Stephen King: „Die Arena“

Der Kampf ums Überleben ist eröffnet

Stephen King: „Die Arena“

Der Kultautor ist zurück. Nach einer im Vergleich mit früheren Ausgaben eher mittelmässigen Kurzgeschichtensammlung diesmal wieder mit einem umfangreichen Roman. Der Klappentext klingt viel versprechend und die Idee originell, aber kann das neueste Werk auch halten, was es verspricht und was sich treue Fans erwarten?

Von Stefanie Feineis.

diearenaAn einem wunderschönen Spätsommertag geschieht es, plötzlich und unerwartet: aus heiterem Himmel senkt sich eine unsichtbare Kuppel über der amerikanischen Kleinstadt Chester’s Mill hera, und schneidet den Ort mitsamt allen momentan anwesenden Einwohnern und Besuchern von der Aussenwelt ab. Aus anfänglicher Verunsicherung wird nach und nach Panik. Während eine kleine Gruppe von Bürgern unter Leitung von Koch und Ex-Militär Dale Barbara versucht, die Ordnung aufrechtzuerhalten, wittert „Big“ Jim Rennie, der zweite Stadtverordnete, seine grosse Chance. Innerhalb kürzester Zeit verwandelt der selbsternannte Diktator die Polizeitruppe in seine Privatarmee und beginnt, jegliche Form von Kritik oder Gegenwehr gnadenlos zu unterdrücken.

Was nun?

Während das Militär von ausserhalb der Kuppel einen untauglichen Versuch nach dem anderen startet, um die Blockade zu vernichten, und der Präsident im nationalen Fernsehen versucht, Ruhe und Optimismus auszustrahlen, haben die Eingeschlossenen mit zahlreichen unerwarteten Problemen zu kämpfen: Lebensmittel, Gas, Medikamente – all diese Güter sind zwar noch vorhanden, könnten aber innerhalb weniger Wochen oder Monate zur Neige gehen. Zudem erweist sich die Kuppel als nahezu luftundurchlässig, was mit der Zeit fatale Auswirkungen auf das Klima und die Luftqualität hat. Die grösste Bedrohung, ein geheimes Drogenlabor in unmittelbarer Nähe der Stadt, bleibt lange Zeit unentdeckt, da eine Gruppe geachteter und ranghoher Bürger alles daran setzt, ihr schmutziges Geheimnis zu wahren.

Meisterhaft geschrieben

Kings grosses Talent als Erzähler zeigt sich auch in diesem Roman. So lässt er vor den Augen des Lesers eine ganze Kleinstadt lebendig werden und verleiht dabei jedem einzelnen Bewohner ein Gesicht und einen individuellen Charakter. Zudem kann man sich trotz einiger Längen und überflüssiger Passagen fast nicht von der Lektüre losreissen, da man unbedingt wissen möchte, wie es den teils geliebten, teils gehassten Figuren ergehen wird. Und natürlich brennt man darauf zu erfahren, woher denn jetzt diese unsichtbare Kuppel stammt. Hier zeigt sich der vielleicht grösste Makel des Buches: die Erklärung der Ursache. Grossartig ist diese im Vergleich zur Grundidee nicht, man findet sie bestenfalls ok, schlimmstenfalls unpassend und ‚billig‘. Zur Verteidigung Kings lässt sich jedoch sagen, dass die ‚technische Auflösung‘ angesichts der menschlichen Höhen und Tiefen, die der Roman authentisch und ungeschönt aufzeigt, sowieso in den Hintergrund tritt.

Das schlimmste Monster ist der Mensch

Obwohl viele Stephen King automatisch mit übernatürlichem Horror und Monstern in Verbindung bringen, lautete seine Botschaft doch immer, dass die eigenen Verwandten oder Nachbarn unter bestimmten Umständen weitaus schlimmer sein können als jedes Monster. Gerade in Kings frühen Werken – wie „Der lange Marsch“ oder „Menschenjagd“, die gänzlich ohne übermenschliche Einflüsse auskommen – wird dies sehr deutlich. Nach einem langjährigen ‚Abstecher‘ in den Monster- und Science-Fiction-Bereich des Horrorgenres kehrt King mit diesem Romanen wieder zu seinen Wurzeln zurück – allerdings nicht komplett, so viel sei hier verraten. Daneben finden sich natürlich auch zahlreiche Anspielungen des Autors auf unsere reale, moderne Welt: Die Hilf- und Nutzlosigkeit des Militärs, die gefährliche Machtgier bestimmter Politiker und die Fassade der heilen Kleinstadtwelt sind nur einige Dinge, die King hier zwischen den Zeilen kritisiert.

Zugegeben, dies ist nicht Kings bestes Werk, aber nach den eher durchschnittlichen letzten Veröffentlichungen endlich wieder ein Roman, der zumindest daran erinnert, warum gerade dieser Autor zu Recht Kultstatus erreicht hat.

Heyne
1279 Seiten, CHF 46.90


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