„The Strange Saga of Hiroshi The Freeloading Sex Machine“ von Yuji Tajiri

Die Japaner und ihre Grillen

„The Strange Saga of Hiroshi The Freeloading Sex Machine“ von Yuji Tajiri

hiroshi_1Alleinerziehende Mutter trifft Vagabunden, Grillen treffen aufeinander und Sex trifft Slapstick: Yuji Tajiris „The Strange Saga of Hiroshi“ steht für eine neuere Entwicklung innerhalb des japanischen Independent Softsex-Films: Völlig ernst zu nehmen ist das nicht.

Von Christof Zurschmitten.

Es wäre vielleicht übertrieben zu behaupten, dass sich alles „harmlos“ anlasse. Dennoch, für einen kurzen Augenblick könnte man glauben, eine jener überdrehten Komödien aus dem Reich der aufgehenden Sonne vor sich zu haben, auf die man seit dem Grosserfolg von „Takeshi’s Castle “ zumindest gefasst ist. Ein Hauptakteur (Matsuo Yoshioka) samt fehlerhafter Zahnstellung und einem Überschuss an hibbeliger Energie trifft auf eine alleinerziehende Mutter (Rinako Hirasawa), sie kommen sich näher, lassen sich aber noch genügend Freiraum, um über Insekten zu sinnieren und wüstestem Slapstick-Humor zu frönen… und dazwischen wird gefickt, dass die Wände wackeln.

Gleich die erste Einstellung erklärt diesen Gang der Dinge direkt ins Schlafzimmer: Auf Harukas T-Shirt (das sie für den Rest des Films zwar ausziehen, aber niemals gegen ein anderes eintauschen wird) prangen die Worte: Pink Panther. Wir befinden uns also in der wunderbaren Welt des „pinku eiga„, jener traditionsreichen Spielart des japanischen Erotikfilms, der in den letzten Jahren zunehmend auch auf Interesse beim westlichen Publikum stösst. Mitgrund dafür ist eine Gruppe von Regisseuren, die die weltweite Wahrnehmung des pinku eiga seit den späten 80er-Jahren dominieren: das shitennô oder auch „Vier Teufel“ genannte Quartett Takahasi Zeze, Kazuhiro Sano, Hisayasu Satô und Toshiki Satô. Sie nutzten das Genre als Experimentierwiese für eine ganze Reihe von arthouse-angehauchten Bocksprüngen und verhalfen dem dahinserbelnden Pink Film damit zu einer formalen wie inhaltlichen Wiedergeburt.

Yuji Tajiri gehört der direkten Nachfolgegeneration an, was weniger etwas über seinen Jahr- denn seinen Werdegang aussagen soll: Er verdiente sich seine Sporen als Hilfsregisseur unter einigen der shitennô ab und gehört zu dem, was als Antwort auf die Gruppierungsbemühungen der Vätergeneration als „Die Sieben Glücklichen Götter“ des Pink Films bezeichnet wird. „Glücklich“, weil sie – wie Tajiris Kollege Mitsuru Meike mit seinem „The Glamorous Life of Sachiko Hanai “ (2004) – einen bis dato noch unbekannten Erfolg auf internationalen Festivals feiern konnten. „Glücklich“ aber auch, weil ihre Filme sich nicht selten krass unterscheiden von den düsteren Werken ihrer direkten Vorgänger (die den Bemühungen der Jungspunde entsprechend häufig offen ablehnend gegenüberstehen): Die Filme der Sieben Götter widmen sich eher selten politischen oder gesellschaftlichen Themen und konzentrieren sich dafür eher auf die privaten und zwischenmenschlichen Probleme ihrer Figuren. Humor ist dabei eines der legitimen Mittel.

Schöne, andere Welt
„The Strange Saga of Hiroshi The Freeloading Sex Machine“ ist somit quasi paradigmatisch für eine neuere Entwicklung innerhalb des Pinku Eigas. Dennoch ist das „strange“ im Titel durchaus gerechtfertigt. Die Handlung ist erwartungsgemäss dünn: Nach einer Zufallsbegegnung im Bus beginnt Hiroshi eine Affäre mit Haruka. Der Sex ist gut, Hiroshi versteht sich blendend mit Harukas Sohn – die Idylle scheint perfekt. Doch da ist auch noch Harukas Ex-Lover, ein in Würde gealterter Gangster. Hiroshi muss sich beweisen…

TheFreeloadingSexmachine-Bild01Bezeichnenderweise tut er dies nicht auf die (auch) im japanischen Genre-Kino prominenteste Weise der knochenzerschmetternden Gewalt. Die grosse Männerdomäne des Films ist eine gänzlich unerwartete: Grillensumo, bei dem die Insekten stellvertretend für ihre Herrchen in den Ring steigen. Regisseur Tajiri hat „The Strange Saga…“ laut eigener Aussage als eine Art Anti-Japan, als positives Utopia erdacht. Die Gewalt wird sublimiert, der Lebenstrieb hingegen durch Sex in allen erdenklichen Konstellationen offen ausgelebt. Inszeniert werden die entsprechenden Szenen gemäss den üblichen Konventionen, meistens in der Halbdistanz, wobei allerlei kreative und weniger kreative Strategien das Allzu-Explizite verdecken.
Hinzu kommt aber besagter Sinn für Humor, der die Handschrift von Drehbuchschreiber Fumi Moriya erkennen lässt: Der Sex ist nicht nur im Wortsinne weltbewegend, sondern durch die Darstellung der Akteure häufig ins Absurde enthoben – und wird als Running Gag ohnehin stets zum unpassendsten Zeitpunkt unterbrochen.

Der Sinn für Humor, den man mit gleichem Recht gewöhnungsbedürftig wie sympathisch-versponnen finden kann, durchzieht auch die weniger expliziten Momente des Films. Letztlich bleibt Hiroshis Geschichte eher  sprunghaft  und assoziativ – wobei nachvollziehbare Beweggründe für Tun und Wirken der Figuren im Rahmen einer schrägen Softporno-Farce natürlich ohnehin nicht im Ernst erwartet werden könnten. Dennoch gelingt es dem Film in manchen Momenten, dem Zuschauer über gänzlich unspektakuläre Szenen ein Gefühl für die Charaktere zu vermitteln.

Highlight des Filmes ist aber eindeutig die Schlussviertelstunde, die ein wahres Feuerwerk an albernen Einfällen zündet. Dass das Budget offensichtlich dem Skript nicht gerecht werden kann, wird wie in allen guten Low-Budget-Produktionen zur Tugend gemacht – und dem Zuschauer eine Reihe von Spezialeffekten vorgesetzt, die in ihrer genau kalkulierten Doofheit einen erheblichen Schauwert besitzen.
An die besten Werke der Sieben Götter mag dies nicht heranreichen, von den Visionen eines Takahasi Zezes und seiner Kollegen ganz zu schweigen – als unterhaltsames Kuriosum mag diese „Strange Saga“ aber dennoch allemal bestehen.

Ausstattung
Als Zugaben gibt es ein halbstündiges, sehr aufschlussreiches Interview mit dem Regisseur, den Filmtrailer auf Deutsch sowie die bei Rapid Eye Movies mittlerweile üblichen dekorativen Postkarten mit Filmstills.

 

Seit dem 20. April 2007 im Handel.

Originaltitel: Himo No Hiroshi (Japan 2005)
Regie: Yuji Tajiri
Darsteller: Rinako Hirasawa, Mutsuo Yoshioka, Kazuhiro Sanko
Genre: Pinku Eiga
Dauer: 65 Minuten
Bildformat: 1:1.85 (4:3)
Sprachen: Japanisch, Deutsch
Untertitel: Deutsch
Audio: Dolby Digital 2.0
Bonusmaterial: Interview mit Yuji Tajiri, Trailer, Postkaren
Vertrieb: Max Vision

Im Netz
Ein Klick auf den „pinku eiga“-Tag unten führt zu weiteren „pinku eiga“-Kritiken auf nahaufnahmen, unter anderem zu einer Geschichte des Genres, zu Filmen von Tajiris „Mentor“ Takahisa Zeze, oder einem seiner „Mitgötter“ Shinji Imaoka.

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