Thomas Bernhard: „Der Weltverbesserer“ gezeichnet von Nicolas Mahler

Weltverschlimmerer

Thomas Bernhard: „Der Weltverbesserer“ gezeichnet von Nicolas Mahler (Graphic Novel)

Wie setzt man ein Theaterstück, das jeglicher Aktion entsagt, in eine Graphic Novel um? Besonders, da Thomas Bernhards Stück fast nur von seinem Wortwitz lebt. Und genau dieser Wortwitz geht durch die diversen Kürzungen, die für die Graphic Novel nötig sind, verloren. – Nicolas Mahler gelingt dennoch eine humorvolle und durchaus überzeugende Adaption.

Von Andrea Müller-Schmuki.

derweltverbessererEin alter, fast tauber Privatgelehrter wartet zu Hause in seinem hohen Sessel darauf, dass der Rektor, der Dekan, der Subdekan und der Bürgermeister zu ihm kommen, um ihm die Ehrendoktorwürde zu verleihen. Diese Auszeichnung soll er erhalten für sein „Traktat zur Verbesserung der Welt“. Während er wartet und seine Lebensgefährtin immer mal wieder zu sich ruft, schimpft er auf alles und jeden, im Grunde genommen auf die ganze Welt. Sein Traktat, das keiner verstanden hat, beinhaltet schliesslich auch die Lehre, dass die Welt nur verbessert werden kann, wenn wir sie abschaffen.

Parodie

Bereits Bernhard setzte in seinem wohl amüsantesten Theaterstück „Der Weltverbesserer“ auf Repetition und Minimalismus – etwa in der Bewegung auf der Bühne: Der Privatgelehrte sitzt während des ganzen Stücks praktisch nur in seinem Sessel – nahezu reglos – und die so ziemlich einzige Bewegung, die es gibt, ist, wenn seine Lebensgefährtin von Zeit zu Zeit erscheint, um ihm etwas zu bringen – ein Fussbad, eine Kette, sein Traktat, eine Perücke, seine Krücken. Auch die Gedanken des Gelehrten werden in allen Schattierungen immer und immer wieder formuliert, bis sie von jeder Seite her und bis ins Kleinste beleuchtet sind. Dieses Hin- und Her-Gerede, das Aneinanderreihen von Variationen ist ein ganz typisches bernhardsches Stilmittel, welches beim Lesen sehr gut funktioniert, auf der Bühne jedoch leider irgendwann zu lähmender Langeweile führt.

Mahler verkürzt und vereinfacht dieses Prinzip zusätzlich, wobei ihm besonders sein bereits berühmter minimalistischer und auf das Wesentlichste reduzierte Stil zu gute kommt. Mahler füllt die Seiten mit Leere, mit Statik, mit nichts als einigen Strichen, die den (wie bei Mahlers Figuren üblich) gesichtslosen Gelehrten in seinem Sessel und hin und wieder seine ebenfalls gesichtslose Lebensgefährtin zeigen. Auch was die Textausschnitte anbelangt, die Mahler für die Graphic Novel gewählt hat, gibt es dieses Wechselspiel von Wortreichtum und Schweigen, wobei es jedoch oft dem Prinzip von Statik und Bewegung entgegenwirkt: Der Gelehrte spricht besonders oft und viel, wenn er alleine ist.

Rhythmus

Bernhards Text arbeitet sehr stark mit dem Rhythmus der Sprache. Das wird nicht nur als Theaterstück auf der Bühne klar, sondern schon, wenn man das Buch liest: Thomas Bernhard verzichtete nämlich auf Satzzeichen, schrieb dafür aber oft nur ein Wort pro Zeile. Das ganze Stück wirkt dadurch mehr wie ein dramatisches Gedicht als wie ein richtiges Theaterstück. Mahler schafft es, diesen Rhythmus zu übernehmen, indem er einerseits Bilder und manchmal auch ganze Seiten ohne Text auskommen lässt und andererseits wieder viel Text auf einmal in ein einzelnes Panel packt. Die Mischung aus Bildrhythmus und Sprachrhythmus stimmt.

Mahlers brillante Comic-Adaption verleiht Bernhards „Weltverbesserer“ noch mehr Humor und Witz, auch wenn kaum noch etwas von Bernhards Wortwitz vorhanden ist. Ausserdem endet Mahlers Version unverkennbar pessimistisch und düster, während bei Bernhard der Ausgang viel offener bleibt.

Alles in allem ist „Der Weltverbesserer“ eine sehr gelungene Comic-Adaption eines grossartigen literarischen Werkes.


Titel: Der Weltverbesserer
Autor: Thomas Bernhard
Zeichner: Nicolas Mahler
Verlag: Suhrkamp
Seiten: 124
Richtpreis: CHF 18.90

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