NBA 2K20

Lootboxes und Schleichwerbung und etwas Basketball

nahaufnahmen-Ballexperte NORMAN VOLKMANN ist auch nach zehn Jahren NBA 2K immer noch verrückt nach der Basketballsimulation. Die macht es allerdings Jahr für Jahr schwieriger, diese – abseits ihrer konstant ausgezeichneten Spielmechanik – zu mögen.

Mehr Realismus! Der Schweiß, der den Videospiel-Ebenbildern von Profisportlern das digitale Gesicht runterläuft oder der Spin des Balls, der sanft rückwärts drehend durch das Netz fliegt – der hohe Grad des Realismus ist es, der NBA 2K so erfolgreich machte. Beim flüchtigen Blick ungeübter Augen entsteht der Eindruck, dass auf dem Bildschirm ein reales Spiel stattfindet. Die Beleuchtung in der Arena, die Bewegungen der Spieler, das Quietschen der Sneaker, selbst die Dialoge der Kommentatoren – was Visual Concepts insbesondere in der aktuellen Konsolengeneration auf die Beine gestellt hat, ist wahnsinnig gut und wird dem wirklichen Sport absolut gerecht.

Die Forderung nach mehr Realismus hat offenbar einen Preis, der schon in den letzten Jahren verstärkt seine hässliche Fratze zeigte. In diesem Jahr merkt man das vor allem im MyCareer-Modus. Hier spielt man einen selbsterstellten Spieler, der sich auf Umwegen den Weg in die amerikanische Profiliga bahnen muss. Ich war schon in den letzten Jahr nie ein Fan der Geschichten, die NBA 2K erzählte. Zu viel Pathos, übertrieben kitschige Sportromantik, unangenehme Dialoge der Kategorie “Sprüche für Wandtattoos”. Wenn ich etwas Positives über die diesjährige Story sagen kann, dann, dass es wohl die unaufgeregteste und knackigste Geschichte war, die in den letzten fünf Jahren erzählt wurde. Immerhin.

Was mich in diesem Jahr nachhaltig gestört hat, ist der harte Fokus auf Ausstatter und Sponsoring-Verträge, die mir schon angeboten werden, obwohl ich noch nicht ein Spiel in der NBA absolviert habe. Dass es Spieler gibt, die schon vor ihrer Karriere in der NBA Multimillionäre sind, weil sie bei Nike unter Vertrag stehen, mag realistisch sein. Das kann ich als Fan des Sports aber immerhin ausblenden, wenn es mich nicht interessiert. Hier sitze ich auf dem Sofa und schaue mir Zwischensequenzen an, in denen mir digitale Vertreter von Nike, Jordan, Adidas und sonstwem erzählen, was ihr Firmen-Purpose ist und dass ich nur bei Ihnen „wirklich ich“ sein darf. Deep shit right there. 

 

NBA2K-VC

Total absurd wird es dann, wenn ich mit Karl-Anthony Towns dem Star-Spieler der Minnesota Timberwolves abends auf dem Freiplatz abhänge. Da wird nicht etwa Basketball gespielt, da wird mir ein Vortrag über Gatorade gehalten. Das sei ja das Sportlergetränk schlechthin und klar, da gebe es wohl gar keine Diskussion, wenn ich hier ein Vertragsangebot erhalte, dann sollte ich das unbedingt annehmen. Denn: Gibt es wirklich einen anderen Sportgetränkeanbieter, der derart geilo wie Gatorade sei? Die beiden lachen beim Gedanken an die Nachmacher kurz auf. Mein Spieler-Charakter, kritisch und nachdenklich wie er ist, nickt im Anschluss euphorisch und schwelgt in Erinnerungen an seine ersten Gatorade-Erfahrung und seine liebste Geschmacksrichtung. Derweil sitze ich mit dem Controller auf der Couch und suche panisch nach einem Gefäß, in das ich kotzen kann. 

Noch einmal: Mir ist bewusst, dass NBA-Spieler und vor allem die sogenannten Superstars zahlreiche Sponsoring-Verträge haben, mit Marken zusätzliches Geld verdienen und das sollen sie alle auch gern machen. Unter dem Deckmantel des Realismus aber einen Story-Modus zu schreiben, der im Grunde eine fünfstündige Dauerwerbesendung ist, die hier und da durch Gameplay unterbrochen wird, ist eine Frechheit. Und damit ist es auch nicht genug. Der MyCareer-Modus ist in den letzten Jahren immer mehr zum Lifestyle-Simulator verkommen. Wer sich rare Sneaker im richtigen Leben nicht leisten kann, kauft sie für die digitale Währung einfach im Spiel. Für 9.000 VC spielt man entweder zwischen neun bis elf Spiele oder gibt knapp drei Euro aus. Hier noch ein Tattoo, da noch ein Basecap? Komm, ein kleines Retro-Trikot sollte echt drin sein! Der eigene Spieler muss einzigartig sein!

Die digitale Währung wird mit jedem absolvierten Spiel “verdient”, doch mit ihr muss alles im Spiel freischaltet werden – gerade im MyCareer-Modus wertvoll: Statusverbesserungen des eigenen Spielers, damit dieser eventuell auch mal zwei Würfe in Folge trifft. Für SpielerInnen, die zusätzlich die umfangreichen Optionen zur Individualisierung des eigenen Charakters nutzen wollen, bedeutet das: stundenlanger Grind oder einfach mal einen Zwanni investieren – ist ja das “beliebtestes Angebot”.

NBA2K-Antetekounmpo

Der MyTeam-Modus schießt in Sachen Mikrotransaktionen aber den Vogel ab: Der Modus ist in jedem Jahr mehr zum schwarzen Loch für zusätzliche Investitionen der SpielerInnen verkommen. Jede Woche winken neue Angebote, die zeitlich begrenzt sind, die besondere Spieler aus der Vergangenheit oder Gegenwart in den Fokus setzen. Dazu gibt es zahlreiche Lootbox-Varianten mit deren Kauf man lediglich Chancen auf Spieler einer gewissen Klasse hat. Im Triple-Threat-Modus spielt man darum, am Ende ein Glücksspiel entscheiden zu lassen, welche Belohnung es für einen Sieg gibt. Oder gewinnt mal eben 1.000 (!) Spiele für einen Hauptpreis. Das sind Grind-Mechaniken, die ich sonst nur von mobilen Spielen kenne, die kostenlos in den App-Stores verfügbar sind. 

Die Gewinne, die man beispielsweise beim Format “Domination” erhält, sind im Vergleich zu den Vorjahren eingedampft worden. So werden keine Trikots der Teams, die man besiegt hat, mehr freigeschaltet. Die kann man mit MyTeam-Währung im Auktionshaus kaufen. Pro Spiel auf durchschnittlicher Schwierigkeit gibt es zwischen 700 und 1.000 dieser MyTeam-Dollars – die Kosten für optische Goodies, wie Trikots, sind schnell vierstellig, bei richtig guten Spieler-Karten schaut man sich dann richtig um: 50.000 bis 500.000 MyTeam-Dollars sind aberwitzig. Es ist schon fast zynisch, wie das Spiel seinen SpielerInnen dann für das tägliche Einloggen im Modus damit belohnt, dass man ein Glücksrad drehen darf – für die Chance auf einen legendären Spieler oder ein paar Trostpreise. 

NBA2K-Game

Das Ärgerliche an der ganzen Sache ist ja: Das Spiel in seiner reinen Form ist weiterhin konkurrenzlos. Kein anderes Spiel fühlt sich so realistisch an, kein anderes Spiel schafft es, den komplexen Sport so… nun, spielbar zu machen. Doch jedes Menü ist voll mit Werbegrafiken von Tippi-toppi-Angeboten und lockt an jeder Ecke mit dem nächsten Deal. Gebe ich kein Geld aus, um digitale Währungen aufzustocken, muss ich streng damit haushalten und in Kauf nehmen, dass ich für Individualisierungen, Verbesserungen oder Starspieler-Karten meine gesamte Freizeit investieren muss. Am Ende bleibt die Frage, was man selbst als wertvoller ansieht: Die eigene Zeit oder die Virtual Currency von NBA 2K20

Als großer Fan des Sports fühle ich mich, als würde ich am Stockholm-Syndrom leiden. Ich will das Spiel spielen und die Mikrotransaktionen ignorieren – bislang habe selbst ich in jedem Jahr sicher 20 bis 30 Euro ausgegeben. Für Bullshit, an den ich mich inzwischen nicht mehr erinnern kann. 2K20 zieht die Daumenschrauben wieder an, die Belohnungen werden rarer, die Individualisierungen teurer, die Glücksspiele häufiger. Dann bleibt am Ende eben mehr Zeit, sich die richtigen Spiele anzusehen, immerhin verspricht die Saison 2019/2020 eine der spannendsten der letzten Jahre zu werden. 

 

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen.

Originaltitel: NBA 2K20

Plattformen: Windows, Xbox One, PlayStation 4

Entwickler: Visual Concepts

Veröffentlicht von: 2K Sports





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