Resident Evil 4 (2023)
Resident Evil (Spanish) Village
2023 ist ein starkes Jahr für Survival Horror. Oder zumindest für die Neuauflage von Genregrößen. Nach Dead Space schickte sich mit Resident Evil 4 ein weiterer Klassiker an, Spieler:innen wieder in den Bann zu ziehen. Es ist nunmehr das dritte Spiel der Serie, das Capcom grundlegend erneuerte. NORMAN VOLKMANN schoss sich durch eine wunderschöne Ekelkulisse und rollte weniger mit den Augen, als bei der Reihe üblich.
Es ist erst ein paar Jahre her, dass ich den Xbox-360-Port von Resident Evil 4 bei einem Sale für ein paar schlappe Euro kaufte und nach kurzer Zeit frustriert weglegte. Die behäbige und fitzelige Steuerung sorgte bereits beim ersten Dorfabschnitt dafür, dass ich schnell aufgab. Damals erschien gerade das Remake von Resident Evil 2 und ich hoffte, dass auch der vierte Teil irgendwann einer Frischzellenkur unterzogen würde.
Vier Jahre später ist das Remake von Resident Evil 4 da. Ich scheiterte beim gleichen Abschnitt erneut zahlreich, musste mir jetzt aber eine andere Ausrede suchen: Dieses Mal verstand ich erst spät, dass mein Ziel (alle Dorfbewohner beseitigen) nicht das Szenario war, das das Spiel hier vorsah. Interessant ist in den ersten Minuten vor allem, wie sehr sich Resident Evil bei sich selbst bedient: Sowohl der Weg zum ersten Dorfabschnitt als auch der Ablauf des ersten Kampfes sind im Grunde beim Remake des vierten Teils und Resident Evil Village gleich.
Was Resident Evil 7 und Village besonders auszeichnete, macht auch das Remake des vierten Teils wunderbar: Mit Kopfhörern ist Resident Evil 4 ein Genuss. Es schmatzt, wenn Leon durch Pfützen stiefelt, es knarzt, knackt und raschelt. Auch wenn der Titel selten so gruselig ist, wie andere Spiele der Reihe – die Geräuschkulisse ließ mich immer angespannt bleiben. In späteren Abschnitten kündigte permanentes Knurren und Ächzen die Ankunft eines gefährlichen Gegners an. Diese Spannungsmomente löst das Spiel nicht immer sofort auf, sondern lässt mich zappeln und mit ungutem Gefühl im Bauch Schlüsselkarten und Stromgeneratoren suchen.
Die Munitionsarmut verstärkte dieses Gefühl. Zu keinem Zeitpunkt fühlte ich mich mit meiner Ausrüstung sicher. Gleichzeitig ließ mich das Spiel nie im Stich und ich fand auch in unübersichtlichen Momenten immer ausreichend Munition, um voranzukommen. Spieler:innen haben zudem die Möglichkeit Angriffe zu parieren: Mit Spinkicks, Suplexes oder dem guten, alten Messer hat Leon im Nahkampf Optionen fürs Kontern und kommt begrenzt ohne Schusswaffen aus. Dass Messer allerdings nach einigen Angriffen zerbrechen und beim Händler repariert werden müssen, nervte unnötig.
Escort-Missionen, also Spielabschnitte, in denen man nicht-spielbare Figuren vor den Gefahren der Spielwelt schützen und an einen sicheren Ort bringen muss, haben einen schlechten Ruf in Videospielen. In Resident Evil 4 muss Hauptfigur Leon die Präsidententochter Ashley retten und fortan beschützen. Passt man nicht auf, wird sie von Gegner:innen entweder entführt oder umgebracht. Zwar lief Ashley mir das ein oder andere Mal direkt vor die Schrotflinte oder wurde schneller abtransportiert, als ich es kalkulierte – insgesamt war ich aber weniger davon genervt, als ich dachte.
Die Beziehung zwischen den beiden blieb allerdings bis zuletzt oberflächlich und an manchen Stellen unangenehm. Zwar versucht Capcom den Mief der reinen Opferrolle von Ashley zu reduzieren, man merkt trotzdem stets, dass das Spiel im Kern fast 20 Jahre alt ist. Die Gespräche der beiden gehen selten über das Kommentieren der Umwelt hinaus, sind selten organisch und zu oft auf eine Punchline aus. Gerade in den letzten zehn Jahren gab es Begleiter:innen, die deutlich ausgereifter waren. Sowohl Ashley als auch Leon haben nach fast 20 Stunden Spielzeit wenig Eindruck hinterlassen.
Spieler:innen können Ashley per Tastendruck befehlen, nahe bei Leon zu bleiben oder sich zu lösen. Ersteres hilft, wenn man an Gegner:innen vorbeirennt und letzteres verhindert, dass Ashley bei Gefechten im Kreuzfeuer landet. Leon pfeift Ashley dann heran oder schickt sie weg, wie ich das mit meinem Hund machen würde. Die Chemie zwischen den Figuren bleibt im Verlauf des Spiels im besten Fall schlecht nachvollziehbar. Wenn Ashley suggeriert, dass Leon auch langfristig ihr Bodyguard bleiben könnte, antwortet er darauf, als würde er zu einer 12-jährigen sprechen. Der Gegensatz von tatsächlichem Alter (Ashley soll 20 Jahre alt sein) und wie das Spiel sie in Dialogen wie ein Kind zeichnet, ist mitunter höchst unangenehm.

Das visuelle Niveau des Remakes ist hingegen über alle Zweifel erhaben. Einen ähnlichen Detailgrad von Umgebungen habe ich zuletzt bei The Last of Us: Part II gesehen. Dorfhütten sind vollgestopft mit allerlei Krempel, in späteren Spielabschnitten beeindrucken der Detailgrad von Gemälden und Einrichtungsgegenständen. In Kämpfen sieht man den Zombiefratzen direkt an, wo der letzte Schuss getroffen hat. Das visuelle Feedback der Einschüsse bei kleineren Kalibern ist beeindruckend. Wenn die Schrotflinte Gegner förmlich zerfetzt ist das nicht nur visuell, sondern auch spielerisch genugtuend.
Nach Dead Space ist Resident Evil 4 2023 bereits das zweite Remake eines Genreklassikers, das sowohl von Presse als auch von Spieler:innen in den höchsten Tönen gelobt wird. Das Vorgehen scheint zu funktionieren: System Shock, Silent Hill 2, Gothic und die ersten beiden Teile von Max Payne sind nur die Speerspitze von Remakes, die in der nächsten Zeit erscheinen. Doch Luke Plunkett von Kotaku macht einen guten Punkt, wenn er argumentiert, dass Spiele wie die Max-Payne-Reihe sowohl mechanisch als auch erzählerisch ganz gut in 2001 und 2003 aufgehoben sind.
Die Beziehung und die Interaktionen zwischen Ashley und Leon wirken 2023 in diesem Sinne aus der Zeit gefallen. Sie wollen so gar nicht zur neuen Hochglanzkulisse oder einer Zeit passen, in der Titel wie Bioshock Infinite oder The Last of Us bereits existieren. Doch Resident Evil 4 sieht seine Kernkompetenz bei Spielmechanik und der Atmosphäre. In beiden Aspekten ist der Titel brillant und profitiert vom grafischen und spielmechanischen Upgrade. Für mich liegt hier auch der positive Aspekt solcher Remakes: Sie geben Spieler:innen Zugang zu Titeln, die in ihrer Urversion heutzutage unspielbar wirken.
Bereits erschienen.
Originaltitel: Resident Evil 4
Plattformen: PC, PlayStation 4/5, Xbox Series X/S
Entwickler: Capcom
Veröffentlicht von: Capcom