Interview mit Dani Klein

„Wenn man kein gutes Selbstbild hat, sucht man die Liebe um jeden Preis“

Interview mit Dani Klein

Von Christoph Aebi

http://www.sonymusicpromotion.ch/
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Auch auf ihrem neusten Album „Comme on est venu…“ präsentieren Vaya con Dios einen höchst delektablen Mix aus Chanson, Soul, Blues, Jazz und World Music, jedoch zum ersten Mal in französischer Sprache. Zum Funkeln gebracht werden die poetischen Songs durch die unvergleichliche Stimme von Dani Klein. nahaufnahmen.ch sprach mit der sympathischen Belgierin über die Zusammenarbeit mit ihrem Sohn, ihr Engagement für Immigranten und Romas, den Jägerinstinkt der Männer und ihre wiedergefundene Freude an Live-Auftritten.


nahaufnahmen.ch: Aus welchen Gründen haben Sie entschieden, mit „Comme on est venu..“ das erste rein französischsprachige Vaya Con Dios-Album zu veröffentlichen?


Dani Klein: Zum Glück weiss man im Leben nicht immer, wieso man etwas macht. (lacht). Ich bin jedoch mit der französischen Kultur aufgewachsen. Den ersten Liedern, welchen ich am Radio lauschte und die ersten Platten, welche ich mir anhörte, waren französische Chansons. Interpreten wie Brassens, Ferré, Brel oder Barbara waren für mein Leben sehr wichtig. Deren Platten habe ich mir tausend Mal angehört und die Lieder haben mich sehr angesprochen. Zweifellos hat sich irgendwann einmal die Idee aufgedrängt, etwas auf Französisch, einer meiner beiden Muttersprachen, zu machen.


nahaufnahmen.ch: Sie interpretieren auf Ihrer neuen CD mit „Vingt Ans“ und „Pauvre Rutebeuf“ zwei Lieder von Leo Ferré. Wie haben Sie diese aus dem riesigen Repertoire des Chansonniers ausgewählt?


Dani Klein: Ich denke, viele Dinge spielen sich im Unterbewusstsein ab. Was die Erinnerungen betrifft, haben wir ein selektives Gedächtnis. Gewisse Dinge kommen einem wieder in den Sinn, andere nicht. Wenn man seine Erinnerungen mit jemandem vergleicht, welcher dasselbe erlebt hat, sind diese oft verschieden. Ich denke, mit den Liedern ist es ähnlich wie mit Erlebnissen, welche uns geprägt haben. „Vingt Ans“ ist ein Chanson, das mich sehr beeinflusst hat. Es beschreibt gewissermassen auch das Lebensstadium, in welchem ich mich jetzt befinde: Ich bin 56 Jahre alt und habe meine Jugend hinter mir. Das Lied handelt davon. Es erzählt von der Jugend, in welcher man glaubt, man könne alles machen und verändern. Irgendwann einmal ist man jedoch mit seinem Spiegelbild und dem Altern konfrontiert. Wenn Sie so wollen, ist man damit bei seinen eigenen Lebensthemen angelangt. Ohne Zweifel hat das dazu geführt, dass ich genau zum jetzigen Zeitpunkt Lust bekam, dieses Chanson einzuspielen.


nahaufnahmen.ch: Die Lieder auf dem neuen Album sind zwar teilweise üppig arrangiert, haben gleichzeitig aber auch einen sehr intimen Klang.


Dani Klein: Das war effektiv eine Herausforderung. Ich arbeitete mit wunderbaren Jazzmusikern. Deshalb war mein Ansatz ursprünglich, die Lieder so einzuspielen, wie man dies früher tat: Sich mit den Musikern im Studio treffen, während drei Tagen proben und danach das Album aufnehmen. Das haben wir auch getan, aber das Resultat war nicht zufriedenstellend. Ich entschied mich, den intimen Charakter der Lieder zwar beizubehalten, aber ihnen eine zusätzliche Fülle zu geben. Deshalb habe ich an einem gewissen Zeitpunkt meinen Sohn angerufen, der Produzent ist und mich gut kennt und versteht. Er weiss genau, was zu tun ist. Ich finde –und das nicht nur, weil er mein Sohn ist (lacht), denn manchmal ärgert er mich auch (lacht schallend) – er hat wirklich eine bemerkenswerte Arbeit geleistet. Es ist ihm gelungen, schöne Arrangements zu kreieren, die Lieder gut einzukleiden und gleichzeitig ihre intime Seite beizubehalten.


nahaufnahmen.ch: Wie war das für Sie, mit dem eigenen Sohn an einer Platte zu tüfteln?


Dani Klein: Wir haben schon öfters zusammen etwas realisiert und sind dann wie Kollegen. Wir konzentrieren uns auf die Arbeit und vermischen sie nicht mit Privatem. Mein Sohn ist nun über 30 Jahre alt, hat sein eigenes Leben. Wir sind zwei erwachsene Personen. Ich denke nicht, dass wir während dem gemeinsamen Arbeiten eine Mutter-Sohn-Beziehung haben, sondern eher ein kollegiales Verhältnis.


nahaufnahmen.ch: Ihr neues Werk ist eines jener Alben, deren Lieder nicht als Hintergrundmusik taugen. Man sollte sich beim Anhören ganz auf Musik und Texte konzentrieren können, gerade weil diese einerseits sehr poetisch und andererseits sehr engagiert sind. „La pirogue de l’exode“ beispielsweise thematisiert das Schicksal von Immigranten. Ist dies ein Thema, welches Ihnen sehr am Herzen liegt?


Dani Klein: Hier in Brüssel gibt es Orte, an denen die Sans-Papiers sich auf der Strasse wiederfinden und gezwungen sind, nachts in Parks zu schlafen. Dies sind erbärmliche Zustände. Auf der anderen Seite gibt es Reden der extremen Rechtsparteien, welche diese Bevölkerung sehr stark stigmatisieren. Wenn man keine Zukunftsaussichten hat, verstehe ich sehr gut, dass man das Verlangen danach hat, seinem Leben eine Perspektive zu geben. Um sich dies erfüllen zu können, gibt es für viele Menschen oft nur die Möglichkeit, ihre Heimat zu verlassen und zu versuchen, in ein Land zu fliehen, wo sie – so denken sie– bessere Möglichkeiten haben. Ich kann aber auch verstehen, dass jemand, der in einem ruhigen und sauberen Quartier lebt, nicht zufrieden ist, wenn er sieht, dass sich plötzlich ein Haufen Menschen in den Strassen herumtreibt, ohne finanzielle Mittel und in mitunter erbärmlichen hygienischen Zuständen. Es ist weniger eine rechtliche und eher eine menschliche Problematik. Diese reicht viel weiter. Wenn die Menschen beispielsweise in Ländern wie Marokko, Afghanistan oder Pakistan bessere Lebensumstände und eine Perspektive hätten, würden sie sicher nicht ihre Familien, Eltern und Kinder verlassen, um im Winter in der Kälte in einem Brüsseler Park zu schlafen. Oder sich, das Leben riskierend, in Lastwagen verstecken, um nach England zu gelangen. Zudem ist da noch der Druck der Familien, die im Heimatland zurückgeblieben sind. Sie stellen sich vor, dass die Flüchtlinge, kaum in Europa angekommen, bereits reich sind und verlangen von ihnen, Geld nach Hause zu schicken. Für diese Probleme habe ich keine Lösung parat. Ich möchte diese Dinge jedoch von einem menschlichen Standpunkt aus betrachten und die Leute nicht stigmatisieren, denn ich sehe, dass ihre Probleme real sind. Wenn die Weltpolitik nicht so korrupt wäre, auch in ihren Heimatländern, hätten diese Menschen oft auch keinen Grund, auszuwandern.


nahaufnahmen.ch: Im letzten Jahr haben Sie anlässlich des Internationalen Tages der Roma im Europaparlament ein Konzert gegeben. Wenn Sie auftreten, spielen Sie ab und zu auch die Roma-Hymne „Djelem Djelem“. Gibt es einen speziellen Grund, dass Sie sich für die Situation der Roma besonders interessieren?


Dani Klein: In den letzten Jahren haben wir oft in osteuropäischen Ländern Konzerte gegeben. In Ungarn, Rumänien, Bulgarien sind wir sehr populär und werden immer sehr herzlich empfangen. Wenn wir „Djelem Djelem“ spielen, sagen die Konzertbesucher, das sei wunderbar gewesen und wir hätten eines ihrer Lieder gespielt. Die gleichen Leute aber stigmatisieren die Roma in ihren Ländern. Sie behandeln diese so schlecht es nur geht. Auf der anderen Seite gebrauchen sie die Kultur der Roma, um für den Tourismus Werbung zu machen. Diese bizarre Situation hat mich überrascht und enttäuscht. Einerseits rühmt man sich der Roma-Kultur, andererseits gibt man ihnen in der Gesellschaft keinen Platz.


nahaufnahmen.ch: Viele Liedertexte auf Ihrem neuen Album handeln von leidenden Frauen. Eine der Protagonistinnen sagt zum Beispiel, sie hätte geliebt, bis sie habe kotzen müssen (aus „A en mourir pas“). Eine andere wird von ihrem Mann geschlagen. Sind diese Texte durch Beobachtungen in Ihrer Umgebung entstanden?


Dani Klein: Ja, die Texte sind in einer gewissen Weise sogar autobiografisch. Wenn man das Bedürfnis hat, geliebt zu werden, weil man kein sehr gutes Selbstbild hat und sich selber nicht liebt, sucht man die Liebe um jeden Preis. So ist man manchmal bereit, das Inakzeptable zu billigen, um für jemand anderen zu existieren.


nahaufnahmen.ch: In einem Interview im Booklet des vor drei Jahren erschienenen Best-of-Albums antworteten Sie auf die Frage, was Sie als Ihre grösste Errungenschaft bezeichnen würden: „Die Angst, allein zu sein besiegt und mich von Ko-Abhängigkeiten befreit zu haben.“


Dani Klein: Das ist mein grosser Sieg und war für mich das Schwierigste überhaupt in meinem Leben.

nahaufnahmen.ch: Auf Youtube hat jemand Ihr Lied „Pauvre Diable“ (welches auf der „Ultimate Collection“-CD zu finden war und jetzt in einer etwas veränderten Version auf dem neuen Album nochmals auftaucht) wie folgt kommentiert: „Es ist bizarr, wie in den Liedern von Vaya con Dios die Männer immer die Schweinehunde sind“. Was würden Sie dieser Person entgegnen?


Dani Klein: (lacht) Nein, das stimmt nicht. Es gibt da beispielsweise ein Lied…(fängt an, „Don’t go looking for him lady“ aus „Far gone Now“ zu singen). Ich bin nicht der Meinung, dass Männer Schweine sind. Ich spreche effektiv von Dingen, die ich erlebt habe. Ich bin eine Frau und hatte manchmal mit Männern zu tun, die wirklich Schweine waren. Aber das heisst nun nicht, dass alle Männer gleich sind. Ich habe viele männliche Freunde, welche ich sehr respektiere. Doch in der menschlichen Natur wird der Mann immer ein Verführer und Jäger bleiben, weil er genetisch so programmiert ist. Er muss seine Art erhalten. Wenn ein Mann treu sein will, muss er also gewissermassen seinen Jägerinstinkt opfern. Es wäre aber in meinem Alter ein wenig Ehrlichkeit angebracht. Viele Leute geben sich Versprechen, ohne zu wissen, dass sie diese nicht halten können. Weil die Natur und der Instinkt plötzlich wieder einsetzen.

nahaufnahmen.ch: Im Titelsong „Comme on est venu…“ kritisieren Sie die Machtapparate, welche hinter den drei grossen Weltreligionen Christentum, Islam und Judentum stehen. Da ist beispielsweise von „senilen Heiligkeiten“ und „pädophilen Priestern“ die Rede. Wie, denken Sie, werden diese auf Ihr Lied reagieren?


Dani Klein: (lacht schallend) Wissen Sie, das Interview mit Ihnen ist das Erste, welches ich zum neuen Album führe. Ich habe keine Ahnung, wie die Leute darauf reagieren werden. Ehrlich gesagt, ist es mir egal. Ich profitiere davon, in einer Demokratie zu leben, wo man im Prinzip das Recht hat, seiner Meinung Ausdruck zu verleihen. Ich möchte keine Religion im Besonderen kritisieren. Es ist auch nicht die Tatsache, an Gott zu glauben, die mich stört, sondern dass im Namen Gottes in allen Religionen Abscheulichkeiten geschehen. Das ist inakzeptabel und zwar bei allen Religionen. Es gibt keine, die besser ist als die andere.


nahaufnahmen.ch: Das letzte Lied auf Ihrer neuen Platte, „Charly’s Song“, ist ein Instrumentalstück, welches Ihr Vater geschrieben hat.


Dani Klein: Mein Vater war Amateurmusiker und ein grosser Musikliebhaber. Er kannte sich in allen Genres sehr gut aus. Er liebte die klassische Musik und Opern sehr, jedoch auch Jazz und Samba. Als er pensioniert wurde, hatte er Lust, Klavierunterricht zu nehmen. Der belgische Pianist Frank Wuyts, ein Freund von mir, der bereits meinen Sohn unterrichtet hatte, brachte ihm das Klavierspiel bei. Während des Unterrichts spielte Frank oft die Akkorde, mein Vater die Melodien. So haben sie zusammen einige Lieder geschrieben. „Charly’s Song“ ist eines davon. Das Lied war auf einer Kassette und mein Pianist William Leconte hat es für die Musiker arrangiert. Mein Vater konnte sich das fertige Stück vor seinem Tod noch anhören.


nahaufnahmen.ch: Ich habe gelesen, dass Sie durch die Plattensammlung Ihres Vaters zum ersten Mal mit Musik in Kontakt kamen.


Dani Klein: Ja, zu jener Zeit hatten wir keinen Fernseher. Am Abend spielte mein Vater entweder auf seiner akustischen Gitarre oder er setzte sich in einen Sessel und hörte seine Platten an.

nahaufnahmen.ch: Vor fünf Jahren, als das letzte Vaya Con Dios-Album „The Promise“ erschien, sagten Sie, Sie wüssten nicht, ob Sie wieder auf Tournee gehen würden. Schlussendlich gaben Sie jedoch zahlreiche Konzerte. Eine zweite Serie mit akustischen Auftritten folgte. Wie haben Sie die Freude an Live-Auftritten wiedergefunden?

Dani Klein: Es kam der Moment, wo mir die Konzerte fehlten. Auf der Bühne zu stehen und zu singen gefällt mir sehr. Singen tue ich jedoch überall und jederzeit, das ist wie Atmen. Was ich besonders vermisste waren die Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen Musikern. Wir lachen viel und amüsieren uns. Ich fahre nun aber nicht mehr für lange Perioden weg, sondern pendle zwischen den Konzerten nach Hause zurück. So bewahre ich mein soziales Leben mit meiner Familie und meinen Freunden. Es ist nicht mehr wie früher, als ich während mehreren Monaten unterwegs war. Das ist schrecklich, weil es einen komplett von der Gesellschaft und der Realität abkoppelt. Das Leben der Freunde geht weiter, sie haben ihren Beruf und ihre Beschäftigungen. Wenn ich von einer Tour nach Hause zurückkam, sah ich mich mit einer grossen Leere konfrontiert.


nahaufnahmen.ch: Sie haben einmal gesagt, je erfolgreicher Sie waren, desto einsamer fühlten Sie sich.


Dani Klein: Ja,  genauso war es.


nahaufnahmen.ch: Im Januar 2010 startet in Brüssel Ihre neue Tournee, die im Cabaret-Stil angekündigt ist. Was können wir von der neuen Show erwarten?


Dani Klein: Für die Konzerte arbeite ich mit einem Theaterregisseur zusammen. Ich hatte Lust das Ganze, vor allem was die Beleuchtung und Atmosphäre auf der Bühne angeht, etwas theatralischer zu gestalten. Zudem plane ich, einige gesprochene Beiträge ins Programm einzuflechten.


nahaufnahmen.ch: Dani Klein, herzlichen Dank für dieses Gespräch!


CD: Vaya con Dios „Comme on est venu..“, Sony Music.


Im Netz:

www.vayacondios.info







































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