Auf Voraussicht fahren

Im Gespräch mit Jan Oliver Schwarz

Jan Oliver Schwarz (eigenes Bild)

Über die Verbindung von Foresight und digitalen Spielen hatte RUDOLF INDERST bisher noch viel zu wenig nachgedacht. Zum Glück traf er zur rechten Zeit auf Jan Oliver Schwarz von der TH Ingolstadt, der ihn hier im Gespräch auf den neuesten Stand bringt.

You will find the English translation of the interview at the end of the text.

Rudolf Inderst (RI): Lieber Jan Oliver Schwarz, schön, dass Sie die Zeit gefunden haben für einen kurzen Gedankenaustausch. Mögen Sie sich bitte unseren Leser:innen zunächst kurz vorstellen? In welchem Bereich arbeiten Sie hauptsächlich und was sind Ihre aktuellen Projekte?

Jan Oliver Schwarz (JOS): Ich bin Professor für Strategic Foresight and Trend Analysis an der Technischen Hochschule Ingolstadt und leite dort das Bayerische Foresight-Institut. Seit rund zwei Jahrzehnten befasse ich mich intensiv damit, wie Organisationen Veränderungen in ihrer Umgebung erkennen können, in Form von Trends oder schwachen Signalen, und wie sie darauf aufbauend Zukunftsszenarien entwickeln können. Im Kern beschäftige ich mich also mit der Frage, wie Organisationen mit Veränderungen und der Zukunft umgehen.

RI: Lassen Sie uns bitte über das Projekt Gaming & Foresight sprechen – zunächst würden mich Ihre Themenfindung sowie die Umsetzung interessieren.

JOS: In einem früheren Projekt habe ich bereits mit der Foresight Academy zusammengearbeitet. In diesem Projekt haben wir erforscht, wie Science-Fiction als Quelle für Foresight genutzt werden kann. In einem weiteren Projekt haben wir uns dann angesehen, wie eine weitere Informationsquelle genutzt werden kann, um Foresight zu entwickeln. Dabei haben wir uns auf das Genre der Videospiele konzentriert. Einer der Hauptgründe dafür war, dass Videospiele mittlerweile zu der größten Kategorien der Kulturprodukte gehören. Dennoch sind sie meines Wissens nach, unterrepräsentiert, wenn es darum geht, welche Quellen zur Entwicklung von Foresight herangezogen werden können.

RI: Zu welchen Erkenntnissen sind Sie während des Projekts gelangt und wo würden Sie gerne vielleicht in der Folge anschließen?  

JOS: Zum einen haben wir festgestellt, dass es eine große Vielfalt von Videospielen gibt, die unterschiedlichste Einblicke in die Zukunft bieten. Diese Vielfalt ist faszinierend, da sie ein breites Spektrum an Zukunftsszenarien beschreibt. Zum anderen ist das Eintauchen in diese virtuellen Welten besonders wichtig. Spieler und Spielerinnen erleben durch den möglichen Zustand des „Flow states“, den sie beim Spielen erreichen können, eine intensivere Auseinandersetzung mit diesen Zukunftsszenarien. Auch intensiver als im Vergleich zum schauen von Science-Fiction-Filmen oder dem Lesen von Büchern.

Für uns war dieses Projekt, das wir mit Studierenden in unserem Masterprogramm Global Foresight and Technology Management der Technischen Hochschule Ingolstadt durchgeführt haben, ein erstes Experiment. Es gibt eine Vielzahl von Ansätzen, um sich noch detaillierter mit dem Genre Videospiele auseinanderzusetzen. Im Moment kann ich mir verschiedene Herangehensweisen vorstellen, wie etwa die Kategorisierung der verschiedenen Zukunftsbilder, eine genauere Untersuchung der Vorstellungswelten der Spieler, die solche Videospiele spielen, und wie sich deren Umgang mit der Zukunft dadurch verändert.

RI: Lassen Sie uns letztlich noch ein wenig herauszoomen und nach der generellen Bedeutung einer Digitalspielforschung fragen: Wie sehen Sie diese als jemand, der in dem zurückliegenden Projekt mit Video- und Computerspielen gewissermaßen als eine Art Quelle gearbeitet hat?

Digitalspielforschung [ist] meiner Ansicht nach unerlässlich.

Prof. Dr. Jan Oliver Schwarz (TH Ingolstadt)

JOS: Wenn es darum geht, wie Kulturprodukte die Gegenwart reflektieren, sie beeinflussen und potenzielle Zukunftsszenarien skizzieren können, ist die Digitalspielforschung meiner Ansicht nach unerlässlich. Gerade die Möglichkeit, in Computerspielen verschiedene Zukunftsvisionen zu erleben und zu erkunden, ist äußerst faszinierend. Es gibt hier noch viel zu verstehen, und ich glaube, dass die Forschung im Bereich digitaler Spiele entscheidend ist und weiter ausgebaut werden sollte.

RI: Herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft!

Hier finden Sie weitere Informationen zu unserem Gesprächspartner: http://www.strategic-foresight.de

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ENGLISH TRANSLATION

Digital Games As Sources And Tools Of Foresight

In conversation with Jan Oliver Schwarz

RUDOLF INDERST had previously given far too little thought to the connection between foresight and digital games. Fortunately, he met Jan Oliver Schwarz from TH Ingolstadt at the right time, who was able to bring him up to speed.

Rudolf Inderst (RI): Dear Jan Oliver Schwarz, nice of you to find the time for a brief exchange of ideas. Could you please start by briefly introducing yourself to our readers? What area do you mainly work in and what are your current projects?

Jan Oliver Schwarz (JOS): I am Professor of Strategic Foresight and Trend Analysis at Ingolstadt University of Applied Sciences, where I head the Bavarian Foresight Institute. For around two decades, I have been working intensively on how organizations can identify changes in their environment, in the form of trends or weak signals, and how they can develop future scenarios based on this. In essence, I deal with the question of how organizations deal with change and the future.

RI : Let’s talk about the Gaming & Foresight project – first of all, I would like to know how you found the topic and how you implemented it.

JOS: I have already worked with the Foresight Academy on a previous project. In that project, we explored how science fiction can be used as a source for foresight. In another project, we then looked at how another source of information could be used to develop foresight. We focused on the genre of video games. One of the main reasons for this was that video games are now one of the largest categories of cultural products. Yet, to my knowledge, they are underrepresented when it comes to what sources can be used to develop foresight.

RI : What insights did you gain during the project and where would you like to follow up?

JOS: Firstly, we realized that there is a wide variety of video games that offer different insights into the future. This diversity is fascinating, as it describes a broad spectrum of future scenarios. On the other hand, immersion in these virtual worlds is particularly important. Players experience a more intensive engagement with these future scenarios through the possible state of „flow state“ that they can achieve while playing. It is also more intense than watching science fiction films or reading books.

For us, this project, which we carried out with students in our Global Foresight and Technology Management master’s program at Ingolstadt University of Applied Sciences, was a first experiment. There are a number of approaches that can be used to take a more detailed look at the video game genre. At the moment, I can imagine various approaches, such as categorizing the various images of the future, a closer examination of the imaginary worlds of the players who play such video games and how their approach to the future changes as a result.

RI : Finally, let’s zoom out a little and ask about the general significance of digital game research: as someone who has worked with video and computer games as a kind of source in the previous project, how do you see this?

Digital games research [is] essential in my opinion.

Prof. Dr. Jan Oliver Schwarz (TH Ingolstadt)

JOS: When it comes to how cultural products can reflect the present, influence it and outline potential future scenarios, I think digital games research is essential. Especially the possibility of experiencing and exploring different visions of the future in computer games is extremely fascinating. There is still a lot to understand here, and I believe that research in the field of digital games is crucial and should be further developed.

RI: Thank you very much for the interview and all the best for the future!

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You can find more information about our interviewee here: http://www.strategic-foresight.de





Rudolf Inderst

*1978 in München. Lebte in (und ♥️) Kopenhagen. Er leitet mit Norman Volkmann das Ressort "Digitale Spiele" hier bei Nahaufnahmen. Liebt Genrefilmkost, Hörspiele und Podcasts. Spielt Videospiele seit etwa 40 Jahren. Lehrt als Professor für Game Design an der IU Internationale Hochschule. Einmal pro Woche bringt er den Newsletter DiGRA D-A-CH Game Studies Watchlist heraus.

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