„Remember me“ von Allen Coulter

Carpe momentum

„Remember me“ von Allen Coulter

Remember me 1

Die junge Männerwelt dürfte stöhnen und sich ihren Teil denken, wenn sie das Filmplakat von „Remember me“ sieht; Robert Pattinson, die Sexphantasie jeder zweiten Frau unter fünfundzwanzig, lächelt glücklich in schwarzweiss, von einer blonden Schönheit zärtlich liebkost. „Noch so eine bittersüsse Romanze für Frauen, denen wir nicht genügen“, mögen sie denken. Sie irren.

Von Lukas Hunziker.

Pattinson könnte einem fast leid tun: wäre er nicht dauernd bewacht, hätten ihn Horden mänadischer Teenager wohl schon längst in Stücke gerissen, aus schierem Liebeswahn oder Frust über die unlängst sogar vom Blick am Abend verbreiteten Gerüchte seiner Vaginaphobie. Wirklich leid tut er einem trotzdem nicht, denn erstens erging es Johnny Depp oder Leonardo die Caprio seinerzeit kaum anders, (und siehe da, sie haben es überlebt), und zweitens gehört ein Mann, der unrasiert, unfrisiert und mit knapp als Kleidung durchgehenden Tuchfetzen behangen immer noch alles ins Bett kriegen würde, was Arme und Beine hat, irgendwie bestraft. Umso erstaunlicher und sympathischer ist es, dass er sich trotzdem nicht komplett den eintönigen Schönlingsrollen Hollywoods verschrieben hat, sondern sich bemüht, weiterhin Charakterrollen zu spielen, wie er dies beispielsweise schon in „Little Ashes“ (als junger Salvador Dalí) getan hat. „Remember me“ mag auf den erste Blick zwar nach einer jener romantischen Komödien aussehen, in denen wir Pattinson nie sehen wollten, gehört aber tatsächlich zu den Filmen, in denen er mehr als ein Sexsymbol spielen muss. Was nach langweiligem Leinwandgeturtel aussieht, entpuppt sich als komplexes und untypisches Drama.

Youth in Revolt

Pattison spielt Tyler Hawkins, einen einundzwanzigjährigen Studenten, der an einen toten Punkt seiner Jugend gelangt ist. Seine Sinneskrise beschreibt er mit einem Zitat von Ghandi: „Was immer du im Leben tust, ist unbedeutend, aber es ist sehr wichtig, dass du es tust“. Tyler zweifelt nicht am ersten, sondern am zweiten Teil dieses Satzes, und so verschreibt er sich dem Nichtstun und der Gleichgültigkeit. Doch dann erregen zwei Männer seinen Zorn: sein Vater, welcher seine Karriere über Tyler und dessen Schwester Caroline stellt, und ein Polizist, der ihn bei einem Handgemenge, in welchem Tyler die Opfer verteidigen wollte, festnimmt und ihm nicht glaubt, was am Tatort passiert ist. Aidan, Tylers Mitbewohner, hat zumindest für den Konflikt mit dem Polizisten eine Lösung parat: er empfiehlt Tyler, dessen Tochter Ally zu verführen, um sich zu rächen.

© Ascot Elite
© Ascot Elite

Die Handlung wäre damit vage umrissen, über den Film sagt sie allerdings wenig aus. „Remember me“ erzählt vordergründig zwar eine Liebesgeschichte, deren Anfang konstruierter kaum sein könnte, doch eigentlich geht es dem Film um die Vergangenheit seiner Figuren, die alle mit einem Verlust zu kämpfen haben. Tylers Familie ist noch immer nicht über den Selbstmord von Tylers Bruder hinweggekommen und das Leben von Ally und ihrem Vater ist noch immer gezeichnet vom Schock, den die Ermordung von Allys Mutter hinterlassen hat. Coulters Film stellt die Frage, wie Menschen mit einem unerwarteten und unbegreiflichen Schock überleben können und wie dieser sie zeichnet. Dies geling vor allem daher recht gut, weil die beiden Ereignisse nie im Vordergrund stehen, darüber geredet wird nur selten. Vielmehr liefern sie eine Erklärung für das eigenwillige Verhalten von Tyler und Ally, die einander ein Stückchen von dem geben, was in ihrem Leben bisher lange gefehlt hat. „Live the moments“ lautet die Tag-Line des Films, und so banal dies klingen mag, der Film verdeutlicht nur allzu anschaulich, dass es sich tatsächlich lohnt, jede Scheissminute im Leben zu geniessen.

Dramaturgie ohne Kompass

Dass die Story in „Remember Me“ eher sekundär ist, merkt man aber erst am Schluss des Films. Bis dahin wundert man sich oft, wohin dieses etwas vertrackte Liebesdrama hinführen soll. Über weite Strecken wirkt der Film ebenso orientierungslos, wie Tyler in seiner Sinnkrise; lange brennen die Konflikte zwischen den Figuren auf Sparflamme. Würden die Nebenfiguren nicht von Darstellern wie Pierce Brosnan, Chris Cooper, Lena Olin und der goldigen Ruby Jerins getragen, würde die Story trotz dem charismatischen Pattinson und der schönen Emilie de Ravin (bekannt aus „Lost“ und „The Hills have Eyes“) in die Langeweile abdriften. So jedoch hält man durch, bis die Konflikte dann doch etwas aufflammen und der Film zu einem Schluss kommt, der die Gemüter spalten wird.

Als Kritiker ist man bei „Remember me“ vor allem froh, wenn man für ein Magazin arbeitet, das sich der Sterne-Bewertung verwehrt. Denn auch zwei Wochen und einige Diskussionen nach der Pressevorführung weiss man nicht, was man von dem Film jetzt halten soll. Was aber eigentlich gerade Grund genug wäre, sich ihn anzuschauen.


Seit dem 25. März 2010 im Kino.

Originaltitel: Remember Me (2010)
Regie: Allen Coulter
Darsteller: Robert Pattison, Emilie de Ravin, Chris Cooper, Pierce Brosnan, Lena Olin, Ruby Jerins
Genre: Drama
Dauer: 128 Minuten
CH-Verleih: Ascot Elite

Im Netz
Trailer

Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert