Mehr interACTION, bitte!

Im Gespräch mit Felix Liedel

Sogenannte „interaktive Filme“ sind ein medienhistorisches Phänomen, das seit den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in immer wieder „neuen Medien“ neue Ausdrucksformen findet. Die derzeit populärsten Vertreter finden sich in den Konsolen- und PC-Spielen von Quantic Dream, Supermassive Games und Telltale Games. Und genau darüber hat Felix Liedel seine Dissertation geschrieben und sich mit RUDOLF INDERST unterhalten. 

Rudolf Inderst (RI): Lieber Herr Liedel, schön, dass Sie die Zeit gefunden haben für einen kurzen Gedankenaustausch und herzlichen Glückwunsch nochmals zur abgeschlossenen Promotion! Mögen Sie sich bitte unseren Leser:innen kurz vorstellen? 

Felix Liedel (FL): Sehr gerne. Ich bin gegenwärtig wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt EntrepreneurSHIP der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. In meiner Arbeit interessiert mich insbesondere die Frage, wie strukturierende Bedingungen und selbstbestimmte Akteurinnen und Akteure zusammenwirken und im Ergebnis etwas potenziell Neues schaffen. Als Medienwissenschaftler beobachte ich dabei auch immer das Zusammenwirken medialer Inhalte und die subjektiven Perspektiven Mediennutzender.

RI: Wir wollen heute natürlich auch über Ihr kürzlich bei Verlag Werner Hülsbusch erschienenes Buch The Game in the Player sprechen. Wie kamen Sie zu dem Thema und wie sind Sie dieses anschließend angegangen? Was ist das Reizvolle?   

FL: Ich beschäftige mich hier ja vor allem mit moralischen Problemen in sogenannten interaktiven Filmen. Es gibt mehrere Stationen, die mich zu meinem Thema geführt haben. Der erste Initiator ist eine Beobachtung aus meiner Kindheit, die andere ähnlich bestätigen: Kindern scheint es in Spielen oft schwerzufallen, Rollen anzunehmen, die den eigenen, beziehungsweise erlernten, Werten widersprechen. Oft scheinen sie fiktionale Rechtfertigungen dafür zu brauchen.

Der zweite Initiator war theoretischer: Durch die mediensoziologischen Fächer meines Studiums lernte ich den symbolischen Interaktionismus und dessen Begriffe von Play und Game kennen, die mir sehr einleuchtend erschienen. Mit Game Studies hatte ich damals eigentlich noch kaum Berührungspunkte.

Die Beschäftigung mit Computerspielen, insbesondere sogenannten interaktiven Filmen war dann nämlich der dritte Initiator, da sich meine Masterarbeit darauf fokussierte.

Die Dissertation ist nun das Ergebnis dieser drei Momente. Sie stellt die Frage, unter welchen Bedingungen, wir uns in diesen Spielen gegenüber widersprüchlichen moralischen Normen verhalten.

RI: In Ihrem Fazit am Ende des Buches sprechen Sie (auch) kurz über mögliche Zukünfte des interaktiven Films. Lassen Sie uns da einmal tiefer in die Glaskugel blicken – was erwarten Sie oder vielmehr: Was ist denkbar?    

FL: Ich glaube, dass es Versuche „filmische“ und „spielerische“ Elemente zu kombinieren immer wieder geben wird, das zeigt ja die Mediengeschichte mindestens der letzten 50 Jahre. Allerdings glaube ich auch, dass interaktive Filme in dem Begriff, den ich in dieser Arbeit annehme, eine Randerscheinung bleiben. Ich könnte mir vorstellen, dass es statt großen AAA-Produktionen vermehrt weniger aufwändige Spiele an der Grenze zum interactive novel geben wird.

Tendenzen in diese Richtung sehe ich bereits. Außerdem bleibt zu beobachten, inwiefern sich die Ästhetik und Dramaturgie der nun populären Streaming-Produktionen auf ähnliche Spiele auswirken wird. Die Idee des interaktiven Films wurde schon oft für gescheitert erklärt. Eine Zielgruppe scheint es aber zu geben und so lange das der Fall ist, wird es auch immer wieder neue Interpretationen geben.

RI: Herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft!

FL: Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Fragen und bin gespannt darauf, wie die akademische Gemeinschaft meine Arbeit annehmen wird. Ich freue mich über Nachrichten und Anfragen via:

Das Team :: Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt (thws.de)

Felix Liedel | LinkedIn





Rudolf Inderst

*1978 in München. Lebte in Kopenhagen und verliebte sich. Doppelt promoviert, übernimmt er Verantwortung als Ressortleiter für digitale Spiele hier bei nahaufnahmen.ch. Liebt Stanislaw Lem, Hörspiele und Podcasts. Spielt Videospiele seit etwa 40 Jahren. Lehrt als Professor für Game Design mit dem Schwerpunkt Game Studies / Spielanalyse / Game Business an der IU und krault sich gerne seinen Bart.

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