„Meine Songs sind vertonte, verdichtete Alltagsgeschichten“

„Meine Songs sind vertonte, verdichtete Alltagsgeschichten“

Alle Bilder: Corinne Koch. www.sina.li
Alle Bilder: Corinne Koch. www.sina.li

Das grosse nahaufnahmen.ch-Interview:

Sinas neustes Album „Ich schwöru“ glänzt mit doppelbödigen Texten, abwechslungsreichen Kompositionen und ausgefeilten Arrangements. Nahaufnahmen.ch traf die sympathische Walliserin in einem Zürcher Nudel-Lokal zum Interview und sprach mit ihr über die teilweise zermürbende Arbeit am neuen Album, spannungsvolle Momente mit dem Symphonischen Orchester Zürich sowie über Parfumverkäuferinnen, professionelle Wortjongleusen und Themendetektive.

nahaufnahmen.ch: Sina, du hast gesagt, dein neues Album „Ich schwöru“ sei wie ein Lieblingstape für die besten Freunde. Wenn du ein Tape mit deinen Lieblingssongs von anderen Künstlern zusammenstellen würdest, welche wären da drauf?

Sina: Ich würde ganz sicher Lieder von Vaya con Dios, Elvis, Queen, Deep Purple, Foreigner und Abba auf die Kassette aufnehmen. Dies sind ein paar Bands und Musiker, welche mich in den letzten 30 Jahren begleitet haben. Was ich mit der Aussage, „Ich schwöru“ sei wie ein Lieblingstape für die besten Freunde, antönen wollte, war der Mix aus Jazz, Pop, bis hin zu Bossa, welchen das neue Album abdeckt. Ich hatte die Absicht, mit den Liedern in verschiedene Stimmungen einzutauchen. Bei anderen Künstlern mag ich es sehr gerne, wenn ein Album nicht nur eine einzige Stimmung hat, sondern etwas, das mich immer wieder zum Zuhören bringt. Das wollte ich nun selber umsetzen.

nahaufnahmen.ch: Die neuen Lieder klingen sehr entspannt. Inwiefern war dies beabsichtigt?

Ich nehme das als Kompliment, dass es entspannt tönt. Der Prozess ist definitiv nicht so entspannt wie das Resultat. Wenn man ein Jahr lang an den Songs herumschraubt, kommt es vor, dass man in eine Sackgasse läuft, den Kopfhörer in die Ecke wirft und wieder von vorne beginnt. Aber schlussendlich geht es darum, dass die Leute das Gefühl haben: „Hej, das kommt alles so selbstverständlich daher. Ich glaube, das könnte ich auch.“ Die Arbeit hinter dem fertigen Album sollte man nicht spüren, aber sie ist natürlich da.

nahaufnahmen.ch: Dauerten die Aufnahmen zum neuen Album ein ganzes Jahr oder ist der Prozess des Liederschreibens ebenfalls in dieser Zeitspanne enthalten?

Alles in allem ging es von den ersten Demos bis zu den fertigen Aufnahmen etwa ein Jahr. Die Demos waren relativ lange eine Art Skelette, nur mit meiner Stimme zur Klavier- oder Gitarrenbegleitung. Für mich war es neu und etwas schwierig, ganz lange bei diesen Skeletten zu bleiben. Es auszuhalten, nicht gleich der ersten Idee, die man hat, nachzugehen, sondern vielleicht erst die vierte Idee, welche dann auch wirklich gut zum Lied passt, umzusetzen. Ich habe das diesmal ganz bewusst gemacht. Meine Mitkomponisten musste ich in ihrer Euphorie richtig zurückbinden und ihnen ab und zu sagen: „Kommt, jetzt lassen wir den Song mal zwei Monate, so wie er ist und danach schauen wir, was ihm am besten steht.“ Das Resultat sind all die Musiker, die schlussendlich im Studio waren: Von der Bläser-Sektion des Swiss Jazz Orchestras bis zum Streichquartett und dem Symphonischen Orchester Zürich. All dies konnte in das Album einfliessen.

nahaufnahmen.ch: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Symphonischen Orchester Zürich?

Das symphonische Orchester Zürich, welches sehr innovativ ist und immer wieder Crossover-Projekte mit Künstlern realisiert, fragte bereits vor eineinhalb Jahren an, ob es meine Pop-Songs symphonisch umsetzen könne. Ich fand dies spannend. So hörten wir unsere Songs einmal ohne Schlagzeug und elektrische Gitarre, nur in symphonischer Begleitung. Das war ein richtiges Abenteuer. Während der Entwicklung des Projektes kam mir der Song „Ich schwöru“ in die Quere. Diese Ballade anerbot sich plötzlich, symphonisch zu tönen. Wir probierten dann, das Lied mit dem Orchester umzusetzen. Vor dem ersten Konzert installierten wir ein mobiles Studio und hatten genau zweimal die Möglichkeit, das Orchester aufzunehmen. Es war ein sehr spannungsvoller Moment. Zwischendurch fiel immer mal wieder jemandem der Geigenbogen herunter, jemand schlug die Türe zu oder der Wind wehte ein Notenblatt auf den Boden. Ich wusste genau: Jetzt kommen gleich die Konzertbesucher, das Konzert beginnt nächstens und ich will diesen Song im Kasten. Ich dachte mir: „Hoffentlich kommt das gut!“ Glücklicherweise klappte jedoch alles und schlussendlich hatten wir zwei Aufnahmen, welche wir im Studio bearbeiten konnten. Danach galt es, das Klavier und die Gesangsstimmen aufzunehmen. Das Lied ist somit in drei Phasen entstanden und hat sich durch die Anfrage des Symphonischen Orchesters Zürich entwickelt. Es war also nicht geplant, dass ich ein ganzes Symphonieorchester auf der CD habe. Im Nachhinein ist es ein wahrer Glücksfall.

nahaufnahmen.ch: Das Lied „Ich schwöru“ ist ein Duett mit Büne Huber. Wieso hast du gerade ihn als Duettpartner ausgewählt?

Ich konnte mir niemand anderes vorstellen, der dieses Duett mit mir hätte singen können. Es ist eine Liebesballade, in welcher Büne von Anfang an der andere Pol war. Somit war ich sehr glücklich, dass ihn das Lied genauso wie mich berührt hat und wir zusammen im Studio stehen und das Lied aufnehmen konnten.

nahaufnahmen.ch: Die Berner Musikszene ist auf dem Album gesanglich in doppelter Hinsicht vertreten. Steff la Cheffe wirkt auf dem Song „Schi mägunt mi nit“ mit. Wie kam es zu ihrer Mitarbeit?

Seit Jahren habe ich immer wieder mit Bernern zusammengearbeitet. Die erste CD nahm ich zusammen mit der Schmetterband auf und arbeitete immer mal wieder mit Polo und auch mal mit Ritschi zusammen. Es gibt eine Art Berner-Walliser-Connection, die seit Jahren wie geschmiert läuft. Diesmal suchte ich jedoch nicht spezifisch nach einer Berner Sängerin oder Rapperin, sondern nach jemandem, der die Schnauze einer Steff la Cheffe hat und genau das ausdrücken kann, was ich in dem Lied nicht sagen darf. Nämlich: „Ich will hier weg! Das wird nichts mit uns!“ Das Lied handelt von der ersten Begegnung mit den Schwiegereltern in spe, bei der man bereits nach ein paar Sekunden merkt: „Das kommt nicht gut!“. Steff la Cheffe ist in dem Song die innere Stimme, die ausdrückt, was ich eigentlich denke. Sie schrieb den Rap-Part des Liedes, weil sie sich total mit dem Lied identifizieren konnte.

nahaufnahmen.ch: Sind während der Arbeit an der neuen CD auch Lieder entstanden, die es nun nicht aufs Album geschafft haben?

Manchmal merkt man, dass der Weg eines Liedes an einem bestimmten Punkt aufhört, weil es zu wenig gut ist. So bleibt einiges auf der Strecke. Bei diesem Album waren es ungefähr 23 Songmuster, die sich bis zu einem gewissen Punkt entwickelt haben. Einige Lieder sind fertig und gehen vielleicht in einem anderen Projekt einen weiteren Weg. Die meisten fallen jedoch weg, weil man in drei Jahren, wenn die nächste Platte entsteht, an einem anderen Punkt ist und gewisse Dinge dann nicht mehr stimmen.

nahaufnahmen.ch: Wie merkt man, welche Songmuster sich weiterentwickeln können?

Es ist die Kombination aus einer Melodie, die mich begeistert und berührt, und einem Thema, das mich interessiert. Auf dem neuen Album hat es einen Song, der „Nit cool enough“ heisst. Den Text dazu gibt es bereits seit vier Jahren. Erst bei der Arbeit für die neue CD fand sich dafür eine Melodie. Manchmal lohnt es sich also, zu warten, bis die beiden Komponenten Musik und Text zusammengehen. Es ist ganz wichtig, dass eine Geschichte, die man erzählt, eine entsprechende Stimmung hat. Dies geschieht nicht immer automatisch. Die Arbeit an einem Album, welches leichtfüssig daherkommen soll, ist zum Teil zermürbend. Zwischendrin hat man das Gefühl, das komme nie gut. Wenn am Schluss das Album fertig ist und man das Gefühl hat, die Arbeit daran sei nur Friede, Freude, Eierkuchen gewesen, so stimmt das nicht ganz.

Manchmal gibt es Lieder, die man fallen lassen muss, auch wenn man noch so intensiv daran arbeitet. Es gab beispielsweise den Song „Fragä“, eigentlich einer meiner Lieblingssongs, welchen ich bereits auf dem letzten Album haben wollte. Wir haben verschiedene Varianten ausprobiert und mussten am Schluss sagen: „Es geht nicht“. Dabei ist die Musik des Liedes treibend und der Text, welcher aus teilweise recht existenziellen Fragen über das Leben besteht, ist super. Obwohl ich immer fand, das komme am Schluss gut, wir müssten einfach lange genug dran bleiben, konnten wir das Lied nicht „bodigen“.

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nahaufnahmen.ch: Hast du dich eigentlich auch schon „Nit cool enough“ gefühlt, wenn du, aus einer ländlichen Gegend anreisend, in einer Grossstadt aus dem Zug gestiegen bist?

Obwohl ich nun doch schon ein paar Jahre auf dem Buckel habe, kann ich die Gefühle einer 18-Jährigen, die aus einem Dorf kommt und zum ersten Mal nach Zürich geht, immer noch sehr gut nachvollziehen. Als ich damals mit 18 nach Genf zog, ging es mir genau gleich: Ich hatte die falschen Schuhe an, eine Frisur, die zu wenig hip war und kannte niemanden. Im ersten Moment, bis man sich richtig eingelebt hat, fühlt man sich nicht wirklich wohl in einer Stadt, in der alles pulsiert und in welcher jeder das Gefühl hat, am Zeitgeist mitzuschreiben. Man selber hat dann den Eindruck, immer ein bisschen daneben zu stehen.

nahaufnahmen.ch: Wie „Nit cool enough“ entstand auch „Parfum“ in Zusammenarbeit mit Milena Moser. Das Lied ist eine Art vertonte Kurzgeschichte.

Ich erinnerte mich an all die Schüler und Schülerinnen meines Jahrgangs, mit denen ich früher auf dem Pausenplatz herumstand. An diejenigen mit der grossen Klappe, die schon damals wussten, dass sie später einmal Karriere machen würden. Sie waren gut in der Schule und man hatte das Gefühl, denen stehe die Welt offen. Im Nachhinein sah ich, wie wenig dies mit Lebenstüchtigkeit und sozialer Kompetenz zu tun hat. Ob jemand sein Leben packt oder nicht, sieht man immer erst im Nachhinein. Der Song „Parfum“ handelt von einer Frau, die als Mädchen bereits wusste, dass sie mal berühmt sein wird und Autogrammkarten verteilte, welche einmal ganz viel Wert sein würden. Schlussendlich wird aus ihr eine Parfumverkäuferin. Das ist überhaupt nicht abschätzend gegenüber Verkäuferinnen gemeint. Es soll aber zeigen, dass Träume, die man früher mal hatte, sich zerschlagen können und man schlussendlich ganz woanders landet.

nahaufnahmen.ch: Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit Milena Moser vorstellen?

Schön! (lacht) Ich habe meine Vorstellungen davon, was ich auf einem Album thematisieren möchte. Meine Songs sind vertonte, verdichtete Alltagsgeschichten, Manchmal haben sie einen offenen Schluss, zum Teil sind sie autobiographisch, zum Teil aus der Beobachterrolle geschrieben. Es sind einfach Geschichten, die mich beschäftigen. Ich erzähle Milena, was mich interessiert und frage sie, ob sie eine Idee hat, wie man dies umsetzen könnte. Es ist für mich ein Glück, mit Leuten arbeiten zu können, bei denen das Wort im Mittelpunkt steht, die also professionelle Wortjongleusen sind. Milena ist eine dieser Personen, die ich nicht nur als Mensch sehr mag, sondern die zudem in meinem Sinn Geschichten formuliert. Das ist ihr auch mit „Parfum“ wunderbar gelungen.

nahaufnahmen.ch: Du arbeitest ebenfalls mit der Schriftstellerin Sibylle Berg zusammen. Inwiefern gibt es in der Zusammenarbeit mit Milena und Sibylle Unterschiede oder Gemeinsamkeiten?

Im Ablauf ist die Zusammenarbeit sehr ähnlich. Mit Sibylle gibt es ein Hin und Her, ein Schieben von Texten, bis die Rhythmik, die Thematik, die Emotion und zum Schluss die Übersetzung eines Liedes emotional und musikalisch bei mir angekommen ist.

nahaufnahmen.ch: Gibt es weitere Schriftstellerinnen und Schriftsteller, mit denen du gerne einmal zusammenarbeiten würdest?

Es würde ein paar Männer geben…Ich habe mal eine Zusammenarbeit mit Richard Reich angefangen und ebenfalls mit Ralf Schlatter gearbeitet, welcher den wunderschönen Text zu „D’ Wält uf um Chopf“ (für das Album „All:Tag“, Anm. d. Red.) verfasst hat. Es gibt eine Menge Leute, mit denen ich mir eine spannende Zusammenarbeit vorstellen könnte. Momentan suche ich jedoch niemanden, da mein Team vollständig ist.

nahaufnahmen.ch: Könntest du dir auch wieder ein literarisches Konzert vorstellen, bei dem du singst und Sibylle Berg sowie Milena Moser lesen? Du hast das vor Jahren mal in Deutschland zusammen mit Sibylle gemacht.

Das war super. Sibylle hat Texte zu Themen gelesen, die zu meinen Liedern passten. Zwischendurch habe ich immer wieder gesungen. Die Abende sind mir in sehr guter Erinnerung geblieben. Nach wie vor könnte ich mir ganz Vieles vorstellen. Die erste Zusammenarbeit mit Sibylle Berg entstand für das Trash-Musical „Helges Leben“, zu welchem ich gemeinsam mit Erika Stucky die Songs geschrieben habe. Weil wir gerade so schön in der Thematik drin waren, fand Sibylle, ich und Erika könnten auch noch gleich eine Rolle im Musical übernehmen.

nahaufnahmen.ch: Sibylle Berg hat den Text zum Song „Mentag“ verfasst, einem Lied über lethargische Sonntage. Treibende Kraft dieses Songs ist ein Banjo. Die Songwriterin Sophie B. Hawkins hatte vor langer Zeit eine Auseinandersetzung mit ihrer damaligen Plattenfirma, welche das Banjo auf einem Song partout durch ein anderes Instrument ersetzt haben wollte. Wie viel Freiheit lässt dir deine Plattenfirma bei der Konzeption eines Albums?

Wer bezahlt, kann mitreden. Dies ist ein Credo, welches man so stehen lassen muss. Was die Musik sowie die Themen meiner Lieder betrifft, ist meine Plattenfirma sehr, sehr locker. Da muss ich nicht mehr durch eine moralische Instanz gehen und es werden mir auch keine Themendetektive auf den Hals geschickt. Zu Fotomaterial und Albumtitel bildet sich die Plattenfirma jedoch eine eigene Meinung und kann gerne auch mitreden. Es gibt Diskussionen, Sitzungen und zum Schluss einigt man sich.

nahaufnahmen.ch: Der Song „Geburtstag“ hat eine sehr eigenwillige Instrumentierung. Du wirst nur von Blasmusikern begleitet.

„Geburtstag“ ist neben „Mentag“ der einzige Song auf dem Album, für welchen ich die Musik ganz alleine komponiert habe. Ich hatte einfach diesen Ostblock-Sound im Kopf. Das Arrangement hat aber auch mit dem Text zu tun. Es geht darum, schon wieder ein Jahr älter zu werden und das Gefühl zu haben, man werde dies locker wegstecken. Nur um am Geburtstag selber zu merken, dass dem überhaupt nicht so ist. Man hat jedoch die Hoffnung, dass es noch anders wird und einem im nächsten Jahr dann wirklich egal ist. Um zu vergessen, wie weh es tut, dass man wieder ein Jahr älter geworden ist, muss man den Refrain ganz laut mitgrölen. Das Lied soll zum Mitsingen animieren. Das ist eigentlich die Idee des Songs gewesen. Darum musste als Begleitung eine Bläser-Combo her, die das Lied total besoffen mitsingt. Im Lied herrscht ja ein wenig eine abgesoffene Stimmung.

nahaufnahmen.ch: Die Songfolge auf dem Album ist ebenfalls sehr interessant. Vor „Ich schwöru“ ertönt „Villicht im Mai“, in welchem es um die Partnersuche im Internet geht. Damit man sich Treue schwören kann, muss man zuerst einmal den richtigen Partner haben…

(lacht schallend) Ja, da muss man sich zuerst einmal finden.

nahaufnahmen.ch: Wirst du von der Internet-Partnervermittlungsagentur, welche im Song vorkommt, gesponsert?

Im Nachhinein – und vor allem weil sie den Song gut finden – haben sie Kontakt mit meinem Management aufgenommen. Während ich heute Interviews gegeben habe, hatte mein Management eine Sitzung mit parship.ch. Keine Ahnung, was dabei herauskam.

nahaufnahmen.ch: „Villicht im Mai“ ist eine Art Pendant zum Song „Schi will ä Maa“ aus dem Album „4“. Nur geht die Protagonistin ihre Partnersuche jetzt etwas gelassener an: In „Schi will ä Maa“ musste ein potentieller Partner einen guten Body haben. Mittlerweile spielt es nicht mehr eine so grosse Rolle, wenn er ein kleines Bäuchlein hat.

Dies ist eine ganz logische Verschiebung von Gewichtungen und ergibt sich automatisch durch die Erfahrungen, die man macht. Mit 27 ist vielleicht ein strammer Body noch wichtiger. Mitte 40 will man einfach, dass ein Mann einen versteht und einem zuhört.

nahaufnahmen.ch: Für die Protagonistin in „Ha gmeint“, dem ersten Song auf dem neuen Album, dauert der Ruhm nicht viel länger als fünf Minuten. Du bist erfolgreich, seit 1994 deine erste Mundart-CD erschienen ist. Welches ist dein Rezept für eine lange Karriere?

Wenn man das immer so schnell in zwei Worte fassen könnte, wärs schön. Ich glaube, es gibt kein Erfolgsrezept. Ich habe probiert, etwas passioniert zu machen und eine gewisse Hartnäckigkeit zu zeigen. Dazu kam eine Portion Glück, welche es braucht, um die richtigen Leute zu treffen und im richtigen Moment etwas auf den Markt zu bringen. Ganz sicher waren meine Leidenschaft und die Liebe zur Musik dafür verantwortlich, dass ich nicht bereits in den ersten zehn Jahren, die zum Teil recht hart waren, aufgegeben habe. Von dieser Zeit spricht selten jemand. Der Punkt Null ist für alle immer beim Pfarrersohn. Zuvor musste Frau Bellwald zehn Jahre lang oft in fast leeren Klubs ohne grosse Gage spielen. Ich habe auch ein paar unschöne Seiten dieses Business erlebt und dies zur richtigen Zeit. Wenn ich da nach einem Gig, zu dem nur Besoffene kamen, und nach welchem ich eine ganze Nacht durchfahren musste, um am nächsten Morgen um 7 Uhr in Genf wieder meinen Dienst anfangen zu können, bereits aufgegeben hätte, wäre ich heute nicht hier. Ich habe mich durchgebissen.

nahaufnahmen.ch: Es war die Zeit, in welcher du hochdeutsche Schlager mit Titeln wie „Mein Herz steht in Flammen“ gesungen hast…

Das gehörte auch dazu. Es war aber gut, dass ich anfangs schön im Dunkeln munkeln konnte. Wenn immer gleich ein Scheinwerfer draufleuchtet – was bei den heutigen Casting-Shows geschieht – ist das Lichtlein auch schnell wieder weg. Sobald die Kamera abschaltet, bist du meistens auch schon wieder weg. Beim Lied „Ha gmeint“, welches du vorhin angesprochen hast, geht es vor allem darum, dass unter der Arbeit, die man als Künstler hat, gewisse Leute etwas anderes verstehen: Laute Partys, viel Geld, Glamour, rote Teppiche, Champagner, was weiss ich. Auf jeden Fall nicht das, was der Realität entspricht. Das ist deren Vorstellung von den berühmten 15 Minuten Ruhm, an denen einige Leute dann das Leben lang hängen. Ich habe ganz bewusst diese 15 Minuten auf fünf Minuten verkürzt, denn in der Erinnerung ist dann alles noch viel kürzer.

nahaufnahmen.ch: Du konzentrierst dich nicht nur auf die Musik, sondern bist immer wieder in verschiedene Theater-Projekte involviert. Zuletzt hast du in der „Dreigroschenoper“ im Zürcher Schauspielhaus mitgewirkt.

Ich bin grundsätzlich jemand, der sehr neugierig ist und vieles ausprobieren möchte. Manchmal sage ich auch etwas voreilig bei einem Projekt zu und denke dann: „Ui, jetzt habe ich ja gesagt und weiss gar nicht, was auf mich zukommt.“ Wenn ich in einem Schauspielhaus in der Dreigroschenoper mitspiele, mache ich das aber wirklich nur, weil ich darin singen kann. Ich kann zwar von Schauspielern lernen, wie ich auftreten und sprechen muss, aber immer ist die Musik da, welche mir den Halt gibt. Es gibt aber extrem viele interessante musikalische Projekte und ich werde nicht zögern, weiterhin ja zu sagen, wenn sich mir eines nähert.

nahaufnahmen.ch: Inwiefern hat sich dein Mitwirken in der Dreigroschenoper auf deine Musik und das neue Album ausgewirkt?

Bei Brecht und Weill hat mir das Dreckige und Ungeschliffene gefallen. Diese Skrupellosigkeit, die sich ebenfalls in der Musik zeigt. Man hört richtig die Schuhe auf staubigem Boden sowie die Gauner, welche nach Gier und Mordlust riechen. Dieses Rohe hört man möglicherweise auch meinem Song „Geburtstag“ an. Ich glaube, dass jedes Projekt, bei dem man dabei gewesen ist, einen prägt, Spuren hinterlässt und irgendwo in die eigene Arbeit einfliesst, auch wenn man das zum Teil gar nicht benennen kann.

nahaufnahmen.ch: Du gehst bald wieder auf Tournee und hast – abgesehen von deinem Bassisten Michael Chylewski – eine ganz neue Band zusammengestellt. Wie hast du die Musiker ausgewählt?

Sie müssen einfach gut aussehen (lacht). Das tun sie zwar, aber sie spielen auch noch ein paar Instrumente ziemlich gut. Das hilft natürlich. Es sollte ein Pianist im Mittelpunkt stehen, da auf dem neuen Album das Klavier eine wichtige Rolle einnimmt. Mit Peter Wagner fand ich einen grossartigen Pianisten, der zudem noch Gitarre, Melodica, Handorgel und diverse andere Instrumente beherrscht. Es ist eine Herausforderung, dieses Album mit seiner teilweise üppigen Instrumentierung mit vier Musikern so zu komprimieren und auf den Punkt zu bringen, dass es auf der Bühne funktioniert. Teilweise mussten wir die Arrangements extrem ändern.

nahaufnahmen.ch: Viele Musiker lassen, bevor sie auf Tournee gehen, auf ihren Websites die Fans abstimmen, welche Lieder sie in den Konzerten gerne hören möchten. Hast du dir das auch schon mal überlegt?

Ich kenne meine Fans und weiss, was diese brauchen (schmunzelt).

nahaufnahmen.ch: Also bestimmst weiterhin du das Programm…

Im Ernst: Ich weiss natürlich wirklich, was meine Fans gerne hören. Es ist allen klar, dass ich „Wänn nit jetz wänn dä“ oder „Hinnär diär“ spielen werde und der Pfarrerssohn wird mich wohl lebenslang begleiten. In dieser Hinsicht gibt es also keine grossen Experimente. Die neuen Songs werden wir aber zum Teil ziemlich durch den Fleischwolf drehen, mit interessantem Resultat. Meine Fans kriegen schon ihr Futter. Die kriegen „Gutzi“!

nahaufnahmen.ch: Sina, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Das Album:

„Ich schwöru“ (Musikvertrieb) ist seit 25. Februar im Handel erhältlich.

Hörproben gibt es auf http://yoca.do/sina_schwoeru/

Die Tour-Daten:

Am 17. März 2011 startet Sina in der Alten Taverne in Adelboden ihre neue Tournee. Eine Übersicht aller Tour-Daten findet sich auf www.sina.ch.






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