„Tasogare – Liebestoll im Abendrot“ von Shinji Imaoka

Toki doki

„Tasogare – Liebestoll im Abendrot“ von Shinji Imaoka

2009-tasogare-1-originalWie kann man mit Tabus umgehen? Man kann versuchen sie zu respektieren, man kann sich anschicken, sie auf die harte Tour kaputt zu konfrontieren. Shinji Imaokas „Liebestoll im Abendrot“ geht einen sanfteren Weg: Er macht sich einen Spass daraus – und liefert eine unwahrscheinlich feinfühlige Anarcho-Komödie über Liebe und Sex im Alter.

Von Christof Zurschmitten.

Regelmässige Leser dieser Seiten haben längst die Erleuchtung gefunden und wissen, was ein „pink film“ ist. Alle anderen können sich hier , hier oder hier schlau machen. Oder mit angehaltenem Atem den folgenden Abschnitt überfliegen: „Ein pinku eiga ist ein unabhängig produzierter japanischer Film mit eindeutig sexuellem Inhalt, der für ein Netzwerk spezialisierter Kinos auf 35mm-Film gedreht wurde, in der Regel mit Hilfe einer (semi-)professionellen Crew und ebensolchen Darstellern, mit einem geringen Budget, einer Drehzeit von knapp Woche und einer Laufzeit von gut einer Stunde, die wiederum strukturiert wird durch eine Sex- und/oder Nacktszenen ca. alle zehn Minuten, wobei die Abbildung von Schambehaarung oder Geschlechtsteilen vermieden wird.“ So viel zu den harten Fakten, ab jetzt wird’s wieder sanfter.

Buena Vista Social Club meets Buster Keaton
Das Interessante am „pink eigua“ war und ist, dass er Filmmachern, die sich auf diese drakonischen Beschränkungen einlassen, ansonsten kaum Grenzen setzt. Das Genre hat somit die absonderlichsten Blüten getrieben, Sexfilme mit Agitpropabsichten etwa, mit schwer psychedelischer Breitseite, psychotischen Grau-samkeiten oder sozialkritischen und existentialistischen Anklängen. In den letzten Jahren hat sich aber eine Gruppe von Regisseuren hervorgetan, die eher hellere Tönen anstimmen und dank ihrer Erfolge (auch) im Westen als „Sieben Glücksgötter des Pink“ bekannt wurden. Shinji Imaoka ist eines dieser göttlichen Wesen, das tatsächlich ein Wunder vollbracht hat: Sein Softporno „Tasogare“ schaffte es bis in die deutschen Kinos – nicht nur seines ungewöhnlichen Themas, sondern mehr noch seines ungewöhnlichen Zugangs dazu wegens.

Zentrum dieses Films ist Funakichi (Masaru Taga), früher Handwerker, jetzt aber 65 Jahre alt und, wie er sagt, „am Warten auf den Tod“. Allerdings nicht in Lethagie, in Gegenteil: die Wartezeit verkürzt er sich toki doki – von Zeit zu Zeit also – mit dem Aufenthalt in Stripclubs, mit Sex oder dem Blick unter den einen oder anderen Rock. Da „Tasogare“ ein pinku eiga ist, dient dies in erster Linie dazu, nackte (und hier noch junge) Körper in verschiedenen Stufen der Erregung in Szene zu setzen – aber nicht minder dazu, einem in jüngsten „pinku eigas“ durchaus nicht seltenen einigermassen absurden Humor zu frönen. Was ins Senile und Peinliche kippen könnte, nimmt sich in den Auftaktminuten von Imaokas Film aber eher wie eine drollige und libidinöse Variante des „Buena Vista Social Clubs“ aus.

2009-tasogare-2-originalUnd dann geschieht das eigentlich Grossartige: ohne das Register je endgültig zu wechseln, wird nach und nach die Ernsthaftigkeit eingeholt. In Form der tödlichen Krankheit von Funakichis Frau etwa, die an der Schwelle des Todes ihre An-standsdünkel überwindet und ihrem ewig 17-jährigen Ehemann damit näher rückt denn je – eine so unerwartete wie bewegende Szene. An einem Klassentreffen begegnet Funakichi schliesslich Kazuko (Yasuko Namikibashi) – und die beiden tasten sich langsam heran an etwas, das sich zwischen Affäre und Liebe gar nicht erst entscheiden will (in jedem Fall aber ungemein anrührend ist). Auch Sex zwischen den gealterten Liebhabern wird ganz selbstverständlich gezeigt – schliesslich ist und bleibt dies, allen Unwahrscheinlichkeiten zum Trotz, ein Softporno.

Wie der ernstere Verwandte im Geist „Wolke 9“ verzichtet „Tasogare“ wohltuend auf alles Sensationsheischende, das Tabu wird nie als solches ausgestellt. Ungewöhnlich genug für einen vordergründig pornographischen Film – immerhin ein Gerne, dem es landläufig um nichts weniger als die grelle Ausstellung des ansonsten Verborgenen geht. Ungewöhnlicher noch, dass der japanische Film hierin sogar noch einen Schritt konsequenter ist als das deutsche Pendant: Denn natürlich hat die späte Leidenschaft auch in der Gesellschaft der instutionalisierten Scham gegen innere wie äussere Hindernisse zu kämpfen – aber das Tabu wird nicht dadurch wieder eingeholt, dass es im Fatalismus endet. Jeder Ansatz dazu wird letztendlich im Lachen aufgelöst – ein Glücksfall, dieser Einfall, dieser Film.

Ausstattung
Eher mau: Es gibt zwar eine deutsche Synchronspur, Ton und Bild sind auch ok wie stets bei Rapideyemovies. Neben dem Trailer gibt es aber leider kein einziges Extra.

 

Seit dem 22. Februar 2009 im Handel.

Originaltitel: Tasogare 2008
Regie: Shinji Imaoka
Darsteller: Masaru Taga, Yasuko Namikibashi, Kyoko Hayami
Genre: Pinku eiga
Dauer: 64 Minuten
Bildformat: 1:1,85 (4:3)
Sprachen: Deutsch, Japanisch
Untertitel: Deutsch (optional)
Audio: DD 5.1 (japanisch), DD 2.0 (deutsch)
Bonusmaterial: Trailer
Vertrieb: Max Vision

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert