„Mary and Max“ von Adam Elliot

Ein Leben in Briefen (und Plastilin)

Mary and Max 1

„Dear Mr. Horowitz“ – so beginnt die seltsame Geschichte der unwahrscheinlichen Freundschaft zwischen der kleinen Mary und dem dicken Max, die auf gegenüberliegenden Seiten des Globus mit ihrer Einsamkeit kämpfen. Adam Elliots Film trotzt dem 3D-Wahn und erzählt seine Geschichte mit guten alten Knetfiguren, die einem nahe gehen, ohne dass sie aus der Leinwand hopsen.

Als Mary Daisy Dinkle aus Mount Waverly, Australien, auf gut Glück einen Brief an den in New York lebenden Max Horowitz schreibt, hat sie keine Ahnung, dass daraus eine Brieffreundschaft auf Lebenszeit entstehen wird. Mary, die wegen einem Muttermal von anderen Kindern gehänselt und von ihren Eltern vernachlässigt wird, wünscht sich nichts mehr als einen Freund. Max, ein 44-jähriger jüdischer Atheist mit Asperger Syndrom, wünscht sich genau dasselbe. Auch er hat niemanden, der sich um ihn kümmert, und die Goldfische, die er sich als Kameraden hält, sterben ihm immer wieder weg. Somit scheint es ein Wink des Schicksals zu sein, dass Mary zufällig seinen Namen im riesigen New Yorker Telefonbuch trifft, und ihm einen Brief schickt, in der Hoffnung, eines Tages Antwort zu erhalten.

Hochs und Tiefs einer Brieffreundschaft
Als Max den Brief erhält, tut er erstmal, was er immer tut, wenn sich in seinem Leben etwas Aufregendes und Stressiges ereignet – er steht stundenlang auf einem Stuhl in der Ecke, klappert mit den Zähnen und schwitzt. Dann jedoch erkennt er, dass Mary vielleicht der Freund sein könnte, den er sich so sehnlich wünscht. Mutig schreibt er zurück, und damit beginnen seine und Marys Einsamkeit zu bröckeln. Die beiden schreiben sich fleissig, schicken sich ihre liebsten Süssigkeiten und diskutieren ihre Lieblings-Fernsehserie – die „Noblets“. Dann jedoch berührt Mary einen wunden Punkt von Max: Liebe – für den Autisten das rätselhafteste und verwirrendste Phänomen überhaupt. Max ist mit Marys Fragen zur Liebe dermassen überfordert, dass er in eine Klinik eingewiesen werden muss, wodurch die Brieffreundschaft ein unerwartetes Ende nimmt. Vorerst.

© Studio / Produzent
© Studio / Produzent

Fünf Jahre hat Adam Elliot in „Max and Mary“ investiert; ein Jahr alleine brauchte er für die Entwicklung des Drehbuchs und 57 Drehtage waren erforderlich für die aufwendige Animation. Die Geschichte von „Mary und Max“ basiert „auf einer wahren Geschichte“, insofern dass Elliot selber einen New Yorker Brieffreund hat, dem Max nicht unähnlich ist, und dem er seit mittlerweile 20 Jahren schreibt. Tatsächlich ist der Film in allen noch so absurden Details glaubwürdig und die Geschichte der beiden Brieffreunde, die unterschiedlicher nicht sein könnten, berührt und bewegt. Die Stimmen von Philip Seymour Hoffman (Max) und Toni Collette (Mary) passen herrlich zum autistischen New Yorker und dem näselnden australischen Teenager, und Barry Humphries‘ Erzählstimme verlieht der Geschichte die Wärme, die den Dialogen, oder besser gesagt den Briefen, fehlt.

Ach was, 3D – Knete, Mann!
Während in den aktuellen Animatonsblockbuster die Story unter der 3D-Verliebtheit je länger je mehr leidet, besinnt sich „Max und Mary“ auf die Wurzeln des Animationsfilms zurück, und beweist einmal mehr, dass eine gute Story mit Knetfiguren weit mehr faszinieren kann als farbenfrohe 3D-Effekte. Mit einer Nomination für die Oscars wurde der Film allerdings nicht belohnt; auf der Longlist war er noch drauf, in die Endrunde kam er aber nicht. An der Technik kann dies jedoch nicht liegen: mit „Coraline“ und „Fantastic Mr. Fox“ sind zwei Filme vertreten, deren Figuren nicht (nur) aus dem Computer kommen. Also muss es an der Story liegen, die der Academy wohl eine Spur zu unorthodox ist – und dies mag vielleicht die beste Auszeichnung sein, die „Max und Mary“ bisher bekommen hat.

Seit dem 12. Februar im Handel.

Originaltitel: Mary and Max (Australien 2009)
Regie: Adam Elliot
Darsteller: Philip Seymour Hoffman, Toni Colette, Barry Humphries, Eric Bana
Genre: Tragikomödie
Dauer: 89 Minuten
Format: 16:9
Sprachen: Englisch, Französisch
Untertitel: Deutsch, Französisch
CH-Vertrieb: Warner

Im Netz
Trailer und offizielle Seite
Homepage von Adam Elliot





Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

12 thoughts on “„Mary and Max“ von Adam Elliot

  • 02.08.2010 um 22:26 Uhr
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    Das ist der schlechteste Film den ich nach dem ach so tollen koreanischen „Hostage“ gesehen habe.
    Absolute Zeitverschwendung.
    Ich will das Geld dafür zurück und eine Entschuldigung von Adam Elliot mit dem Versprechen dass er das Filme machen für immer lässt.

  • 03.08.2010 um 08:18 Uhr
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    Ich weiss nicht ganz, warum der Herr wegen deines persönlichen Geschmacks keine Filme mehr machen sollte. Vielleicht wäre dein Versprechen, dir nie mehr Filme von ihm anzuschauen, für euch beide weit nützlicher.

  • 14.08.2010 um 14:56 Uhr
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    Wir haben den Film gestern in einer Sneak-Preview gesehen und waren begeistert. Wirklich ein sehr süßer Film, und trotz Knetfiguren mit Knuddeloptik ganz sicher nichts für Kinder. Kulturlegastheniker wie Daniel können damit vielleicht nichts anfangen. Unser Kino hat dagegen gebrüllt vor Lachen.

  • 09.09.2010 um 05:11 Uhr
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    Also ich muss auch sagen, dass Daniel sich besser den Mund zutackern sollte, so wie es Max in frühen Kindertagen gemacht hat. Ein Film der zum Denken anregt und auf jeden Fall sehr sehenswert.

  • 20.12.2010 um 01:49 Uhr
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    Ein wunderschöner Film, aufjedenfall ein gelungenes kleines Meisterwerk.
    Ich hoffe bald mehr Filme dieser Art zu sehn 🙂
    Die zum weinen und lachen gut genug sind, was heute leider viel zu selten vorkommt.

  • 07.06.2011 um 00:28 Uhr
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    Meiner Meinung nach war das einer der besten und tiefgründigsten Filme die ich bislang gesehen habe – und dieser Film sollte als Kleinod in die Filmgeschichte eingehen, davon kann sich das heutige oberflächliche Blockbuster-Kino eine gewaltige Scheibe abschneiden.
    Und wenn jemand diesen Film als Zeitverschwendung betitelt sollte derjenige sich mal Gedanken darüber machen ob er die Message und die emotionale Tiefe und Tragik dieses Film überhaupt verstanden hat.

  • 18.02.2012 um 12:21 Uhr
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    Dieser Film, ist einer der anrührensten und schönste Filme dieses Genres die ich vlt. je gesehen habe!!!! Er öffnet Augen und Köpfe, rührt zu Tränen und animiert zum Lachen….das alles in einer selten gesehenen Vielschichtigkeit und einer brillianten und detailverliebten szenischen Umsetzung. Ein absolutes MEISTERSTÜCK!!!!!!!

    P.S.: Jeder der diesen Film schlecht findet, darf gerne zurück zu der üblichen Hollywood-Blockbuster-Einöde dieser Tage zurückkehhrern und dort bleiben!

  • 26.12.2012 um 22:47 Uhr
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    Ihr lieben ich stimme mit der Mehrheit überein, dass dieser film absolut klasse ist…… Man selbst erkennt sich auch in den Figuren wieder!!!!!! Wirklich toll…..

  • 25.03.2014 um 18:25 Uhr
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    Ich finde diesen Film klasse. ich hatte auch mal eine Brieffreundin. Ich bin älter als sie, (zwar nicht exorbitant älter aber es geht) und wir hatten die Gemeinsamkeit, dass wir beide die gleichen Sammelfiguren mochten und einsam SIND. In diesem Film steckt eine herrliche, wenn auch melancholische Philosophie, die man mehr oder weniger auf sein eigenes Leben übertragen kann.

    PS: ich denke mal, dass dieses Meisterwerk zu hoch für diesen Daniel war. Falls erst das liest: nicht böse gemeint, will ja schließlich niemanden kränken.

  • 14.12.2014 um 12:22 Uhr
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    Dieser Film sollte nicht nur gelobt sondern auch als Lehrstück für quadratschädel sein.. ich finde ihn einfach nur gigantisch und er kann sich ohne weiteres mit Filmen wie, 99France oder Fightclub messen… nur das er trotz seiner Tragig und Emotionen trotzdem auch etwas warmes hatt… Ich finde ihn einfach schön.. Adam Elliot !!!!! DANKE!!!!

  • 16.12.2014 um 13:03 Uhr
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    ich hab den Film gestern zum ersten Mal gesehen und war erstaunt, wie sehr ein Film ohne „Hau Drauf“ Action und „Computer 3D Quatsch“ fesseln kann. Das ist seit Jahren das erste Mal gewesen, dass ich mich wieder richtig in einen Film „reingeschaut“ hab. So schön lustig, traurig, fesselnd…auf jeden Fall anschauen.

  • 31.12.2022 um 17:06 Uhr
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    Einer der schönsten Filme aller Zeiten!!! Vielen Dank dafür, Adam Elliot!

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