu aufgelegten Teil aus dem Final-Fantasy-Universum. Mit besserer Grafik und diversen Anpassungen kann die Reise losgehen.

Return to Monkey Island: Die Fortsetzung des Fan-Lieblings aus dem Genre „Point&Click“ hat lange auf sich warten lassen. Mit der nachgereichten deutschen Sprachausgabe zum Ende des Jahres, steht nun dem Rätselspaß nichts mehr im Weg.

 

Aska Mayer

Aska Mayer ist ein Researcher und Kurator mit einem Hintergrund in Bildender Kunst und
Kunsttheorie und forscht meist zu Krisenerfahrungen, digitalen Körpern und Videospielen. Derzeit studiert Aska an der Aalto University (Finnland) mit einer Thesis zur Verbindung von digitalen Spielen und religiösem Theater im Barock.

2022, das Jahr, zu dessen Beginn ich mir vorgenommen hatte weniger Zeit in einzelne Spiele zu investieren und stattdessen mehr kleine Projekte und kurze Indiegames für mich zu entdecken. Und tatsächlich ist ein Neujahrsvorsatz ausnahmsweise erfüllt worden…zumindest teilweise.

Die großen Namen des Spielejahres 2022 – besonders das unvermeidbare Eldenring und Pokemon Purpur – habe ich daher nur im virtuellen Backseat verfolgt. Und während die zahllosen Streams zu Eldenring mir wieder bewiesen haben, dass FromSoftwares Spiele visuelle Paradiese sind und gleichzeitig meine spielerische Nemesis wären, so konnte ich endlich Twitch als Medium zu schätzen lernen. Die Zeit, die ich ansonsten ins aktive Spiel der populären Titel investiert hätte, die dann am Ende vielleicht doch nicht überzeugen können (A Plague Tale: Requiem), habe ich dementsprechend für die Suche nach neuen, unabhängigen Projekten genutzt.

Itch.io wurde durchwühlt, Spiele für Game Jams getestet, studentische Showcases besucht, mit vielen kleinen und großen Entdeckungen, die mal nur für fünf Minuten, mal für mehrer Stunden gefesselt haben.

Ein Höhepunkt hierbei: ABRISS des Berliner Studios Randwerk. Das „Physik-Zerstörungs-Bauspiel“ (Randwerks Eigenbeschreibung) nutzt ein eigentlich simples Konzept: Es werden mit vorgegebenen Bauteilen Strukturen errichtet und genutzt, um größtmögliche Zerstörung der Umgebung zu erreichen. Dabei ist eine der Stärken des Spiels der Detailgrad, mit der die Zerstörung programmiert und animiert ist. Dazu kommt ein Stil, den die drei Entwickler selbst als „Mainboard Brutalism“ bezeichnen, eine cyberpunkesque abstrahierte Architektur und ein Soundtrack zwischen Ambient und Berliner Techno. Selten war digitale Zerstörung so schön anzuschauen und vor allem so entspannend. Eher zufällig ist ABRISS im selben Umfeld entstanden wie mein meistgespieltes Spiel 2022, Toukana Interactives Dorfromantik. So starteten beide Spiele als studentische Arbeiten am DE:HIVE der HTW Berlin.

Natürlich war Dorfromantik bereits 2021 im Early Access verfügbar, die Vollveröffentlichung 2022 hat dann aber schnell zur Obsession geführt. Ob während der Kaffeepause, am Flughafen, in der Vorlesung oder beim Prokrastinieren, Dorfromantik war nahezu omnipräsent und schon jetzt sieht es aus, als würde sich dieser Trend fortsetzen.

Neben Spielen gab es dann aber auch einige (positive und negative) Höhepunkte im erweiterten Kontext von Spielkultur für mich, genauer gesagt zwei sehr verschiedene Ausstellungen, Matter, Non-Matter, Anti-Matter (ZKM Karlsruhe, DE) und Crawl out Through the Fallout (EKKM Tallin, EE).

Für erstere hat BEYOND MATTER mit Les Immatériaux die ikonische Ausstellung zur Postmoderne von 1985 im Centre Pompidou fragmentarisch rekonstruiert und im digitalen Raum simuliert. Und während mir innerhalb der letzten zwei Jahre eigentlich jede Lust an digitalen Ausstellungsformaten wegen des plötzlichen Überangebots verlorengegangen ist, so hat Les Immatériaux mich doch überraschenderweise gefesselt. Das Erkunden des digitalen Labyrinths und der geisterhaften Fragmente der Ausstellungsobjekte, begleitet von originalen Audioaufnahmen, fühlt sich tatsächlich an wie ein Spiel, ein (zugegebenermaßen teils unhandlicher) Exhibition Walking Simulator, der tatsächlich Spaß machen kann.

Crawl out Through the Fallout, eine Reflektion von Erfahrungen in dystopischen Spielen im Contemporary Art Museum of Estonia (!), war dagegen ein Höhepunkt der Enttäuschung. Während das kuratorische Konzept den Zusammenhang von Realismus und Realität in der Erfahrung von Dystopien theoretisch vielversprechend einführte, beschränkte sich die Ausstellung praktisch größtenteils nur auf den visuellen Aspekt eines eigentlich audio-visuellen interaktiven Mediums. Was blieb, waren gerahmte Screenshots und Computercases mit RGB-Beleuchtung. Das Potenzial, dystopische Spiele und die Reflektion derselben für ein eventuell nicht spiel-affines Publikum zu öffnen, ging leider unter der teils generischen „Gamer-Ästhetik“ unter. Eine glückliche Ausnahme war hier Keiu Maasiks Videoarbeit „One Match of Erangel“, in welchem die Künstlerin mit der estnischen E-Sportlerin Kadi Kuusmann während einer Runde PUBG E-Sport, Sexismus in Online-Gaming und Gewaltdarstellungen im digitalen Spiel reflektiert.

Ein abschließendes Highlight und eine absolute Empfehlung aus dem letzten Jahr: Harold Hejazis Videogame-Performance-Trilogy The Adventures of Harriharri, die ihr Finale 2022 in einer Präsentation im Stadttheater von Helsinki fand. Lokalisiert irgendwo zwischen Live Let’s Play, Hip Hop und Art-Game, betrachtet die Arbeit Kulturpolitik, Xenophobie und Integration in Finnland durch eine abstruse Spielwelt, in welcher der Protagonist auf einem Rentier reitet, einem rassistischen Nosferatu begegnet und von einem sprechenden Fisch erleuchtet wird. Ein Fiebertraum, der der finnischen Realität allerdings mehr als gerecht wird.

Für 2023 hoffe ich (ganz uneigennützig) auf mehr skurrile, innovative und nicht zuletzt unterhaltsame Verbindungen von Kunst und digitalem Spiel und freue mich besonders auf die Chance, Referenzen zu digitalen Spielen bei der nächsten Helsinki Biennale sehen zu dürfen.

 

Dennis Hilla

Dennis zockt seit mehr als 25 Jahren, schreibt seit etwa acht Jahren über Spiele, die letzten fünf sogar hauptberuflich. Bei all der vermeintlichen Professionalität und den vordefinierten Regeln über gute Games ist bei ihm aber stets der Spieltrieb im Zentrum seines Schaffens. Kein anderes Medium vermag es, uns so einzusagen, zu begeistern und das Kind in uns zu kitzeln. Genau deshalb liebt er die Branche trotz ihrer kleinen Skandale, großen Fuck-Ups und immer weiter fortschreitenden schäbigen Mechaniken wie kaum etwas anderes auf diesem Planeten – außer vielleicht seiner Hündin und Musik jeglicher Couleur. Auf Twitter finden Sie Dennis unter @PsychoFr0g.

Enttäuschung hier, Verschiebung da: Viele Menschen beschwerten sich bei Jahresende über 2022. Die noch immer schlechte Verfügbarkeit von Next-Gen-Konsolen, abgesagte Messen wie die E3 und haufenweise Übernahmen, die potenziell die gesamte Branche durchrütteln. Gründe für Weltuntergangsstimmung gab es also genug. Wie so oft erzählt man mit diesem Narrativ aber nur die halbe Wahrheit. Denn blickt man durch den schwarzmalerischen Nebel und lässt die letzten zwölf Monate mit offenen Augen und Herzen Revue passieren, dann fällt auf: Es gab sie, die Highlights, die Feel-Good-News und Ausblicke auf eine rosige Zukunft.

Die Speerspitze der 2022er-Highlights markieren natürlich große Blockbuster wie Elden Ring und God of War: Ragnarök. Zugegeben, sie kamen in deutlich geringerer Dichte, vor allem Microsoft glänzte durch Abwesenheit im Club der dicken Releases. Um auf Gold zu stoßen, bedeutete der Blick über den Hochglanz-Tellerrand deutlich mehr als in den letzten Jahren. A Plague Tale: Requiem, Mario + Rabbids: Sparks of Hope, The Entropy Centre, Vampire Survivors, OlliOlli World markieren nur ein paar Beispiele.

Drückt man mir nun eine Pistole auf die Brust und fragt nach einem großen Ereignis, nach meiner persönlichen Sternstunde, dann nenne ich aber kein Spiel, keine Ankündigung und auch keine Hardware. Nein, dass die Messe gamescom wieder stattfand, das erfreute mich ungemein und setzte vor allem ein wichtiges Zeichen: Wir kehren langsam zurück zur Normalität, treffen uns in echt und zelebrieren unser aller Lieblingshobby wieder im angemessenen Rahmen. Ja, die Messe war reduziert und hatte ihre kleinen Dramen, aber unterm Strich markierte der Trip nach Köln einen wichtigen Meilenstein.

Doch unabhängig von sämtlichen Ereignissen habe ich an alle, die von 2022 enttäuscht wurden, einen simplen Appell: Taucht tiefer in das Medium ein. Pfeift auf High-End-Hardware, schmelzende Grafikkarten, Einhorn-Konsolen und deprimierendes Gerede über verschobene Spiele und abgeschaltete Dienste. Durchsucht Steam, den PlayStation Store oder den eShop und lassen Sie sich auf die kleinen Highlights ein. Auch wenn 2023 uns schon in den ersten Monaten mit einem Blockbuster-Bombardement begrüßt, existieren so viele Perlen abseits des vorgetrampelten AAA-Weges. Und genau hier finden wir Entwickler, die eine simple Sache mit uns teilen: die Liebe zu Spielen. Werden Sie zu Entdeckern und Pionieren!

 

 


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Rudolf Inderst

*1978 in München. Lebte in (und ♥️) Kopenhagen. Er leitet mit Norman Volkmann das Ressort "Digitale Spiele" hier bei Nahaufnahmen. Liebt Genrefilmkost, Hörspiele und Podcasts. Spielt Videospiele seit etwa 40 Jahren. Lehrt als Professor für Game Design an der IU Internationale Hochschule. Einmal pro Woche bringt er den Newsletter DiGRA D-A-CH Game Studies Watchlist heraus.

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