Kind und Gameplay?
Im Gespräch mit Cordula Heithausen
Frisch erschienen im Werner Hülsbusch Verlag ist Being a Child Again Through Gameplay: RUDOLF INDERST setzt sich mit Autorin Cordula Heithausen auf einen kurzen Plausch zusammen, um über ihre Untersuchung aus dem Bereich der digitalen Spielforschung zu sprechen.
Rudolf Inderst (RI): Liebe Frau Heithausen, schön, dass Sie die Zeit gefunden haben für einen kurzen Gedankenaustausch. Mögen Sie sich bitte unseren Leser:innen kurz vorstellen?
Cordula Heithausen (CH): Ja, sehr gerne und vielen Dank für die Interviewanfrage. Ich bin in Aachen aufgewachsen, wo ich Elektrotechnik- und Informationstechnik studiert und promoviert habe. Von meinem Drang nach Kreativität getrieben, habe ich anschließend einen neuen Weg für mich gesucht. Meine Suche führte mich einerseits in die Kölner Medienbranche, wo ich als Redakteurin und Autorin arbeitete, und andererseits ans Cologne Game Lab, wo ich mich zu meiner eigenen Überraschung noch einmal auf ein Studium einließ: Game Development and Research. Das Studium hat meine Liebe zu Computerspielen gefestigt, vertieft und vor allem erweitert – ich habe meine ersten eigenen kleinen Spiele gebastelt und setze mich seitdem mit den Spielen, die ich selber spiele, anders auseinander.
Letztes Jahr habe ich das Studium beendet und arbeite inzwischen als Game Designerin in Kopenhagen, wo ich seit fast zwei Jahren lebe. In meiner freien Zeit schreibe und podcaste ich und streame seit knapp einem Jahr Let’s Plays live auf Twitch.
RI: Wir wollen heute natürlich auch über Ihr kürzlich im Verlag Werner Hülsbusch erschienenes Buch Being a Child Again Through Gameplay sprechen. Wie kamen Sie zu dem Thema und wie sind Sie dieses anschließend angegangen?
CH: Das Thema habe ich mir für meine Masterarbeit überlegt, aus der dieses Buch hervorgegangen ist. Auf die Idee, mich mit Kinderperspektiven in Spielen zu beschäftigen, bin ich durch ein Erstsemesterprojekt gekommen. Wir sollten damals ein kleines Spiel zu zufällig gezogenen Schlagwörtern kreieren. Ein geschätzter Kommilitone und ich zogen „Mom“ und „Sleep“ und entwickelten ein Spiel, in dem eine Kissen-Höhle für ein kleines Kind gebaut wird, das dem Lärm des nächtlichen Streits der Eltern entfliehen möchte. Die Atmosphäre, die dabei im dunklen Kinderzimmer entstand, fühlte sich irgendwie vertraut an und blieb mir in Erinnerung.
Ich habe mich schon immer für unkonventionelle Computerspiele wie Indie-Titel mit starker Narrative oder beeindruckender Atmosphäre interessiert. Dementsprechend hat es meine Neugier geweckt, Spielcharaktere zu betrachten, die nicht dem typischen übermächtigen Helden entsprechen, sondern authentisch und näher an unserer eigenen Realität sind, während sie uns trotzdem in eine Rolle schlüpfen lassen, die nicht (mehr) unsere ist: Kinder. In meiner Masterarbeit habe ich untersucht, welche unterschiedlichen Umsetzungen spielbarer Kinderperspektiven es bereits gibt – von sehr düster bis wohltuend verspielt – und was eine solche braucht, um für erwachsene Gamer:innen nachvollziehbar, ja nachfühlbar zu sein – sodass sie sich idealerweise an Facetten ihrer eigenen Kindheit erinnert fühlen.
Ich habe eine geeignete Auswahl an Titeln gespielt, eingeordnet und analysiert und mir anschließend mithilfe zum Thema passender Game Studies Literatur Gedanken dazu gemacht, welche Zutaten eine nachfühlbare Kinderperspektive braucht. In meinem eigenen kleinen Spieleprototypen BackSeat, in dem man sich als Kind auf einer durchwachsenen Autofahrt mit seiner Familie befinden, habe ich versucht, diese Zutaten zu verwenden. Sowohl die theoretische Erkundung von relatable child perspectives als auch die Entwicklung von BackSeat habe ich als sehr spannend empfunden und ich glaube, sie können auch für Andere interessant sein. Deshalb freue ich mich, dass das Thema nun seinen Weg in dieses Buch gefunden hat.

RI: In Ihrem Fazit am Ende des Buches sprechen Sie kurz über die lehrreiche Erfahrung der Spielentwicklung und diese – nennen wir sie einmal Lücke – zwischen Digital Game Design und Digital Game Studies ist nicht selten Gesprächsthema auf Konferenzen und Tagungen – vielleicht können Sie hier einmal ein kleines Ausrufungszeichen setzen? Warum sollten die „ollen Theoretiker:innen“ sich codend die Hände schmutzig lassen und was könnte ein wenig bedrohlicher Einstieg für diese Gruppe sein?
CH: Nun, es fehlt mir an Konferenz- und Tagungserfahrung, um das Ausrufezeichen zu setzen, aber dass es diese Lücke gibt, ist sehr gut möglich. Ich weiß nicht, ob jede:r Theoretiker:in zwingend selbst kreativ werden oder einmal geworden sein muss, um einen guten Job zu machen. Mir persönlich hat es gefallen und geholfen, in die Theorie einzusteigen, obwohl es die Praxis war, die mich ursprünglich fasziniert und zum Studium bewegt hat. Es hat meine Sicht als Game Designerin bereichert, mich mit passender Game-Studies-Literatur zu beschäftigen. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass es auch umgekehrt für Theoretiker:innen bereichernd sein kann, sich aktiv mit der Entwicklung eines Spiels auseinanderzusetzen.
Ein wenig bedrohlicher Einstieg, wie ich ihn selbst im Studium erlebt habe, könnte es sein, ein eigenes kleines Spiel zu kreieren. Das ist heute gar nicht mehr so schwierig. Mit den richtigen Tools geht es, soweit ich weiß, sogar ohne Programmierkenntnisse. Die wichtigste Voraussetzung ist meiner Meinung nach eine Idee, die sowohl motivierend genug als auch umsetzbar ist. Man sollte selber richtig Lust haben, das eigene Spiel zu zocken. Dabei sollte man sich bloß nicht zu viel vornehmen, sonst wird es schnell frustrierend. Neugier und Spaß sollten bei den ersten kleinen Projekten an oberster Stelle stehen, glaube ich. Wenn man jemanden findet, mit der oder dem man gut kreativ zusammenarbeiten kann, ist das umso besser.
RI: Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute!
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Hier finden Sie weitere Informationen rund um die Autorin:
Portfolio: http:// cordulaheithausen.com
Weiterer kreativer Content: https://linktr.ee/ DisCordula
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