Ob Regionalwährungen wirklich halten, was sie versprechen.

Erfolgskonzept gegen die Globalisierung?

Alternative Währungen haben grosses Potential, die regionale Wirtschaft zu stärken. Vor allem während Wirtschaftskrisen haben sie sich bewährt, da die Kaufkraft innerhalb einer Gemeinschaft erhalten bleibt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. In stabiler Wirtschaftslage scheitern diese Währungen aber oft am administrativen Aufwand und an zu wenig Unterstützung.

Der 5-Schilling-Geldschein des Wörgler Schwundgeldes (Freigeld), 1932/33
Quelle: Wikipedia, via vivimondo.com

Schon mal was vom Wörgler Schwundgeld, von der Havelblüte oder vom Bonobo gehört? Dies sind Währungen, mit denen man in Österreich, Deutschland und der Schweiz einmal bezahlen konnte – jedoch nur in bestimmten Regionen und nur während einer begrenzten Zeit. Um die regionale Wirtschaft zu stärken und das Geld nicht an global agierende Unternehmen zu verlieren, werden regionale Währungen oft als vielversprechende Lösung gesehen.

Eine überzeugende Idee
Regionalwährungen, auch Regionalgelder oder alternative Währungen genannt, sind komplementär zur nationalen Währung in Umlauf. Das Prinzip ist einfach: Regionale Betriebe, welche sich beteiligen, akzeptieren von Kunden die alternative Währung. So können Privatpersonen sowie die lokalen Betriebe und Geschäfte untereinander mit dem Regionalgeld bezahlen. Somit bleibt dieses regional erhalten. Im Idealfall entsteht daher ein Kreislauf, welcher die dortige Wirtschaft stärkt.

Durch das Regionalgeld steigt der Anreiz, Produkte und Dienstleistungen bei Anbietern in der Region zu beziehen. Mit dieser erhöhten Nachfrage, so die Idee, soll der Umsatz erhöht werden. Und somit entstehen neue Arbeitsstellen. Dank kurzer Lieferwege hat die Ökonomie auch grosses Potential zum Umweltschutz beizutragen.

Die reguläre Währung wird oft zum Eins-zu-eins-Kurs in die alternative Währung umgetauscht, der Rücktausch erfolgt mit einer Gebühr von circa fünf Prozent – ein Anreiz, das regionale Geld auszugeben und nicht zurückzuwechseln.

Erfolgsgeschichten des Regionalgeldes
Eine der bekanntesten Regionalwährungen war das «Wörgler Schwundgeld», welches 1932 in Wörgl in Österreich während einer wirtschaftlichen Krise eingeführt wurde. Innerhalb von 14 Monaten erlebte die Gemeinde einen grossen Aufschwung: Es wurde mehr investiert, die Arbeitslosigkeit sank beträchtlich und der Finanzhaushalt der Gemeinde verbesserte sich erheblich. Zehn Jahre nach Einführung wurde die Währung aber aufgrund des Banknotenmonopols der Nationalbank gerichtlich verboten.

In Deutschland ist der «Chiemgauer» die erfolgreichste Regionalwährung, die 2003, also kurz nach der Einführung des Euros, als Schulprojekt entstand. Mit mehr als 600 sich beteiligenden Geschäften und Unternehmen, 700’000 Chiemgauern in Umlauf und 7,5 Millionen Euro Jahresumsatz zum 15-jährigen Jubiläum 2018 ist die Währung langfristig sehr gut in der Region integriert.

Ohne Krise kein Erfolg
Nicht so von Erfolg gekrönt sind allerdings viele andere Regionalwährungen. In Deutschland entstanden zum Beispiel während der Eurokrise ab dem Jahr 2010 viele solcher Währungen. Aber als sich der Euro wieder stabilisierte und die anfängliche Euphorie nachliess, verlor sich das Interesse und die Verwendung des Regionalgeldes liess nach.

Viele der Regionalwährungen werden eingestellt, weil sich Unternehmen und private Personen kaum beteiligen und sie zu wenig politische Unterstützung erfahren. Beispiele sind hier etwa die «Regio Havelblüte» in Brandenburg oder der «Amper-Taler» in Bayern.

Erfolgreiches Regionalgeld: Der Chiemgauer
Quelle: Website chiemgauer.info

Viel Aufwand und praktische Probleme
Zudem gibt es viele Einschränkungen und Schwierigkeiten bei der Nutzung der Regionalwährungen. Alleine der administrative Aufwand ist teils sehr gross. Bei Produkten, die nicht regional hergestellt und daher importiert werden müssen, funktioniert das System ausserdem nicht. Ebenso nicht, wenn ein Betrieb für etwaige Reparaturen oder Dienstleistungen bezahlen muss, für die er nicht mit der Regionalwährung bezahlen kann.

Auch für grössere Unternehmen ist es oft zu aufwendig eine alternative Währung zu akzeptieren, weshalb sie entsprechende Anfragen verneinen. Zum Beispiel stiess der «Bonobo» ab 2015 in Bern zwar auf viel Interesse in der Bevölkerung und regte Diskussionen an, wurde aber kaum genutzt und das Projekt wurde 2018 nicht verlängert.

Zeit ist Geld
Ein anderes Problem kann die sogenannte Umlaufsicherung darstellen. Dies ist eine Gebühr, die bezahlt werden muss, wenn das Geld gespart und nicht ausgegeben wird. Manche Geldscheine laufen beispielsweise ab und müssen gegen Gebühr in neue umgetauscht werden. Oder die Nutzer müssen Marken kaufen und auf die Scheine kleben, um deren Gültigkeit zu verlängern.

Die Idee dahinter: Es ist somit teuer, Geld zu sparen und es wird rasch wieder ausgegeben. So gelangt es wieder in die Unternehmen und Geschäfte, was den wirtschaftlichen Kreislauf fördert. Diese Entwertung des Geldes kann aber auch ganz von der Verwendung des Regionalgeldes abschrecken und wird auch prinzipiell von Ökonomen als nicht plausibles Konzept kritisiert.

Idealisierung von Regionalwährungen
In Wirtschaftskrisen ist die Hauptmotivation hinter den Regionalwährungen, die Existenzen der Unternehmen zu retten und Arbeitsplätze zu schaffen. In wirtschaftlich stabilen Zeiten hingehen werden solche alternativen Währungen aus anderen Gründen eingeführt. Denn für Idealisten und Systemkritiker sind Regionalwährungen oft eine romantisierte Version einer starken regionalen Wirtschaft, die nur wenig Geld an die globalen Unternehmen verliert.

Was in der Theorie eine gute Idee, ist in der Praxis aber nur schwer umzusetzen. Die meisten Menschen sind eben keine Idealisten und nicht ohne weiteres vom zusätzlichen Aufwand zu überzeugen. Weltweit führen Regionalwährungen bislang nur ein Schattendasein und können den unerwünschten Wirkungen der Globalisierung daher kaum entgegenwirken.

Im Netz

Im Unterwallis lässt sich derzeit mit dem Farinet bezahlen. Benannt nach Joseph-Samuel Farinet, einem Falschmünzer des 19. Jahrhunderts.

Artikel im Spiegel über diverse Probleme von Regionalwährungen

Über die theoretischen Vorteile von Regionalgeld (monneta.de)

Artikel in Der Zeit über die Hintergründe, die Entstehung und den Erfolg des «Wörgler Schwundgelds»

Über die erfolgreichste deutsche Regionalwährung, den «Chiemgauer» (n-tv.de)

Über das Ende des «Amper-Talers» in den Potsdamer Neuesten Nachrichten und im Merkur

Über das Ende der «Regio Havelblüte» im Spiegel

Über die Regionalwährung «Bonobo» in Bern in der Berner Zeitung und in der Tageswoche

Über die Umlaufsicherung von Regionalwährungen (regionalentwicklung.de)





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